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Oct 10 19 tweets 7 min read
Die Kommission zum #Gaspreisdeckel hat heute einen ersten Vorschlag vorgelegt, wie Haushalte und Unternehmen angesichts des hohen Gaspreises entlastet werden könnten. Ein 🧵 zu den Vorschlägen für Privathaushalte (weil ich dazu am meisten gearbeitet habe). 1/
Vorweg: Der Vorschlag ist eine gute pragmatische Lösung, wie man schnell die Haushalte entlasten kann.
Im Dezember soll eine Abschlagszahlung vom Bund übernommen werden, ab dem Frühjahr über einen Rabatt der Preis für einen Grundverbrauch 2/
von 80% des geschätzten Verbrauchs (über die Abschlagschätzung) zu einem Preis von 12 Ct garantiert werden.
Der Vorschlag erfüllt die wichtigsten Kriterien, für die @IsabellaMWeber und ich im Frühjahr eine erste Version des Gaspreisdeckels vorschlugen. 3/
wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/20…
Die von der Kommission vorgeschlagene #Gaspreisbremse würde die Haushalte schnell entlasten, die Kaufkraft stärken, Planungssicherheit für die Haushalte schaffen und die Inflation dämpfen. 4/
Wir schätzen am @IMKFlash, dass der Vorschlag insgesamt die Privathaushalte bis zum Frühjahr 2024 um gut 35 Mrd. € entlastet.
(Wir hatten jüngst im Policy Brief ein fast identisches Modell analysiert, allerdings mit etwas anderen Garantiepreisen). 5/
imk-boeckler.de/de/faust-detai…
Da diese Entlastung in vielen Fällen auf Haushalte trifft, die bei vollem Durchwirken der Gaspreise ihren Konsum deutlich zurückgefahren hätten, ist zu erwarten, dass der gesamtwirtschaftliche Multiplikator dieser Maßnahme nahe 1 liegen dürfte. 6/
Anders ausgedrückt: Die #Gaspreisbremse für die Haushalte könnte das deutsche Wirtschaftswachstum direkt um einen knappen Prozentpunkt stützen. 7/
Bei der Inflation dürfte die #Gaspreisbremse die gemessene Teuerungsrate um mehrere Prozentpunkte nach unten drücken – auch das ist hoch willkommen und eine gute Vorlage für die nächste Sitzung der konzertierten Aktion. 8/
Sehr gut ist, dass die Gaspreisbremse bei den Privathaushalten Planungssicherheit schafft, wie es eine große Einmalzahlung vorweg nicht geschafft hätte: Egal, wie hoch der Großhandelspreis beim Gas noch steigt, die Kosten für das Grundkontingent 9/
sind fix. Gleichzeitig bleiben die Sparanreize intakt, weil der Grenzpreis hoch bleibt. 10/
Allerdings bleiben noch Hausaufgaben bei der Umsetzung für die Bundesregierung und ultimativ den Gesetzgeber: Die Kommission hat darauf hingewiesen, dass am besten zusätzlich zu dem Vorschlag eine Obergrenze für die geförderten kWh Gas eingeführt werden sollte, 11/
ohne das genauer auszuführen.
Ein solcher Schritt ist unbedingt notwendig. Bleibt er aus, würden Villenbesitzer mit Privatschwimmbad und einem für solche Gebäude nicht untypischen Verbrauch mit knapp fünstelligen €-Beträgen gefördert, während das Rentnerpaar 12/
in der Neubauwohnung trotz deutlich gestiegener Belastungen nur ein Zehntel bekommen würde.
Nach ersten Schätzungen von uns würden ohne Korrektur im Schnitt Menschen in den oberen Einkommensdezilen eine 1,5fach so große Entlastung bekommen wie jene in den untersten Dezilen. 13/
Eine zweite Aufgabe wird die Kommunikation der erlassenen Abschlagzahlung im Dezember sein. Nach ökonomischer Theorie ist diese Zahlung für den Sparanreiz kein Problem, weil dieser Abschlag als Rabatt von der Jahresrechnung am Ende abgezogen wird, 14/
und somit den Grenzpreis nicht verändert.
Ob die Menschen aber verstehen, dass sie im Dezember nichts für Gas bezahlen müssen, aber ihnen hinterher der tatsächliche Verbrauch berechnet wird, ist offen. 15/
(Heute morgen sagte mir schon ein Journalist scherzhaft: „Dann kann ich ja im Dezember voll heizen“ – was zeigt, wie missverständlich dieses Element sein kann. ) 16/
Hier sollte die Bundesregierung eine ordentliche Informationskampagne machen, die vor allem auf einfache Sprache und Botschaften setzt. 17/
Aber dafür ist ja der Kommissionsbericht da: Ein guter Startpunkt, mit dem jetzt Bundesregierung und Bundestag arbeiten können, um am Ende hoffentlich eine richtig gute #Gaspreisbremse umzusetzen. /END

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Oct 8
Heute Schreiben von unserem Energieversorger (Fernwärme) bekommen. Im Neukundentarif würden wir nun mehr als sechsmal so viel bezahlen als bisher, fast 7000 € mehr.

