Ich habe mehrere Jahre in sog. "Brennpunktschulen" mit Lehrer/Schüler:innen gearbeitet, und einige Erfahrungen mit pädagogischem Versagen gegenüber den Schüler:innen gemacht.
Drei Stories!
1) #Berlin Neukölln, tech. Berufsschule Anfang 2021.
Schulleitung erzählt, eine "Gang palästinensischer Jungs" habe die Schweigeminute nach dem jihadistischen Mord an Samuel Paty boykottiert.
ich habe mich mit der Gruppe (5 Jungs, aber nur ein Palästinenser) dann ausgetauscht.
Und die Jungs erzählten mir: "Wir haben das boykottiert, ja. Aber nicht wegen der Tat. Mord ist immer falsch. Sondern weil ein halbes Jahr vorher der Wunsch nach einer Schweigeminute für die Opfer des Anschlags von Hanau abgelehnt wurde. Sind #Muslime Opfer zweiter Klasse?"
Ich habe dann gemutmaßt, dass die Lehrer:innen wohl eher vom Mord an Samuel Paty (Lehrer) entsetzt waren, weil sie sich mit ihm identifizieren.
Und dass sie nicht verstanden haben, dass ihre Schüler:innen dieselbe Identifikation mit jungen Kanacken in der Shisha-Bar fühlen.
Das haben die Jungs irgendwo verstanden, aber ich muss zugeben, dass ihr Verhalten mir verständlicher war als das der Schulleitung.
Für viele Schüler:innen der 1./2. Generation in Deutschland ist der Lehrkörper an Schulen der unmittelbarste Kontakt zur "deutschen Gesellschaft".
Die Entscheidungen des Lehrkörpers werden dann schnell gleichgesetzt mit "der Gesellschaft" oder "den Deutschen". Wenn auf dieser Ebene dann solche "Missverständnisse" passieren, kann das tiefen negativen Eindruck machen.
2) Berlin, Oberschule (2019).
Wir merken, dass "Du Jude" als Beleidigung gängig ist. Wir fragen die Schulleitung, ob sie was dagegen unternommen hat.
Antwort: "Nein, wir haben hier keine Juden die davon beleidigt wären."
Später sagt ein Schüler unter vier Augen zur Kollegin:
"Ich bin Jude, aber das weiß hier keiner.."
🤦🏽diese pädagogische Katastrophe ist keines Kommentars würdig.
3) Bonn-Tannenbusch, Gesamtschule (2019).
Das Gegenteil: Hier war die Schule wegen der Beleidigung "du Jude" auf dem Schulhof sehr aktiv geworden: Die ganze Schule war..
in die Aula gerufen worden, und spezifisch für antisemitische Beleidigungen strenge Strafen (Tadel, Klassenwechsel) angedroht worden.
Das erfuhren wir, weil eine Gruppe Zehntklässer das als Ungerechtigkeit empfunden hatte:
"Es ist verboten Leute als Juden zu bezeichnen, aber..
'du scheiß Zigeuner' und 'du scheiß Flüchtling' sind hier normal? Wieso sind Juden mehr Wert?"
Die Schulleitung hatte das in der Aula-Versammlung mit "deutscher Verantwortung" begründet (die wohl nicht ggü. Sinti und Roma gilt).
bei den Schüler:innen war hängengeblieben:
"Jüd:innen sind mehr wert".
Eine (verständliche) pädagogische Fokussierung auf Antisemitismus wurde holzschnittartig auf das Sozialverhalten der Schüler:innen übertragen, und bewirkte das Gegenteil:
Jüd:innen wurden -logischerweise- als "besonders" wahrgenommen.
Der Sinn dieser Tweets ist, zu zeigen, wie kompliziert Pädagogik in der multikulturellen Gesellschaft ist, und dass in diesem Bereich noch viel (!!) Verbesserungsbedarf besteht.
