Vorab: Wo stehen wir, was die Emissionen von Erdgas angeht? Zwischen 2009 und 2018 ist der CO2-Ausstoß, der auf Erdgas zurückzuführen ist, nicht etwa gesunken, um Klimaziele einzuhalten, sondern um 2,6 % pro Jahr gestiegen.
Stand jetzt sind zudem weltweit Gas-Infrastrukturprojekte von 500 GW geplant oder befinden sich im Bau. Allein in Deutschland sollen 11 neue LNG (liquefied natural gas) Terminals im Eilverfahren genehmigt werden.
Kurzum: "Erdgas ist eine der Hauptursachen für den Klimawandel".
Aber was sind nun ganz konkret die Probleme von Erdgas und damit der Entscheidung des EU-Parlaments? Die Forschenden führen 5 entscheidende Punkte auf:
1) Die Methan-Emissionen durch Erdgas werden unterschätzt
Das liegt u.a. daran, dass viel mehr Methan (= Hauptbestandteil von Erdgas) bei der Produktion und beim Transport entweicht als bisher angenommen. Rund 2,2 % des Erdgases entweicht im Durchschnitt in die Atmoshphäre, bevor es überhaupt verwertet werden könnte.
Bei einigen Superemittenten sind es sogar bis zu 17 %.
Das Problem: Ab einer "leakage rate" von ca. 3,3 % hätte Erdgas quasi keinen Klimavorteil mehr gegenüber Kohle. Dies wird allerdings häufig nicht adäquat in Modellen berücksichtigt (dazu gleich mehr).
Auch unterschätzt wird der Impact von Methan in der Atmosphäre. Die Studie von Kemfert et al. bezieht sich auf aktuelle Zahlen des Weltklimarats (IPCC), wonach Methan in den ersten 20 Jahren nach Eintritt in die Atmosphäre 87-mal klimaschädlicher ist als CO2.
Deswegen könnte es durch die vermehrte Verwendung von Erdgas sogar einen höheren temporären Temperaturanstieg geben als durch Kohle.
Das ist besonders gefährlich, da hierdurch Kipppunkte der Erdsysteme überschritten werden und einen Domino-Effekt auslösen können.
2) Viele Erdgas-Energie-Modelle sind fehlerhaft
Man mag es kaum glauben, aber die von der EU genutzten Energiesystem Modelle (PRIMES, GAINS) nutzen veraltete Werte zur Klimawirksamkeit von Erdgas.
Eine Studie der Lobbyorganisation Eurogas (mit Sitz in Brüssel 😇) blendete Methan einfach aus und betrachtete ledigliche die entstehenden CO2-Emissionen von Erdgas.
Vor der Verwendung entweichendes Erdgas (s.o.) wird zudem in vielen Modellen ebenfalls nicht beachtet.
3) Das Brückentechnologie-Narrativ hat sich etabliert
'Erdgas ist zumindest weniger schlimm als Kohle, von daher sollten wir uns damit Zeit kaufen, bis die Erneuerbaren mal so weit sind'. So oder ähnlich lautet die Erzählung, warum Erdgas gerade Zukunft haben soll.
Es fehlt in diesem Narrativ allerdings sowohl das Ziel, zu dem die Technologie-Brücke führen soll, als auch ein konkretes Enddatum. Die Forschenden berufen sich auf mehrere Studien, die zeigen, dass Energie aus 100% Erneuerbaren Energien jetzt schon technologisch umsetzbar ist.
4) Neue fossile Infrastruktur haben wir für Jahrzehnte am Hals
Wenn alleine die jetzt schon bestehende Energieinfrastruktur so weiterläuft wie bisher, würden 658 GtCO2 emittiert und damit 1,5 Grad-Budget überschritten. Trotzdem soll jetzt neue Unfrastruktur aufgebaut werden.
Neue Gas-Terminals und Pipelines, die u.a. aufgrund der Entscheidung des EU-Parlaments gebaut werden, kreieren einen "carbon lock-in" für teilweise mehrere Jahrzehnte – der Ausbau von Solar- und Wind-Infrastruktur wird gleichzeitig blockiert.
Das gilt natürlich auch fürs Geld...
5) Investitionen in Erdgas sind wirtschaftlich hoch riskant
Durch die Entscheidung des EU-Parlaments wird mehr Geld in Erdgas-Technologie investiert. Das Problem: Um die Klimaziele irgendwie einzuhalten, kann die Technlogie gar nicht bis an ihr Lebensende genutzt werden.
Das heißt: "Massive finanzielle Verluste".
2030 könnten rund 90 Milliarden US-$, die in Kohle und Gas-Kraftwerke investiert wurden zu wertlosen Investitionen ("stranded assets") verkommen.
