Zur #LossAndDamage-Vereinbarung bei der #COP27: Diese wird als erster echter Nord-Süd-Kompensationsmechanismus für Klimaschäden gefeiert, den es dringend braucht, um historische Klimaschulden zu begleichen.
Aber:
Die gesamten #LossAndDamage-Verhandlungen laufen mind. seit Paris 2015 unter der Prämisse, dass gemäß Pariser Abkommen kein Staat für Klimaschäden haftbar zu machen ist. Das bleibt rote Linie auch für die EU, die sich für ihre Rolle im Prozess feiert. 2/ unfccc.int/files/adaptati…
Explizit geht es also formal NICHT um Ansprüche auf Reparationen für Klimaschäden aus historischer Verantwortung, sondern um freiwillige Zahlungen. So ist es auch kein Wunder, dass die #COP27 die Frage, wer nun wie viel zahlen soll & wer Geld erhalten kann, vertagen musste. 3/
Die Debatte darum ist alt, die Haltung vieler nördlicher Vertreter*innen zu Klimaschulden&Reparationen extrem aggressiv-ablehnend. #LossAndDamage ist schon die runtergestufte Reaktion (oder: ein Framing, das diese roten Linien mitabsichert). Überblick: 4/ theguardian.com/environment/20…
Erst mal wurde also bei der #COP27 der #LossAndDamageFund nur als Hülle geschaffen, die als diplomatischer Erfolg (bzw. wenigstens als "Immerhin haben wir irgendwas!") des Gipfels verkauft werden soll. 5/ klimareporter.de/images/dokumen…
Das erinnert an frühere UNFCCC-Klimafinanzmechanismen, bei denen sogar abstrakte Zielsummen (erinnert ihr euch an 100 Mrd. $/Jahr?) genannt wurden - aber wer wie viel dazu beitragen soll, wird dann irgendwann geklärt, oder ist 10 Jahre später noch offen. 6/
Kein COP-Ergebnis kann in der Substanz (!) besser sein als das, was die globalen Machtverhältnisse zulassen. Es gibt keine Oasen der globalen Solidarität mitten im knallharten ökonomischen Beziehungen, höchstens Oasen des mehr oder weniger folgenlosen diplomatischen Austauschs.7/
Die Klimadiplomat*innen der reichen Länder bei den COPs haben bislang weder Mandate ihrer Regierungen für Zusagen umfassender (& potentiell bodenloser!) Klimafolgenkompensation noch hätten sie, let's be honest, dafür stabile demokratische Mehrheiten in ihren Ländern im Rücken. 8/
Jahrhunderte der Kolonialbeziehungen werden jedenfalls nicht mal eben aus Versehen von ein paar Klimaunterhändler*innen aufgerollt. Wer zu jeder COP zweckoptimistisch das Gegenteil suggeriert, muss sich fragen: Verharmlose ich so diese Verhältnisse? 9/
(Dazu kommt natürlich noch der ganze Konflikt um China et al. - welche Länder zählen heute noch als bedürftig im Sinne des Fonds? Wo stehen neokoloniale Beziehungen 30 Jahre nach Beginn des UNFCCC-Prozesses? - den ich hier nicht mal eben nebenbei bewerten will.) 10/
Für wirklich solidarische Ergebnisse bei Klimagipfeln, für tatsächliche Begleichung von Klimaschulden müssten sich jedenfalls nicht nur die Machtverhältnisse zwischen Staaten, sondern auch die innerhalb der Staaten völlig verändern. 11/
In einem ersten Schritt dahin könnten nördliche Klimabewegungen Druck machen, damit ihre Regierungen den #LossAndDamageFund mitbefüllen. Sich sich dagegen wehren, dass wieder alle möglichen privaten Kredite (Schulden!) & Investitionen als großzügige Gaben mitgezählt werden. 12/
Sich bei den Bewegungen im Süden erkundigen, wohin genau die Gelder dort fließen, inwiefern sie bei den Betroffenen ankommen, in welcher Form sie fließen und wer damit Geschäfte macht (inkl. lokaler Eliten & nördliche Konzerne), die Stimmen der Betroffenen verstärken. 13/
Und sorgsam abwägen, ob & wie wir den #LossAndDamageFund öffentlich als Klimaschulden-Eingeständnis framen, auch wenn wir es selbst nicht glauben - kann für die Weiterarbeit taktisch sinnvoll sein, aber auch irreführend in Bezug auf globale Verhältnisse & Rolle der EU. 14/ENDE
P.S.: Ja, auch viele an den Verhandlungen Beteiligte aus dem globalen Süden sehen den Deal als Meilenstein. Jeder hart errungene kleine Schritt darf natürlich gefeiert werden & ich hab vollen Respekt für diese Kämpfe. Aber kein Grund für europäische Selbstbeweihräucherung.
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Flugverkehr ist hochgradig klimaschädlich. Dafür wird's mindestens bis 2050 keine nachhaltigen technischen Lösungen geben, vielleicht auch nie. Individuen können kaum etwas klimazerstörenderes tun - und diese Industrie wächst wie kaum eine andere.
