Lasst uns heute nun endlich weiter über das Thema #Unterhalt sprechen.
Nach meinem letzten Thread ergaben sich - erwartungsgemäß - einige Folgefragen.
Diese betrafen das #Wechselmodell, die Berücksichtigung des erweiterten Umgangs sowie den Sonder-/Mehrbedarf.
Let's go ⬇️
Beginnen wir mit dem Kindesunterhalt im Wechselmodell.
Dazu zunächst der Hinweis, dass ein Wechselmodell nach Rechtsprechung des BGH nur in jenen Fällen vorliegt, in welchen die Kindesbetreuung durch die Eltern (nahezu) paritätisch (50/50) stattfindet.
Liegt z.B. eine 60/40-Betreuung vor, geht die Rechtsprechung derzeit noch regelmäßig von einer überwiegenden Betreuung eines Elternteils aus, sodass diesen Elternteil keine Barunterhaltspflicht trifft, da er seine Pflichten durch die (Mehr-)Betreuung erfüllt.
Ob ein Elternteil diese "Hauptverantwortung" für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist zwar stets eine Frage tatrichterlicher Würdigung, aber die zeitliche Komponente spielt in der Praxis eine ausschlaggebende Rolle.
Liegt eine paritätische Betreuung nicht vor, geht die Rechtsprechung vom gesetzlichen Grundsatz aus, dass die (mehr)betreuende Person die Hauptbetreuung übernimmt und damit nur der andere Elternteil barunterhaltspflichtig bleibt.
Im Falle einer erweiterten Betreuung durch den anderen Elternteil kann allerdings, wenn diese erhebliche finanzielle Einbußen mit sich bringt, eine (auch mehrfache) Herabstufung innerhalb der Düsseldorfer Tabelle erfolgen.
Zudem können bei einem dann vorliegenden erweiterten Umgang (je nach Fallgestaltung ab mindestens 30% Betreuungszeit aufwärts) auch sonstige Leistungen berücksichtigt werden, mit denen der Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung teilweise deckt wird.
Diese Berücksichtigungen sind ebenso wie die etwaigen Herabstufungen stets den Gegebenheiten des Einzelfalls unterworfen.
Das Familiengericht hat unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und finanziellen Umstände zu entscheiden. Auch das Kindeswohl wird berücksichtigt.
Im "reinen" Wechselmodell berechnet sich der Unterhalt jedoch ohne Herabstufungen und ähnlichen Schnickschnack.
Hier haben beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen. Der Bedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern.
Er umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten (vor allem höhere Wohn- und Fahrtkosten).
Die tatsächlichen Betreuungsleistungen der Eltern lassen ihre Barunterhaltspflichten gerade nicht entfallen: Theoretisch müssen also beide Elternteile zahlen.
Der Bedarf des paritätisch betreuten Kindes ergibt sich somit weiterhin aus der Düsseldorfer Tabelle (durch Addition der bereinigten Nettoeinkommen der Eltern) unter Hinzurechnung der wechselmodellbedingten (dauerhaft anfallenden) Mehrkosten.
Das ist übrigens auch schon die Definition des Mehrbedarfs: Ein solcher liegt vor bei regelmäßig (ergo nicht einmalig) anfallenden Kosten, die die üblichen (von der Düsseldorfer Tabelle erfassten) Kosten zum Lebensbedarf übersteigen.
Ein Sonderbedarf ist hingegen nur bei unregelmäßigen, überraschenden, nicht vorhersehbaren und außerordentlich hohen Ausgaben gegeben, da dieser Bedarf normalerweise nicht aus dem laufenden Unterhalt - z.B. durch Ansparung - ausgeglichen werden kann.
Ok, nun zurück zur Berechnung des Unterhalts im Wechselmodell:
Nachdem wir nun den Kindesbedarf anhand der Düsseldorfer Tabelle ermittelt haben, stellt sich die berechtigte Frage, welcher Elternteil welchen Anteil an diesem Unterhalt zu tragen hat.
Dazu setzen wir die um den Selbstbehalt bereinigten Einkommen der Eltern ins Verhältnis zueinander, da der mehr verdienende Elternteil konsequenterweise mehr Anteil an Kindesbarunterhalt zu tragen hat.
Belastung eben nur im Rahmen der Belastbarkeit und so.
Bei der Bedarsdeckung des Kindes ist sodann auch das Kindergeld zu berücksichtigen und zwar so, dass bei dem Elternteil, der das Kindergeld bezieht, das Kindergeld hälftig dazugerechnet, während beim anderen Elternteil das Kindergeld dagegen zur Hälfte abgezogen wird.
Dem das Kindergeld beziehenden Elternteil steht der Kindergeldanteil ja nur zur Hälfte zu, so dass er die weitere Hälfte an den anderen, das Kind ebenfalls betreuenden Elternteil auszukehren hat, was durch Verrechnung mit dem Zahlungsanspruch des Anderen erfolgen kann.
Am Ende muss "nur" noch errechnet werden, welcher Elternteil welchen Betrag an den anderen Teil zu zahlen hat.
Dazu zieht man von der Hälfte des Kindesbedarfsbetrages den ermittelten Unterhaltsanteil des jeweiligen Elternteils ab.
Alles total easy, oder? Nicht?
Nun dann mal an einem Beispiel veranschaulicht:
Elterneinkommen bereinigt insgesamt 5000€ (2000 € (V) und 3000 € (M)).
Der Bedarf des z.B. 3-jährigen Kindes liegt laut Düsseldorfer Tabelle 2023 bei 665 €.
Bereinigung der Einkommen der Eltern um den Selbstbehalt von 1.370 € ergibt bei
V: 630 € und M: 1.630 €.
Bereinigtes Gesamteinkommen der Eltern damit: 2.260 €.
Anteil der Elternteile an Einkommen/Barunterhaltslast:
V: 630/2260 = 28% und M: 1630/2260 = 72 %.
M hat daher insgesamt 72% des o.g. vollen Unterhaltsbetrages von 665€ und somit 479 € zu zahlen. Bei V sind es entsprechend 186 €.
Wenn nun V das Kindergeld in Höhe von 250 € bezieht, ist dieses hälftig zum Zahlbetrag hinzu zu addieren, sodass er 186+125 = 311 € zahlen muss.
Bei M wäre das hälftige Kindergeld abzuziehen, sodass sie 479-125=354 € zu zahlen hat.

