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Nov 15 28 tweets 12 min read
Hier auf #Econtwitter gab es gestern erneut eine Debatte darum, inwieweit unsere Sorgen vor Lieferkettenproblemen/„Kaskadeneffekten“ für den Fall hoher Gaspreise und mit der Gaspreisbremse subventionierten Stilllegungen gerechtfertigt sind.
Ein 🧵. 1/
imk-boeckler.de/de/faust-detai…
Eine unserer Sorgen ist, dass mit Gaspreisbremse für Untern. & der Regel, dass die Industrie ihr subventioniertes Gas pauschal weiterverkaufen kann, die Produktion ZU WEIT heruntergefahren wird und u.a. Vorprodukte fehlen, sodass die Produktion auch in anderen Branchen leidet. 2/
Wie relevant aber sind solche Lieferketteneffekte? Potenziell recht groß. In der ersten #Covid19-Welle etwa ging deutlich mehr als die Hälfte des Wirtschaftseinbruchs (das BIP fiel im Quartalsvergleich mehr als 10 %) auf das Verarbeitende Gewerbe zurück, 3/ Image
und dabei dürfte der Großteil davon auf Lieferkettenproblemen geschuldet gewesen sein. Weil Automobilteile etwa aus Italien fehlten, standen etwa bei BMW die Bänder still.
Lieferkettenprobleme belasteten die Produktion aber weit über die Akutphase der ersten Lockdowns hinaus.4/
Im Jahr 2021, also ein Jahr nach der ersten Covid-Welle, wurden etwa 1 Mio. Autos in Deutschland trotz Bestellungen nicht gebaut, weil Halbleiter fehlten.
Die entgangene Wertschöpfung hier war mindestens zehnmal so hoch wie der Wert der fehlenden Bauteile. 5/
Auch für 2021/2 schätzt etwa das @ifo_Institut den Wertschöpfungsverlust durch Lieferkettenprobleme für das Verarbeitende Gewerbe immer noch auf bis zu 80 Mrd. €. 6/
ifo.de/DocDL/sd-2021-…
Gelegentlich wurde darauf hingewiesen, dass die Industrie ja schon viel Gas gespart habe und man von solchen Problemen derzeit nichts sähe. Dies zeige doch, dass die Substitution etwa durch Importe viel einfacher sei als von uns befürchtet, so einige hier. 7/
Gucken wir uns die Zahlen einmal an: Unmittelbar nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges schätzte der @bdew_ev, dass ca. 20 % des Erdgasverbrauchs jenseits von Haushalten und Gewerbe sich kurzfristig ersetzen ließe, einfach, indem man etwa Dual-Use-Brenner auf Heizöl umstellt. 8/ Image
Das heißt, 20 % Gas ließe sich sparen, ohne dass es zu Produktionseinbußen kommen muss.
Diese Zahlen lagen auch Schätzungen von Produktionsstörungen durch ein #Gasembargo zugrunde, wie die GD oder @tom_krebs_ angefertigt haben. 9/
imk-boeckler.de/fpdf/HBS-00831…
gemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/upl…
Im dritten Quartal 2022 (das letzte, für das wir Produktionszahlen haben), hat die Industrie im Vorjahresvergleich 16 % weniger Gas verbraucht und die Produktion hat nicht übermäßig gelitten.
Das ist genau im Rahmen dieser Schätzung aus dem Frühjahr. 10/
bundesnetzagentur.de/DE/Gasversorgu…
Es sagt aber nichts darüber, was passieren würde, wenn noch mehr Gas gespart werden müsste. Denn jenseits der 20 % beginnt der Bereich, der NICHT einfach kurzfristig durch Fuel Switch o.ä. zu ersetzen ist. 11/
(Seit März ist in den Unternehmen viel passiert, also sollte auch hier etwas mehr Potenzial sein.
Aber aus den vergangenen Monaten zu schließen, dass eine weitere Reduktion von Gasverbrauch ebenso problemlos zu bewerkstelligen sei, ist kein logisch zulässiger Schluss.) 12/
Störungen der Lieferketten müssen dabei dann nicht unbedingt daher rühren, dass Gas in der Mangellage rationiert wird und es deshalb zu Produktionsunterbrechungen kommt.