Hinzu kommt: Dieses Geld fehlt jetzt wiederum beim Ausbau von Wind- uns Solarenergie.
Das Fazit der Die Forschenden lautet – "Das Erreichen des Pariser Abkommens und der längerfristigen Klimaschutzziele setzt zwangsläufig einen Ausstieg aus der Nutzung von fossilem Erdgas voraus."
Mit anderen Worten: Gas ist keine Brückentechnologie!
Die Entscheidung des EU-Parlaments, Gas als nachhaltig zu deklarieren, ist somit aus wissenschaftlicher Sicht nicht tragbar und für den Klimaschutz ein Riesenschritt zurück. 🧵18/18
Hier der Link zur Studie "The expansion of natural gas infrastructure puts energy transitions at risk" von Kemfert et al.
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Das ist einfach so wichtig!
Der Weltklimarat (IPCC) nennt in seinem Report ganz konkret die wichtigsten To Dos, die wir als Weltgemeinschaft vor uns haben, um den #Klimawandel einzudämmen. Hier sind die 5 Maßnahmen, mit dem höchsten CO2-Einsparpotenzial: 🧵1/14
1. Solar- und Windenergie ausbauen
Einsparpotenzial: 8 Gigatonnen
Kosten (pro Tonne CO₂-eq.): sehr niedrig
Erneuerbare Energien sind Lösung Nummer eins, um Emissionen einzusparen. Warum?
Was Solar- und Windenergie zum No-Brainer macht: Die Kosten liegen fast gänzlich bei unter 20 US-Dollar pro eingesparter Tonne CO₂-Äquivalent. Zusätzlich gibt es zahlreiche positive Wechselwirkungen mit den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der UN.
Sehr spannende Analyse von @CKemfert im MDR Klima-Podcast zu Olaf #Scholz' mutmaßlichem Nazivergleich:
"Ich finde die Reaktion im höchsten Maße problematisch... 🧵
... Der Kanzler hat sich weder entschuldigt noch hat er das korrigiert oder erläutert, sondern hat sogar noch nachgelegt und den Klimaaktivisten vorgeworfen, sie können keine Kritik ab. Das ist wirklich problematisch.
Es geht hier um die Zukunft einer kommenden Generation, es geht um Sorgen von Bürgern, es geht um Klimaschutz und was dafür getan wird.
Statt souverän auf eine, aus meiner Sicht, recht zivile Störung zu reagieren, organisiert Scholz hier eine Mehrheit gegen...
So unterschätzt und daher um so wichtiger zu verstehen – Maßnahmen zur Erhaltung der #Biodiversität sind nicht kontraproduktiv, sondern gehen Hand in Hand mit Klimaschutz!
Das haben Forschende in einer aktuellen Studie herausgefunden: 🧵1/14
Vorab: Was hat Natur mit dem #Klimawandel zu tun?
Einiges! Insgesamt 55% der menschengemachten CO2-Emissionen werden von natürlichen Ökosystemen "abgefangen".
Rund 25% der Emissionen werden durch verschiedene Ökosystem-Prozesse von den Ozeanen absorbiert. Wälder und andere Landflächen nehmen sogar rund 30% auf.
Vor wenigen Tagen kam eine ziemlich krasse Studie vom @PIK_Klima raus. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Lösungen, mit denen das globale Ernährungssystem bis 2100 CO2-neutral werden kann.
Was haben die Forschenden herausgefunden? 🧵1/13
Vorab: Wo stehen wir?
Über die gesamte Wertschöpfungskette versursacht unser Essen ein Drittel(!) aller globalen Emissionen. Darüber hinaus ist es der Hauptgrund für Artensterben und Zerstörung von Ökosystemen wie dem Amazonas.
Alarmstufe dunkelrot also für eine Transformation von unserem "Food System".
Daher untersuchten die Forschenden bei drei Haupt-Faktoren die Auswirkungen auf die Treibhausgas-Emissionen:
1) Degrowth 2) CO2-Steuer für Lebensmittel 3) Flexitarische Ernährung
Noch vor einigen Monaten klangen viele Fragen aus dem Freundeskreis ungefähr so: "Ist es wirklich so schlimm mit dem Klima?".
Mittlerweile hört man immer öfter: "Jetzt sagt mal ehrlich: wir sind geliefert, oder?"
Die Antwort ist wichtig, aber nicht einfach. 🧵1/7
Die Message, dass das 1,5 Grad Ziel gerade auf der Palliativstation liegt, scheint bei vielen angekommen. Spätestens seit dem IPCC-Bericht. Was die Konsequenzen daraus sind, allerdings noch nicht.
In den nächsten Monaten und Jahren ist eine der wichtigsten Botschaften, die man alten, aber vor allem auch jungen Menschen mit auf den Weg geben muss: "Jedes Zehntelgrad zählt".