Der hälftige Bedarf des Kindes beträgt 665/2=332,5 €.

Da M aber 354 € zu zahlen hat, muss sie den Differenzbetrag in Höhe von 354-332,5€=21,5€ an V auskehren.
Das ist somit der Unterhaltsanspruch des paritätisch betreuten Kindes (in diesem Fall vor Gericht vertreten durch V) gegen M.

Und spätestens an dieser Stelle sollte allen klar sein, dass man für solche Fälle immer einen Fachanwalt (m/w/d) für Familienrecht aufsuchen sollte :)
Ebenso wird sehr deutlich, dass die Rechtslage einer Reform zur Vereinfachung bedarf, um das lange nicht mehr neue Phänomen der paritätischen Betreuung auf Unterhaltsebene besser zu erfassen (und natürlich um die armen Gerichte zu entlasten).
Demnächst geht's wie versprochen mit anderen Familienrechtsthemen weiter.
Anfragen werden gern entgegengenommen.
Fragen werden nach Möglichkeit auch hier als Drukos beantwortet.
Bis dahin vielen Dank fürs Lesen und einen schönen Tag allerseits.

@threadreaderapp unroll please

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Der GerichtsBeRichter

Der GerichtsBeRichter Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

More from @GerichtBerichte

Mar 8
Die Schwurbel-"Studie" des @hammer_wolfgang zieht Mithilfe des @tazgezwitscher weitere Verschwörungskreise!

Ein feines Sammelsurium an Missverständnissen, schlechter Recherche und - mal wieder - zu einseitiger Darstellung.

Hier einpaar Anmerkungen ⤵️

taz.de/Entscheidungsp…
1. Das PAS hält sich nirgends. Ich habe extra nochmal eine Recherche der aktuelle Rechtsprechung durchgeführt. Niemand außer manch abgedrifteter #Väterrechtler argumentiert noch damit. Damit ist bereits die Einleitung zumindest im familiengerichtlichen Zusammenhang irreführend.
2. Zum Fall des OLG Celle fehlen mal wieder die tragenden Erwägungen der dortigen Entscheidung. Hier wird einfach mal ein Teil als Gesamtbild präsentiert. Kein guter Journalismus.
Und, ja, auch der verlinkte Artikel ist völlig unzureichend, um das Kindeswohl beurteilen zu können.
Read 16 tweets
Mar 7
Heute wollen wir uns dem Thema #Unterhalt widmen.
Und zwar in der wohl einfachsten Ausprägung als #Kindesunterhalt.

Wir beginnen mit den wichtigsten Grundlagen.

Wie immer gilt auch heute: Es ist eine vereinfachte(!) Darstellung.