Wenn Unternehmen wegen hoher Kosten die Produktion einstellen, sind ähnliche Mechanismen wahrscheinlich. 13/
Und die Gaspreisbremse mit der Möglichkeit der Unternehmen, all ihr subventioniertes Gas pauschal ohne Bedingungen weiterzuverkaufen, auch, wenn sie die Produktion einstellen, wirkt auf Produktionsentscheidungen so, als gäbe es keine Gaspreisbremse. 14/
imk-boeckler.de/de/faust-detai…
Probleme sind vor allem dann wahrscheinlich, wenn wichtige Vorprodukte für eine Produktion eigentlich Neben- oder Abfallprodukte aus einer anderen Produktion sind, die wegen hoher Kosten eingestellt wird. Oft kennen Produzenten gar nicht Folgen ihres Produktionsstopps. 15/
Aber warum funktioniert der Preismechanismus hier nicht? Warum zahlt nicht einfach der Käufer der Vorprodukte einen höheren Preis?
Das Problem ist, dass die Schäden ja nicht bei EINEM EINZELNEN nachgelagerten Produzenten anfallen, sondern über ein ganzes Netz. 16/
Fehlende Halbleiter bei den Autos etwa führen nicht nur zu verlorener Wertschöpfung bei den Automobilherstellern, sondern auch bei den Stahlproduzenten und anderen Zulieferern, weil die Autokonzerne dort die Vorprodukte ebenfalls nicht abnehmen. 17/
Zuletzt wurde eine Studie des @IWH_Halle in den Medien zitiert, die vermeintlich zeigt, dass man gasintensive Produktion einfach ohne große Folgen herunterfahren könne, etwa hier bei @spiegelonline. 18/
spiegel.de/wirtschaft/unt…
Bei genauerer Betrachtung stellt man aber fest, dass dieses Ergebnis weniger empirisch hergeleitet ist, als schon mit den Annahmen quasi angelegt ist.
So überschätzt die Studie die Substitutionsmöglichkeiten durch mehr Importe durch ihre spezifische Methode. 19/
Die Autoren bezeichnen jene Produkte als leicht zu substitutieren, bei denen Deutschlands Verbrauch im Vergleich zum Welthandel ohne deutsche Produktion relativ klein ist. 20/
iwh-halle.de/presse/pressem… Image
Sie vernachlässigen dabei die Frage, ob es überhaupt im Rest der Welt freie Kapazitäten gibt und welche Vertragsbeziehungen auf den Weltmärkten für die Produkte herrschen.
(Das Problem wird in einer Fußnote erwähnt, dann aber ignoriert.) 21/ Image
Halbleiter etwa hätten nach diesem Kriterium für die deutsche Automobilindustrie nie knapp sein dürfen. Der deutsche Halbleiterverbrauch ist im Verhältnis zum Welthandel von Halbleitern klein. Nach den genutzten Indikator wären diese also „leicht substituierbar“. 22/
Die Produktionsausfälle in der Automobilindustrie hätte also nach der Methodik der @IWH_Halle Studie also nie geben dürfen.
Allein dieses Beispiel sollte Zweifel an der Belastbarkeit der Ergebnisse wecken. 23/
Die Produktionsausfälle in der Automobilindustrie hätte also nach der Methodik der @IWH_Halle Studie also nie geben dürfen.
Allein dieses Beispiel sollte Zweifel an der Belastbarkeit der Ergebnisse wecken. 24/
Auch vernachlässigt die @IWH_Halle Studie das Phänomen von Kuppelproduktion, wie vom @iw_koeln kritisiert. Dass etwa Salzsäure ein Nebenprodukt anderer Prozesse ist, die evtl. gasintensiv sind, und später fehlen könnte, kommt nicht vor. 25/
businessinsider.de/wirtschaft/gas…
Kann es sein, dass wir die Lieferkettenproblematik überschätzen? Natürlich, das kann immer passieren.
Allerdings haben wir historische Erfahrung mit Lieferkettenproblemen, und bislang keine Evidenz, warum die Probleme nun harmloser sein sollten. 26/
Und alles, was bislang an Studien vorliegt, und bei denen diese Problematik am Ende sehr klein ist, ist auf die ein oder andere Seite leider nicht überzeugend – so schön die Ergebnisse auch für die deutsche Wirtschaft wären. /END

