Die Debatte um das EU Provisionsverbot u.a. im Vertrieb von #Fonds ist voll im Gange. Einige Gedanken dazu aus Anlegersicht. 1/x
2/x Worum es geht: Die EU nimmt einen erneuten Anlauf, um die Vermittlerprovision zu verbieten. Der EU-Kommissar für Finanzen, Mairead McGuiness, schlägt das als Maßnahme vor. Sein Ziel: Die Vertriebsvergütung und die Produktkosten zwingend voneinander zu trennen ("Unbundling").
3/x Die Idee dahinter klingt schlüssig und ist nicht neu: Die Kosten für die Beratung von den Kosten für #Fonds (bekommen die Fondsmanager als Vergütung ihrer Management-Leistung) zu trennen, reduziert die Interessenkonflikte. Findet eine Trennung nicht statt, besteht die Gefahr
4/x dass Berater sich für die teuersten Fonds entscheiden, weil dort die Vertriebsgebühren typischerweise höher sind als bei günstigen Fonds. Hintergrund: Fondsgebühren werden prozentual am verwalteten Vermögen berechnet. Fondskosten von 2% kosten den Anleger bei einem
5/x 50:50 Split also 1% Vertriebsgebühren; Fondskosten von 1% bringen bei einem 50:50 Split dem Vertrieb nur 0,5% des verwalteten Vermögens. Es besteht also ein zumindest latenter Interessenkonflikt, dass Berater Anlegern teure Fonds "aufdrücken" und gegen ihre Interessen handeln
6/x Einschub: Der Autor dieser Zeilen hat krass versagt: Mairead McGuiness ist eine Frau, Notiz an mich: Bei irischen Namen unbedingt zweimal hinsehen! Danke an BS für den Hinweis!
7/x Nun ist der erneute Feldzug der EU nicht neu: Bereits in der EU Richtlinie Mifid I aus 2003 (sic) sind Provisionen nur dann erlaubt, wenn sie dazu angetan sind, die Qualität der Dienstleistung zu verbessern. Das Geschäftsmodell des klassischen Finanzvertriebs basierte also
8/x schon 2003 ff. auf einem Ausnahmetatbestand. Das ist bedenkenswert und auch bedenklich. Daran hat sich auch unter der aktuell gültigen Finanzmarktrichtline Mifid II nichts geändert. Jetzt will die EU der Branche die Daumenschrauben ansetzen und die Honorarberatung
9/x fördern. Annahme: "Unbundling" der Vertriebs- und Produktkosten bringt Transparenz (und damit Entscheidungsfreiheit) für Anleger und macht Finanzprodukte und Dienstleistungen günstiger. Das ist eindeutig die Stoßrichtung von Frau McGuiness, die Letzteres jüngst hervorhob.
10/x Machen wir also den Realitäts-Check. Das ist möglich, weil mit UK bereits ein Land frühzeitig (2012) ein Provisionsverbot durchgesetzt hat. 2017 und 2020 hat die Finanzaufsicht in UK einen Review-Prozess durchgeführt. Die Ergebnisse waren gemischt. 2017 kam heraus, dass
11/x einerseits die Qualität der Beratung gestiegen sei und die "business ethics" im Vertrieb sich verbessert hätten. Allerdings sei, so der FMAR eine "Beratungslücke" entstanden. Viele Investoren könnten sich Finanzberatung nicht mehr leisten und Banken würden sich auf das
12/x reiche Klientel beschränken (dreher: FAMR nicht FMAR). Ende 2020 kam der zweite Review zum Schluss, dass die Zahl der mit Finanzberatung "versorgten" Anleger gestiegen sei. Besonders hervorgehoben wurden im 2. FAMR automatisierte Vermögensverwaltungen (Robo Advisor). Also
13/x alles gut? Nicht ganz. 37 Prozent der Personen mit einem Vermögen über 10.000 GBP gaben an, ihr gesamtes vermögen in Cash zu halten. Weitere 18% wiesen eine Cashquote von >75%. 54% gaben an, keine Beratung in d verg 12 Monaten erhalten zu haben. Diese Bilanz ist deshalb
14/x verheerend, weil es zeigt, dass über die Hälfte der erwachsenen Investoren keinen Plan hatten, wo sie ihr Cash unterbringen sollten. Zur Erinnerung: Wer zwischen 2012 und 2021 Cash hielt, verpasste nicht nur hohe Aktienrenditen, sondern machte durch die Null-Zinsen einen
15/x nom. und erst recht realen Verlust. Die Reviews in UK zeichnen m.E. kein gutes Bild. These: Das Ende der Provisionsberatung reduziert die Motivation der Finanzindustrie, "kleine Leute" zu bedienen, weil die sich Honorare nicht leisten können. Kommen wir nun zu den zwei
16/x weiteren Punkten: 1. Kosten: Reduziert das "Unbundling" die Kosten für Anleger? Das ist fraglich. Im erwähnten FAMR (2020) kommt die britische Aufsicht auf Fondskosten von 1,1% p.a. und auf zusätzliche 0,8% p.a. an Beratungskosten. Was kosten demgegenüber Fonds, in denen
17/x die Vertriebsgebühren enthalten sind? Die EFAMA, der europäische Fondsverband, kommt 2022 auf Kosten von 1,68% pro Jahr für pan-europäisch vertriebene Fonds (aka: UCITS). Davon erhalten Fondsmanager 0,69% und der Vertrieb 0,64% (der Rest geht an Daten-/Research-Anbieter)
18/x Machen Anleger in DE mit der Honorarberatung einen besseren Schnitt? Eher nicht. Viele erheben pauschale "Service Fees", die eher Richtung 1% des verwalteten Vermögens tendieren. Günstig ist also anders und dieses Vorgehen hat m.E. nichts mit dem Prinzip "Honorar" zu tun
