NEU: Das sind die internen Verhaltensregeln für Olaf Scholz und seine Minister:innen. (Die Regierung wollte das Dokument bislang nicht transparent machen. Wir veröffentlichen es.) #ifg
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Nebenjobs, Aktiengeschäfte, Gratistickets: In der sog. “Orientierungshilfe” ist festgehalten, was Kabinettsmitglieder dürfen und was nicht. Bekannt wurde die Existenz des Dokuments vom 1.12.2021 erst kürzlich durch einen Bericht des Europarates.
Die “Orientierungshilfe" behandelt unter anderem die folgenden Punkte:

▶️ Aufsichtsratsposten: sind für Regierungsmitglieder unzulässig bei auf Gewinnerzielung ausgerichteten Unternehmen (Bundestag bzw. Regierung können jedoch im Einzelfall eine Ausnahme beschließen)
▶️ Vorstandsposten: unzulässig bei auf auf Gewinnerzielung ausgerichteten Unternehmen
▶️ Beruf neben dem Ministeramt: unzulässig
▶️ Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietungen und Verpachtung: zulässig
▶️ Schriftstellerische Tätigkeit: ohne Honorar zulässig, sofern es in Ausübung des Amtes erfolgt. Ohne Bezug zum Amt ebenfalls zulässig – dann “ist in Eigenverantwortung über die Annahme und Verwendung eines Honorars zu entscheiden.”
▶️ Teilnahme an Podiumsdiskussionen, Veröffentlichungen in Massenmedien, Vorträge: zulässig, sofern ohne Honorar
▶️ Geschenke: zulässig, sofern mit Bezug zum Amt. Ab einem Wert von 150 Euro ist ein Geschenk meldepflichtig, bei Überschreiten dieser Bagatellgrenze ist es abzugeben.
▶️ eigenes Gewerbe: unzulässig (Geschäftsanteile dürfen aber grundsätzlich besessen werden). Aufgeben müssen Regierungsmitglieder ein eigenes Unternehmen aber nicht, sondern "lediglich durch eine Vertreterin oder einen Vertreter führen lassen."
Als Beispiel wird eine Anwaltskanzlei genannt. "Auf Briefköpfen und Türschildern der Kanzlei kann weiterhin auf die Zugehörigkeit hingewiesen werden."
▶️ Annahme von Eintrittskarten: Sofern eine Veranstaltung in einer dienstlichen Funktion besucht wird, handele es sich zwar nicht um eine mögliche Vorteilsannahme. "Wichtig ist, dass Eintrittskarten nicht von einem privaten Sponsor bezahlt werden."
Regierungsmitglieder "sollten nicht in der Lounge eines Sponsors sitzen, sondern im Bereich der bereitgestellten Ehrenplätze." Es solle äußerlich erkennbar sein, dass der Besuch in Ausübung der dienstlichen Tätigkeit erfolge.
"Hierzu gehören entsprechende Kleidung und ggf. das Fernhalten von Familienmitgliedern und Freunden aus unmittelbarer Nähe zum Tribünenplatz."
Laut der "Orientierungshilfe" haben Mitglieder der Bundesregierung in ihrer Tätigkeit und in ihren Entscheidungen "jeden Anschein" zu vermeiden, dass sie für sich, ihre Familie und ihre Freunde finanzielle oder andere materielle Vorteile beabsichtigen.
"Sie müssen stets vermeiden, sich gegenüber Personen oder Organisationen zu verpflichten, die möglicherweise unangemessen versuchen, sie bei ihrer Arbeit zu beeinflussen."
Das sind eher Allgemeinplätze und Selbstverständlichkeiten. Von daher wundert man sich, warum es die Bundesregierung bislang nicht für nötig hielt, das Dokument zu veröffentlichen.
Fragt man das zuständige Innenministerium, welche Gründe man dem Europarat für die Nichtveröffentlichung genannt hat, lautet die Antwort: Deren Korruptionsexpert:innen hätten die Gründe gar nicht wissen wollen.
Nach Ansicht des Innenministeriums gibt es auch keine Notwendigkeit für eine Veröffentlichung der "Orientierungshilfe": Die darin aufgeführten "Rechte und Pflichten" beruhten auf entsprechenden Gesetzen, Verordnungen und sonstigen Regelungstexten, die bereits öffentlich seien.
Umso unverständlicher ist, dass das Ministerium der Forderung des Europarates nach Transparenz bislang nicht nachgekommen ist. Immerhin: Das Haus von Nancy Faeser will die “Orientierungshilfe” demnächst doch zugänglich machen. Eine Veröffentlichung werde derzeit vorbereitet.
Alles andere wäre auch schwer vermittelbar. Hier 👇 ist das Dokument ja nun einzusehen:

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