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Oct 13
Heute berichtet @schieritz über die Entlastungswirkungen der von der #Gaskommission vorgeschlagenen #Gaspreisbremse für Haushalte.
Ein paar Ergänzungen– auch zu der Debatte, die hier auf #Econtwitter über die Gerechtigkeit der #Gaspreisbremse tobt. 🧵 1/
Zunächst: Die Gaspreisbremse für Haushalte wird einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung von Konjunktur und Gesellschaft leisten. Die Kaufkraft wird um 35 Mrd. € gestützt, was 1 % BIP-Wachstum ausmachen könnte, die Inflationsrate dürfte zwei Prozentp. niedriger ausfallen. 2/
Nach unseren Berechnungen übernimmt der Staat durch die Gaspreisbremse im Schnitt etwas mehr als 40 Prozent der Heizrechnung aller Haushalte, die mit Gas heizen (unter der Annahme, dass sie ihren Vorjahresverbrauch nicht reduzieren). 3/
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Oct 11
When Germany announced to spend up to €200bn on gas price caps, there was an outcry in some #EU partner states.
Yesterday, a government-appointed commission made proposals how to implement them. A few explanations for the English speaking community. 1/
The commission has proposed a gas cost capping system both for the household and the business/industry sector. I will focus on the household sector here, with more to come on the business sector in the coming days. 2/
Background of all this is that retail natural gas prices for private households have roughly doubled since 2021 (and against long-term average) and are set to double once more (making it a total >300 % increase) would the government not intervene. 3/ Image
Read 20 tweets
Oct 10
Die Kommission zum #Gaspreisdeckel hat heute einen ersten Vorschlag vorgelegt, wie Haushalte und Unternehmen angesichts des hohen Gaspreises entlastet werden könnten. Ein 🧵 zu den Vorschlägen für Privathaushalte (weil ich dazu am meisten gearbeitet habe). 1/
Vorweg: Der Vorschlag ist eine gute pragmatische Lösung, wie man schnell die Haushalte entlasten kann.
Im Dezember soll eine Abschlagszahlung vom Bund übernommen werden, ab dem Frühjahr über einen Rabatt der Preis für einen Grundverbrauch 2/
von 80% des geschätzten Verbrauchs (über die Abschlagschätzung) zu einem Preis von 12 Ct garantiert werden.
Der Vorschlag erfüllt die wichtigsten Kriterien, für die @IsabellaMWeber und ich im Frühjahr eine erste Version des Gaspreisdeckels vorschlugen. 3/
wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/20…
Read 19 tweets
Oct 8
Heute Schreiben von unserem Energieversorger (Fernwärme) bekommen. Im Neukundentarif würden wir nun mehr als sechsmal so viel bezahlen als bisher, fast 7000 € mehr.

Wie man uns mitteilt würde das Absenken der Heiztemperatur um ein Grad davon 29 € (!) sparen. 1/ Image
Zwei Punkte: 1) Was man mit diesem (nun gesetzlich vorgeschriebenen) Schreiben anfangen soll, ist mit unklar (und den meisten EmpfängerInnen wahrscheinlich noch viel mehr).

2) Bei dem Tarif ist der Anreiz zum Energiesparen natürlich ein Witz. Wer wird für 58 € bei einer 2/
Gesamtrechnung von >8000 € seine Heizung für den Winter zum zwei Grad runterdrehen? /END
Read 4 tweets
Oct 6
Noch eine kleine Ergänzung zu meinem Thread unten:
Warum Auszahlung basierend auf dem Verbrauch des Vorjahres (ebenfalls Vorschläge, die diskutiert werden) oder große Einmalzahlungen an Gashaushalte derzeit nicht ideal sind: 1/
Der Gaspreis ist derzeit sehr volatil. Wir wissen nicht, ob dieser in 4 Monaten bei 100 oder bei 300 € pro MWh liegt. 2/
Ein Gaspreisdeckel für den Grundverbrauch „atmet“ mit dem Gaspreis: Wenn der allgemeine Gaspreis fällt, schrumpfen die Subventionen. Wenn der Gaspreis steigt, wird mehr subventioniert. Die Haushalte gewinnen dadurch Planungssicherheit, 3/
Read 6 tweets
Oct 6
Hier auf #Econtwitter ist zuletzt heftig diskutiert worden, wie ein #Gaspreisdeckel / #Gaspreisbremse auszugestalten sei, insbesondere, ob ein Grundkontingent in kWh (pro Haushalt oder pro Person) oder Kontingent orientiert am Vorjahresverbrauch (etwa 80 %) besser sei. Ein 🧵/1
Vorweg: Beide Lösungen wären derzeit super. Es kommt jetzt darauf an, die Haushalte schnell und wirksam zu entlasten. Beide Ansätze leisten das, und darum wäre es klasse, wenn am Ende der #Gaspreiskommission eine Lösung steht, die diesen nahe kommt. 2/
(Für alle neu in der Debatte zur Erläuterung: Die Idee beim #Gaspreisdeckel ist, dass eine bestimmte Menge subventioniert abgegeben wird, darüber aber ein höherer Preis greift, um die Anreize zum Energiesparen über höhere Grenzpreise hoch zu halten.) 3/
Read 24 tweets

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