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Wie in Demokratien nun Mal möglich, haben die Verhältnisse in Israel sich verändert.
Viele Leute, die in Deutschland Obsessionen der "Israelkritik" und den Antizionismus aus verschiedenen Richtungen bekämpfen wollen fragen sich, ob sich auch dafür etwas "verändert".
Es gibt/gab die Hoffnung, dass die Regierung nicht so schlimm würde (Shany Mor schreibt das), oder dass sie oder schnell vorbei sein könne.
Was nun bekannt ist, ist aber sehr schlimm, das sagen auch konservative Stimmen (meist bezogen auf die Unterminierung des Rechtsstaats).
Dieser Tweet von Netanjahu drückt die größere Sorge aus. Er enthält den ersten Satz im neuen Koalitionsvertrag (der für deutsche Verhältnisse sehr vage und improvisiert ist).
Wenn man den Satz zuende liest und denkt (und das haben die Politiker:innen getan, sie sind nicht blöd)
#Marokko! Soll das Weiterkommen gefeiert werden soll oder nicht?
Klar: das erste afrikanische Land im WM-Halbfinale ist was großes - so wird es in Afrika auch gesehen.👍🏼
Ich will knapp erklären was der Hintergrund der Kontroverse ist (am Ende meine persönliche Meinung):
(1/29)
Was hat es auf sich mit Themen wie der #Westsahara, den #Berbern (#Amazigh) oder den #Palästina Flaggen. Und noch etwas mehr wie #Sportswashing und Monarchie. Die #Westsahara ist ein ehemaliges spanisches Kolonialgebiet, das in den 1970ern von Marokko besetzt wurde.
(2/29)
Dagegen wehrt sich deren Nationalbewegung, die #Polisario. Marokko hat das Land mit Siedlern geflutet, Widerstand erstickt. Die Sahrawis leben als benachteiligte Minderheit im eigenen Land, in #Flüchtlingslagern im Ausland und hinter einem von Marokko gebauten Erdwall.
(3/29)
Viele kritisieren Volker Beck, weil er die Besatzung im Westjordanlandes nicht illegal nennt.
Das ist aber nicht das Problem.
Für Becks Aussage gibt es Argumente, das Völkerrecht war auf "ewige" Besatzungen nicht ausgelegt und hat kaum Begriffe dafür ob sowas legal/illegal ist.
Die große Mehrheit der Völkerrechtler:innen hält die Besatzung für illegal, bedingt durch Dauer und "Verhalten" Israels. Das zeigt aber schon, dass es eine Grauzone gibt.
Das eigentliche Problem liegt woanders:
Wenn das UN-Besatzungsstatut im Westjordanland gilt, dann wird...
eine große Bandbreite von darüber hinausgehendem Verhalten Israels (Siedlungen, Annexionen) automatisch illegal, darüber gibt es wenig Diskussion (außer von Spinnern wie @LizasWelt).
Aus diesem Grund betrachten israelische Regierungen insb. seit dem Niedergang des Osloer..
Mein hottest take zum ganzen Thema: das Problem für "Israel/Palästina" ist weniger ein Mangel an Solidarität, sondern dass beide seit (Palästina seit den 1960ern, Israel seit den 2000ern) auf unterschiedliche Weise "zu viel" Solidarität aus den falschen Gründen genießen.
Bei Palästina ist das relativ selbsterklärend: Islamisten, (post) stalinistische Linke, arabische Nationalisten und Antisemiten haben der pal. Nationalbewegung die "Definition of insanity" aufgeschwatzt: immer das gleiche tun und ein anders Ergebnis erwarten (Gewalt).
Aber auch der nationalreligiöse Shift in Israel hat damit zu tun, dass Evangelikale u. auch rechte Jüd:innen aus den USA das kleine Land mit rechter und rassistischer Solidarität vollgepumpt haben, und sich auch in Europa und Indien eine rechtsdrehende Solidarität gebildet hat.