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Mar 31 20 tweets 5 min read Twitter logo Read on Twitter
Kürzlich durften wir ja lesen, wie ungesund die #vegane Ernährung und insbesondere vegane Ersatzprodukte seien.

Doch was ist dran an diesen Aussagen?

Und was genau macht ein Lebensmittel denn nun ungesund?

Hierzu ein aktueller Thread meiner Serie #Ernährungsmedizin
Zunächst einmal zur Klarstellung: Grundsätzlich zeichnet sich die vegane Ernährung durch einen hohen Anteil an Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Samen und Nüssen und durch Wegfall potentiell gesundheitsschädlicher Lebensmittel wie Fleisch und Wurst aus. Daher erscheint es paradox,
eine vegane Ernährung als gefährlich und gesundheitsschädlich zu bezeichnen. Bei rein pflanzlicher Ernährung gibt es zwar das Risiko von Mangelernährung für einige Vitamine und Mikronährstoffe, was heutzutage durch eine Supplementation jedoch kein Problem mehr darstellen sollte.
Der Mythos des mangelernährten Veganers tritt also nur noch bei einseitiger und schlecht geplanter Ernährung auf und kann analog dazu bei jedem schlecht ernährten Omnivoren genauso auftreten.Passend hierzu zeigte sich in den größeren Vegan-Studien (Epix-Oxford, AHS-I, AHS-II,
VeChi) auch konsistent eine geringere Rate an kardiovaskulären Erkrankungen, Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Krebserkrankungen in der Gruppe der Veganer im Vgl. zu Omnivoren. Allerdings gab es zum Zeitpunkt dieser Studien keine oder deutlich weniger vegane
Ersatzprodukte als heute. Also schauen wir uns diese Ersatzprodukte mal genauer an: Oft lesen wir, dass diese Produkte „ultrahochverarbeitet“ seien, nur aus „Chemie“ bestünden und zu viel Fett, Salz und Zucker enthielten. Ist das wahr und was macht nun ein Lebensmittel ungesund?
Hierzu möchte ich zunächst auf das Thema Fett eingehen: Fettsäuren sind wichtige Nahrungsbestandteile. Sie liefern dem Körper wertvolle Energie, sind essenzielle Bausteine der Körperzellen und unterstützen den Transport fettlöslicher Vitamine. Es gibt sie in gesättigter sowie
einfach und mehrfach ungesättigter Form. Während ungesättigte Fettsäuren (uFS) gemeinhin als gesund gelten, sind gesättigte Fettsäuren (gFS) negativ konnotiert. Sie werden mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten in Verbindung gebracht, da sie im Blut den Anteil
des „schlechten“ Low-Density-Lipoprotein-Cholesterins (LDL-C) erhöhen. Schaut man sich aber nun die Zutatenliste von veganen Ersatzprodukten an, dann fällt auf, dass bei weitem nicht alle Ersatzprodukte einen hohen Anteil an gFS aufweisen. Insbesondere Käseersatz auf Mandelbasis
hat sogar einen vergleichsweise geringen Anteil an gFS im Vgl. zum „Original“. Zudem ist der angeblich so schädigende Effekt von gFS mittlerweile auch umstritten. Eine Cochrane-Analyse zeigte, dass, wen überhaupt, nur eine geringe Assoziation zwischen der Aufnahme von gFS und
kardiovaskulären Erkrankungen besteht. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32428300/
Der Bezug zum LDL-Cholesterin ist ebenfalls fraglich, da gesättigte Fettsäuren vermutlich nicht die kleinen, gefährlichen LDL-Partikel erhöhen, sondern eher die großen, ungefährlichen LDLs.
Kommen wir also zum nächsten Punkt, der Verarbeitung: Irgendwie hat sich mittlerweile ein Mythos etabliert, dass „verarbeitete Lebensmittel“ grundsätzlich ungesund seien. Dies ist natürlich Quatsch, denn wenn wir uns nicht grade von Rohkost ernähren, ist ja jedes Lebensmittel in
irgendeiner Form verarbeitet. Der eigentliche Fokus sollte auf sog. UPFs (ultra-processed foods) gelegt werden.Für alle, die sich hierzu eingehender informieren möchten, habe ich einen Beitrag der DGE hierzu verlinkt. dge.de/blog/2022/05/1…
Fakt ist aber: Der Verarbeitungsgrad von veganen Ersatzprodukten variiert erheblich. Bei weitem nicht jedes Ersatzprodukt ist ein UPF und die Menge der Zutaten alleine ist KEIN Indikator für den gesundheitlichen Aspekt. Als Faustregel für den Alltag empfehle ich Folgendes: Wenn
ihr wissen wollte, ob ein Ersatzprodukt eher gesund oder ungesund ist, dann schaut in die Zutatenliste: Findet ihr dort viele industrielle Produkte wie hydrierte Öle, Zusatzstoffe, Stabilisatoren, Proteinisolate sowie viel Salz und Zucker oder Sirup, dann ist das entsprechende
Produkt eher als ungesund zu werten.Das heißt nicht, dass ihr das dann überhaupt nicht mehr essen dürft, aber man sollte den Konsum überdenken und die Verzehrhäufigkeit und -menge reduzieren. Was aber häufig völlig falsch dargestellt wird. Es ist ja bei vielen Veganern nicht so,
dass wir den Einkaufskorb ausschließlich mit Ersatzprodukten füllen und uns sonst von nix anderem ernähren.Die Ersatzprodukte sind, wie der Name schon sagt, der Ersatz für ein Lebensmittel, das sonst tierischen Ursprungs ist(und damit in aller Regel nicht gesünder als das Ersatz-
produkt, insbesondere wenn wir an Wurst denken). Wer sich also so ernährt, wie es die einschlägigen Ernährungsgesellschaften empfehlen (Stichwort Ernährungspyramide) und Ersatzprodukte nur als Bestandteil einer sonst überwiegend auf Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Getreide-
produkten basierten Ernährung konsumiert, der muss sich aus ernährungsmedizinischer Sicht keine Sorgen machen.

Fazit: Viel Lärm um nichts! Vegane Ersatzprodukte sind eine heterogene Gruppe von Nahrungsmitteln, die teils unbedenklich, teils aber auch durchaus ungesund sind. Wer
Ersatzprodukte gelegentlich und in dosierter Menge zu sich nimmt, der muss sich keine Sorgen machen. #goVegan #Ersatzprodukte #DGE #Ernährung
@ErnMedBlog

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1. Auf dem Bild sieht man die Analyse eine Gewebedopplers. Den Druck im kleinen Kreislauf bestimmt man aber mit einer cw-Doppler-Analyse des Rückstroms über der Trikuspidalklappe.Wenn die Kollegin hierbei einen Druck von 25mmHg gemessen hat, dann ist das im Normbereich und völlig
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