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Oct 30 15 tweets 4 min read
Es lohnt kaum, sich inhaltlich mit den Thesen von @ulrikeguerot zu beschäftigen, sie sind zu wirr. Der Fall Guérot zeigt aber beispielhaft, wie #Antiamerikanismus und #Putinismus auch aus der proeuropäischen "Mitte der Gesellschaft" erwachsen sind.
Einige Anmerkungen:
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Natürlich leugnet Guerot, antiamerikanisch zu sein, sie gehöre nicht zu den #Putinversteher|n und wünsche sich "von Herzen", mit ihrem Buch "eine aufgeschlossene und sachliche Diskussion" über die Zukunft Europas anzustoßen.
2/15
Jedes Wort ein performativer Widerspruch, wie schon das Feuerwerk der Invektiven in der Einleitung zeigt: Ihre Gegner bezeichnet Guerot als "Kriegshetzer", die sich in der "Regression" befinden. Und wie anders denn als "antiamerikanisch" lässt sich begreifen,
3/15
dass sie den #Angriffskrieg auf die #Ukraine ganz auf Linie des russischen Außenministers als Präventivschlag gegen einen angeblich seitens der USA von langer Hand vorbereiteten Stellvertreterkrieg gegen Russland darstellt?
4/15
Im Unterschied zu #KroneSchmalz macht sie sich nicht einmal mehr die Mühe, ihre Rechtfertigung des russischen „Einmarsches" zu kaschieren: Guérot gesteht Russland nicht nur zu, sich gegen den US-Hegemon zur Wehr zu setzen, sie suggeriert auch, der Überfall
5/15
auf die Ukraine entspreche höheren europäischen Interessen: "Verteidigt wird ein Nationalstaat, obgleich Europa die Überwindung des klassischen Nationalstaates sein sollte."
6/15
So radikal abgedreht ihre Behauptungen weitgehend sind (im gleichen Verlag erschien 2015 das Hauptwerk der deutschen Verschwörungsmythologen Bröckers/Schreyer, auf das sie sich etwa mit der Story bezieht, der Maidan sei von den USA gekauft worden),
7/15
sind in diesem Bezug auf den Traum von der europäischen Einigung Anknüpfungspunkte zu breiten Milieus der deutschen Öffentlichkeit zu finden (und das nicht allein zu der linksliberaler, extrem linker oder rechter Prägung; Guérot war @CDU-Mitglied).
8/15
Der Traum einer immer engeren politischen Union Europas ließ lange Illusionen blühen und nun unterschwellige Aggressionen anwachsen: Der Wunsch nach einem Europa, das durch Frieden und Kooperation geprägt ist, hat weite Teile der deutschen Öffentlichkeit blind dafür gemacht,
9/15
dass der Machthaber andere Ziele verfolgt. Als Putin 2001 die Abgeordneten des Bundestags um den Finger wickelte, ignorierten die meisten nicht nur, dass bei ihm aus der Freihandelszone von "Vancouver bis Wladiwostok" eine von "Lissabon bis Wladiwostok " geworden war,
10/15
um einen Keil zwischen USA und EU zu treiben. Sie sahen geflissentlich über die genozidale Gewalt hinweg, die er in Tschetschenien ausüben ließ. Aus ihren Träumen von einem "gemeinsamen Haus Europa" wollen sich viele Deutsche aber nicht einmal jetzt aufwecken lassen.
11/15
Darin liegt ein wesentlicher Faktor für die Aggressionen, mit denen sich ausgerechnet die attackierte Ukraine konfrontiert sieht: Nicht Russland, dessen Vertreter und Propagandisten sich in immer wüsteren Tiraden ergehen, erregt diese Aggressionen, denn dann
12/15
müsste man sich ja eingestehen, sich über dieses Land Illusionen gemacht zu haben, sondern der Abwehrkampf der Ukraine, der diese Lebenslügen als solche entlarvt. Guerot ist verkörpert diese Lebenslüge, wie niemand sonst. Sie hat sich die Realität mit solcher Gewalt
13/15
zurechtgebogen, damit sie zu ihren politischen Träumen passte, dass sie dafür Zitate von Europapolitikern der ersten Stunde erfand samt Quellennachweis, was ein „Versehen“ ausschließt taz.de/Politologin-ue…).
14/15
Trotz dieser Fälschungen ist Guérot als Professorin für Politikwissenschaft an die Universität Bonn berufen worden und wurde von Medien hofiert. Entsprechend hat sie sich weiterentwickelt.

Jede Öffentlichkeit bekommt die Bücher, die sie verdient.

15/15

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