Ihr habt Interesse? Dann folgt mir mal kurz ⤵️
Wie bei allen anderen Ansprüchen im deutschen Recht muss auch der Kindesunterhaltsanspruch grundsätzlich gesetzlich verankert sein.
Die Anspruchsgrundlage findet sich in § 1601 BGB und gilt – wenig überraschend – sowohl für Kinder als auch für Eltern und Großeltern usw.
Diese Norm ist so einfach, wie das Gesetz sonst nur selten ist:
"Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren."
Stammt man also voneinander ab, ist man dem Grunde nach zum Unterhalt verpflichtet.
Read 33 tweets
Feb 20
So, kommen wir nun – nach Tagen der Wartezeit - zur Auflösung unseres kleinen #Judgementgames.

Aber lasst mich vorab 2 Sachen loswerden:
1. Tut mir leid, dass das Verfassen dieses Berichts mal wieder zu lange dauerte. Wochenende, Fastnacht… naja, ihr wisst schon.
2. Ihr seid wirklich sehr gut, Leute!
Viele der von Euch geäußerten Gedanken trieben auch mich rum und mehrere von Euch haben die Ergebnisse gut vorausgesehen.

Wie ging der Fall bei mir nun aus?
So ganz einfach fiel mir die Entscheidung hier nicht. Es war relativ offenkundig, dass die Kinder in ihrer Haltung extrem beeinflusst waren.
Nicht so sehr von der betreuenden Mutter oder dem schimpfenden Vater, sondern vielmehr vom bisherigen Verhalten beider Elternteile.
Read 24 tweets
Feb 16
Hey Leute.
Was haltet Ihr von einer neuen Runde #JudgementGames?
So wie damals vor ca. 1 Jahr?
Interesse?
Na dann mal los ⤵️
Nochmal zur Erinnerung:
Ich schildere den wesentlichen Verfahrensablauf inklusive der relevanten Aussagen und ggf. Gutachtenergebnisse und Ihr werdet um eure Einschätzung zur bestmöglichen Lösung gebeten, bevor ich Euch mitteile, wie der Fall in der Praxis tatsächlich ausging.
Dieser Fall, der tatsächlich keine allzu lange Zeit zurückliegt, landete zunächst als vorgeblich unauffällige Urlaubsstreitigkeit auf meinem Tisch.
Nicht besonders auf den ersten Blick.
Klarer Antrag mit kurzer Begründung:
Read 25 tweets
Feb 9
Kommen wir heute nun zu den vielleicht am stärksten polarisierenden Fällen der #Umgangsverweigerung, in welchen der überwiegend betreuende Elternteil durch eine passive oder aktive #Instrumentalisierung dafür sorgt, dass das Kind den #Umgang mit dem anderen Elternteil ablehnt.
Die - meist subjektiv-moralisch bedingte - Parteilichkeit des Kindes hat in solchen Fällen ihren Ursprung häufig wenn nicht sogar meistens in der Übernahme der Sichtweise des überwiegend betreuenden Elternteils durch das Kind.
Das Verhalten dieses Elternteils, der meist gleichzeitig die Hauptbezugsperson des Kindes ist, führt in dieser Fallgruppe dazu, dass das Kind den anderen Elternteil und den Umgang mit diesem ablehnt, weil es das ihm präsentierte Zerrbild sinngemäß übernimmt.
Read 32 tweets
Feb 1
Lasst uns heute die 2. Kategorie der #Umgangsverweigerung etwas näher beleuchten.

Wie bereits angesprochen, handelt es sich hierbei um Fälle in welchen das Kind seine #Verweigerungshaltung deshalb aufbaut, weil es seitens des Elternteils, dem es sich verweigert, gekränkt FÜHLT.
Hierbei muss keine tatsächliche Kränkung vorliegen!

Entscheidend ist lediglich die Sicht des Kindes, aus welcher die Handlung bzw. Äußerung bzw. eine angebliche Handlung oder Äußerung als kränkend eingestuft wird.
Woraus resultieren die in diese Kategorie fallen den Kränkungen?
Woraus resultieren die in diese Kategorie fallenden Kränkungen?

Auch hier sind die Ursachen vielfältig:
Eine besonders große Rolle spielen hierbei die häufig vorkommenden "neuen Beziehungen" der jeweiligen Elternteile.
Read 26 tweets

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Don't want to be a Premium member but still want to support us?

Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal

Or Donate anonymously using crypto!

Ethereum

0xfe58350B80634f60Fa6Dc149a72b4DFbc17D341E copy

Bitcoin

3ATGMxNzCUFzxpMCHL5sWSt4DVtS8UqXpi copy

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!

:(