19/x Ich führe hier übrigens nicht das Pro-Provisionsvertrieb-Argument an, dass Anleger wegen der sehr geringen Zahl von der Honorarberatern "un-banked" würden - käme es zum P-Verbot dürfte deren Zahl steigen. Also m.E. eher ein Henne-Ei-Problem. Kommen wir nun final zu einem
20/x (neu) wichtigen Punkt: zur Transparenz. Argument pro P-Verbot: Transparenz reduziert Interessenkonflikte und bringt Anlegern vlt keine günstigeren, aber doch einen besseren Deal - im Sinne von Auswahl fairer Produkte. Hier bin ich hin und her gerissen. Denn: Auch unter dem
21/x Provisionsregime in DE haben wir SEHR VIEL Transparenz. Müssen Berater auf Interessenkonflikte hinweisen, und sie müssen vor dem Geschäftsabschluss alle voraussichtlichen Kosten - auch der Beratung - ausweisen (ex Ante Kostenausweis). Darüber hinaus muss dem Kunden 1x pro
22/x Jahr alle Produkt- und Beratungskosten zugestellt werden. Wer weiß, was der Vertrieb an ihm verdient, ist in der Lage zu entscheiden, ob er diese Kosten tragen will oder nicht. Und nochmal: Alle Kosten müssen VOR dem Abschluss offengelegt werden. Ich lasse das Strohmann
23/x Argument, wonach das alles kompliziert und nicht zu verstehen sei, nicht gelten. Zum einen ist das Thema embeded "Vertriebskosten" anderswo gang und gäbe. Oder noch nie von der Händlermarge bei VW und Co gehört? Zum anderen berichten Medien und Verbraucherschützer seit
24/x Jahren kritisch über das Thema Provisionsberatung. Wer will, kann sich informieren. Und was ist der Stand der Debatte in DE? Die Politik ist gespalten: Die Grünen sind für das P-Verbot, FDP strickt dagegen, die Union tendenziell auch dagegen wie auch die SPD. Auch die Bafin
25/x ist da nicht entschieden. Beratung müsse bezahlt werden, egal, wie der Vertrieb honoriert werde; Honorarberatung sei nicht zwangsläufig eine bessere Lösung, zitierte jüngst die Süddeutsche Zeitung Frank Grund, Chef der Versicherungsaufsicht der Bafin. Meine Prognose deshalb
26/x Ein Provisionsverbot ist in DE in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Das liegt einmal an der nachrangingen Bedeutung des Themas in Zeiten der "Zeitenwende". Zum anderen wären die Folgen eines Provisionsverbots nicht so eindeutig positiv. Gerade die "kleinen Leut"
27/x könnten von d Beratung abgeschnitten werden. Folge wäre: "nichts tun", siehe UK. Vorläufiges Fazit: Angesichts der Misere der 2. Schicht der Altersversorgung (#bAV, #Riester), eignet sich die freie Vorsorge (3. Schicht) m.E. nicht für das Experiment Provisionsverbot.
28/28 Unterdessen: Finanzbildung verstärken, Provisionen gerne deckeln (es gibt Fonds, die dem Vertrieb 1,4 % und mehr bringen - das ist Irrsinn!) und parallel den günstigen Aktienmarkt-orientierten Deutschlandfonds #Schwedenfonds statt Riester einführen.

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Nov 2, 2022
Wg einer Diskussion über #ETF Kosten habe ich die ETFs auf den #MSCIWorld in Europa miteinander vergleichen. Ein kleiner Thread zu den wichtigen Aspekten von ETFs - der genau diese einzelnen Aspekte relativiert: es gibt keine monokausalen Ursachen für die Performance von ETFs 1/n
Zunächst: Was zeigt die Tabelle? Rendite der ETFs, sortiert nach 3-Jahres-Performance (in Euro) per 31.10.2022 und annualisiert. Index grün markiert, gelb markiert ein MSCI-Ersatz von Solactive, der wg der günstigen Index-Lizenzkosten Anlegern deutliche Kostenvorteile bietet 2/n
Apropor Kosten: Bei den günstigsten ETFs sind die Kosten-Felder grün markiert, je teurer, desto röter. Fazit: Der beste ETF (Lyxor MSCI World TRN) ist nicht billig (0,2% p.a.), der günstigste ETF (Amundi IS Prime) schneidet eher schwach ab => die Kosten sind nicht alles 3/n
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Aug 27, 2021
Die Fondsindustrie schaut mit einer Mischung aus Faszination und Grauen auf die Ereignisse bei der #DWS. Die Ex-ESG-Leiterin der DWS, Desiree Fixler, wirft der #DeutscheBank Tochter #Greenwashing bei #ESG #Fonds vor. Die US-Behörden und, hüstel, die #Bafin ermitteln. Ein Thread👇
1/n Worum es geht: Die #DWS soll #Fonds mit zweifelhaften #ESG Profil als nachhaltig deklariert haben. Diese Deklaration soll auf "fehlerhaften" bzw. "veralteten" Technologien basieren. Das ESG Risikomanagement basiere auf Daten von #Rating Agenturen. Und in der Tat:
2/n Analysten hatten frühzeitig bemerkt, dass #Fonds wie der #DWS Investa nach der Umstellung auf eine #ESG Strategie erklärungswürdige Positionen hatte. #Wirecard gehörte zu den Top Holdings, auch nachdem klar war, dass es dort zumindest ein Governance (wie "G" in ESG) gab
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