Kurzer Überblick: 1/10 🧵
Die Flugindustrie erwartet weiter kräftiges Wachstum: ca. 4% pro Jahr im Passagierbereich, fast 5% im Frachtverkehr. Sie will den Flugverkehr in den nächsten Jahrzehnten also um ein Mehrfaches steigern & baut überall neue Infrastrukturen. 2/10 worldaviationato.com/en/aviation-in…
Die Industrie flüchtet sich derweil in Mechanismen wie #CORSIA, die Ausgleichszertifikate für den CO2-Zuwachs (und nur dafür!) vorsehen. Jetzt schon dubios und unzuverlässig, in großem Stil eh niemals nachhaltig. 3/10
➡️en.wikipedia.org/wiki/Carbon_Of…
➡️ theguardian.com/environment/20…
»70% aller CO2-Emissionen stammen von nur 100 Konzernen - sie sind verantwortlich für die Klimakrise.«
Dieser Slogan kommt hier täglich. Potentially unpopular opinion: Als Klimagerechtigkeitsbewegung sollten wir uns daran nicht so sehr aufhängen.
Strategie-🧵1/18 (sorry 🙃)
Vorweg - die Liste der 100 privaten und staatlichen Konzerne (s.u.) bildet ungefähr das ab, was als "fossiles Kapital" im engeren Sinne bezeichnet wird: Öl-, Kohle- und Gaskonzerne. theguardian.com/sustainable-bu… 2/18
Dieses fossile Kapital ist ohne Wenn und Aber zentraler Gegenspieler der #Klimabewegung: Es lebt von der CO2-Produktion, macht seinen politischen Einfluss dafür geltend, verbreitet Desinformation, versucht Nachfrage sicherzustellen, lässt den Planeten bereitwillig abfackeln. 3/18
Update zum #LNG-Ausbau: Es deutet sich endlich eine Wendung in der öffentlichen Debatte zu diesem Klimadesaster an.
Was ist in den letzten 10 Tagen passiert? 🧵1/14
Hintergrund: Die politischen Entwicklungen der Wochen zuvor hatte ich vor 10 Tagen zusammengefasst. In der Zwischenzeit hat sich endlich eine kontroverse Debatte entwickelt, die lange Zeit fehlte. 2/14
Kritische Stimmen sind jetzt in großen Medien zu vernehmen. Ein Zwist zwischen den Grünen, die sowohl auf LNG-Importe als auch auf neue Ölbohrungen im Nationalpark Wattenmeer (!) drängen, und ihrer institutionalisierten Basis (Umweltverbänden) wird sichtbar. 3/14
Rund um fossiles Gas und vor allem #LNG überschlagen sich momentan in D die Ereignisse.
Regierungen und Industrie gehen in die Offensive, Klimaschutz wird dabei nur im Bullshit-Bingo-Format diskutiert.
Hier ein Überblick über die letzten zwei Wochen: 🧵 1/16
1. Das @BMWK (ja, Klimaschutz im Namen), hat 2,5 Mrd. Euro im Eilverfahren am Bundestag vorbei lockergemacht für schwimmende Flüssiggas-Terminals (schnellerer Bau als stationäre). Russische Importe sollen möglichst 1:1 ersetzt werden. (Sorry, Paywall) 2/16 handelsblatt.com/politik/deutsc…
2. Insgesamt sind statt der angekündigten 2 Terminals jetzt offenbar bis zu 7 in Planung - 3 an Land, 3 schwimmend, 1 unklar. Vor dem Ukraine-Krieg sah es nicht mal so aus, als würden die lange geplanten Standorte an der Nordsee je Realität werden. 3/16
Die Energiepreisdebatte tobt. Was mir fehlt, sind vernünftige Vorschläge jenseits von „Frieren gegen Putin“, „Finger weg von meiner Freiheit“ und „regelt halt der Markt“. Dabei ist der erste Ansatz doch nicht schwer: Progressive Energietarife.
🧵 1/11
#ProgressiveEnergietarife heißt im Grundsatz: Jeder Haushalt bekommt je nach Personenzahl einen angemessenen Grundbedarf günstig zur Verfügung gestellt. Was darüber hinausgeht, wird als Zusatz- und Luxusbedarf zunehmend teurer abgerechnet. 2/
Sonderbedarfe z.B. für chronisch kranke Menschen müssten möglichst unkompliziert anerkannt werden. Kommt es tatsächlich mal zu akuten Engpässen, wird nur an der Preisschraube für den Luxusbedarf gedreht und die Grundversorgung bleibt soweit wie irgend möglich gewährleistet. 3/
Diese Grafiken mit Partei-CO2-Budgets aus unserer Wahlprogrammanalyse zur #btw21 vom Konzeptwerk @NeueOekonomie kursieren auf Twitter und sorgen für Entsetzen sowie gelegentliche Konfusion und Unmut. #btw21klima
Was steckt dahinter? Eine Einordnung & Erklärung zur Methodik: 1/
Grundlage sind die in den Wahlprogrammen formulierten Zieljahre für Klimaneutralität; außerdem dort angegebene Zwischenziele z.B. für 2030 + 2040. Wir sind davon ausgegangen, dass Emissionen zwischen diesen Zielmarken jeweils linear (= gleichmäßig pro Jahr) reduziert werden. 2/
Daraus lassen sich dann von historischen + gegenwärtigen Emissionen (2021 auf Grundlage letzter Informationen geschätzt) Emissionsmengen für jedes Jahr und damit ein Gesamtbudget berechnen (wir beginnen mit 2022, wenn die neue Regierung voraussichtlich ihr Wirken beginnt). 3/