Wie man uns mitteilt würde das Absenken der Heiztemperatur um ein Grad davon 29 € (!) sparen. 1/ Image
Zwei Punkte: 1) Was man mit diesem (nun gesetzlich vorgeschriebenen) Schreiben anfangen soll, ist mit unklar (und den meisten EmpfängerInnen wahrscheinlich noch viel mehr).

2) Bei dem Tarif ist der Anreiz zum Energiesparen natürlich ein Witz. Wer wird für 58 € bei einer 2/
Gesamtrechnung von >8000 € seine Heizung für den Winter zum zwei Grad runterdrehen? /END
Read 4 tweets
Oct 6
Noch eine kleine Ergänzung zu meinem Thread unten:
Warum Auszahlung basierend auf dem Verbrauch des Vorjahres (ebenfalls Vorschläge, die diskutiert werden) oder große Einmalzahlungen an Gashaushalte derzeit nicht ideal sind: 1/
Der Gaspreis ist derzeit sehr volatil. Wir wissen nicht, ob dieser in 4 Monaten bei 100 oder bei 300 € pro MWh liegt. 2/
Ein Gaspreisdeckel für den Grundverbrauch „atmet“ mit dem Gaspreis: Wenn der allgemeine Gaspreis fällt, schrumpfen die Subventionen. Wenn der Gaspreis steigt, wird mehr subventioniert. Die Haushalte gewinnen dadurch Planungssicherheit, 3/
Read 6 tweets
Oct 6
Hier auf #Econtwitter ist zuletzt heftig diskutiert worden, wie ein #Gaspreisdeckel / #Gaspreisbremse auszugestalten sei, insbesondere, ob ein Grundkontingent in kWh (pro Haushalt oder pro Person) oder Kontingent orientiert am Vorjahresverbrauch (etwa 80 %) besser sei. Ein 🧵/1
Vorweg: Beide Lösungen wären derzeit super. Es kommt jetzt darauf an, die Haushalte schnell und wirksam zu entlasten. Beide Ansätze leisten das, und darum wäre es klasse, wenn am Ende der #Gaspreiskommission eine Lösung steht, die diesen nahe kommt. 2/
(Für alle neu in der Debatte zur Erläuterung: Die Idee beim #Gaspreisdeckel ist, dass eine bestimmte Menge subventioniert abgegeben wird, darüber aber ein höherer Preis greift, um die Anreize zum Energiesparen über höhere Grenzpreise hoch zu halten.) 3/
Read 24 tweets
Sep 26
In der Diskussion um den #Gaspreisdeckel für den Grundverbrauch (wie von @IsabellaMWeber und mir vorgeschlagen) wurde hier kürzlich gefragt, was die Logik sei, nur Haushalte mit Gasheizung zu entlasten und nicht die breite Bevölkerung, etwa über Einmalzahlungen. 1/
Die Antwort ist: Weil Haushalte mit Gasheizung ganz massiv stärker durch den Energiepreisanstieg belastet sind. Um das zu illustrieren, habe ich eine kleine Beispielrechnung zu den reinen Brennstoffkosten angefertigt. 2/
Verglichen werden zwei Wohnungen mit 120 qm Wohnfläche, eine mit Gas-, die andere mit Ölheizung. Für den Verbrauch werden gängige Durchschnittswerte von 15 Liter Heizöl pro qm und Jahr und 160 KWh Gas pro qm und Jahr angenommen. 3/
Read 12 tweets
Aug 26
Wenn man sich die jüngsten Äußerungen aus Teilen der #Bundesregierung zur Finanzpolitik 2023 anhört, so könnte man den Eindruck bekommen, dass dort eine wichtige Erkenntnis noch nicht angekommen ist: Deutschland steht gerade vor einem gigantischen makroökonomischen Schock. 🧵1/n
Der Schock war nach der Ukraine-Invasion angelegt, aber er hat sich in voller Größe erst in den letzten Wochen materialisiert.
Haupttreiber sind die Energiepreise (vor allem Gas, siehe Grafik unten), dazu kommen nachgeordnet noch Nahrungsmittelpreise. 2/ Image
Einen Eindruck von der Größenordnung des Schocks bekommt man, wenn man einmal die Nettoimportrechnung Deutschlands für fossile Energieträger abschätzt.
Das habe ich unten einmal getan, und zwar auf Basis der 2019 eingeführten 3/
Read 18 tweets
Aug 2
Mein Tweet über Nudelpreise hat erstaunlich große Aufschreie hier auf Twitter hervorgerufen, bis hin zu der These, es gäbe prinzipiell keine #Gewinninflation und außerdem sei es "absurd", dass ein Kostenschock zu höheren Gewinnen führen könne. 1/
Zunächst einmal: #Gewinninflation ist kein Konzept, dass ich mir ausgedacht hätte. Es geht auf eine lange Diskussion mit akademischen Beiträgen unter anderem von Michal Kalecki zurück und wird in den USA auch heute noch aktiv diskutiert. 2/
Was ist nun #Gewinninflation? #Gewinninflation ist, wenn durch Ausweitung der Gewinnmargen die #Inflation steigt bzw. über den Zielwert der Zentralbank hinausschießen. 3/
Read 23 tweets

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