Ab heute können türkische Staatsangehörige in Deutschland wählen. Einige Gedanken dazu in diesem Thread:
In Deutschland leben ca. 1,4 Mio Wahlberechtigte. Ein Wählerpotential, die keine Partei in der Türkei vernachlässigen kann, weil die Umfrageergebnisse sehr knapp sind.
Aber allen voran führt die #AKP einen besonders intensiven Wahlkampf in Deutschland, weil sie einerseits mehr Ressourcen zur Verfügung hat und andererseits einen Zugang in die Moscheen der türkisch-muslimischen Verbände hat.
Die AKP hat über die türkische Religionsbehörde Diyanet, die direkt Erdogan unterstellt ist, die volle Kontrolle über die DITIB mit ihren über 900 Gemeinden. DITIB-Gemeinden werden in Wahlkampfzeiten zu AKP-Filialen.
Aber auch in IGMG und ATIB-Gemeinden waren AKP-Politiker für Wahlkampfzwecke unterwegs. Eine Tatsache mit der sich die deutsche Politik intensiver beschäftigen muss, denn diese Verbände präsentieren sich hier gerne als politisch unabhängige Religionsgemeinschaften.
Weil die Wahl am 14. Mai eine Schicksalswahl für Erdogan ist, führt die AKP in Deutschland bereits seit September 2022 einer seiner intensivsten Wahlkämpfe überhaupt, der von der Politik bis vor einigen Wochen kaum wahrgenommen wurde.
Über 150 AKP-Abgeordnete, Minister und Bürgermeister waren in ganz Deutschland unterwegs, in Moscheen, Unternehmerverbände und Kulturvereine. Trotz der gesetzlichen Regelung, dass Amts- und Mandatsträger 3 Monate vor der Wahl keine Wahlkampfveranstaltungen abhalten dürfen,
sind in den letzten Wochen trotzdem AKP-Abgeordnete auf Veranstaltungen der AKP-Lobbyorganisation UID aufgetreten. Es gab keine große Wahlkampfveranstaltung mit Erdogan, das heißt aber nicht, dass sich Erdogans AKP an die gesetzlichen Einschränkungen gehalten hat.
Neu ist beim Wahlkampf diesmal, dass es in vielen Regionen Deutschlands, wo viele türkische Staatsangehörige leben, AKP-Wahlkampfteams gebildet haben, die einen sehr intensiven Haustürwahlkampf führen.
Das ist eine neue Qualität und zeigt, wie wichtig die Mobilisierung der AKP-Wähler in Deutschland für Erdogan ist.
Die Opposition hatte nie so gute Karten wie jetzt.
Erdogan spürt, dass auch bisher überzeugte AKP-Wähler aufgrund der Inflation und der Perspektivlosigkeit frustriert sind von der AKP. Erdogan ist in seinem Auftreten nicht mehr so souverän wie in der Vergangenheit. Die Nervosität bei der AKP-Führung ist deutlich zu spüren.
Die Zustimmung für Erdogan ist in Deutschland aber wesentlich höher als in der Türkei. Das wird vermutlich auch bei dieser Wahl der Fall sein. Erdogan hat in den letzten Jahren eine sehr aggressive Diasporapolitik betrieben und
dafür auch Strukturen wie die DITIB instrumentalisiert, neue Strukturen wie die YTB, das sog. Amt für Auslandstürken, gegründet. Er hat auf propagandistische Art und Weise reale Diskriminierungserfahrungen von Türkeistämmigen für seine politische Agenda nutzbar gemacht,
den Türkeistämmigen hier das Gefühl vermittelt, dass sie etwas besonderes sind. Durch eine identitär-nationalistische Rhetorik und emotionale Ansprache hat er sich als der starke Führer inszeniert, der hinter den Türken in Deutschland steht.
Wir als deutsche Gesellschaft aber auch die politischen Verantwortlichen bei uns müssen sich die selbstkritische Frage stellen, was wir dieser aggressiven Diasporapolitik Erdogans entgegengesetzt haben, und warum es ein Erdogan schafft, einen emotionalen Zugang zu diesen Menschen
zu bekommen, wir aber nicht? Wir haben diesen Wettbewerb um die Köpfe und Herzen dieser Menschen vernachlässigt bzw die Akitivitäten der Türkei kaum wahrgenommen.
Das Oppositionsbündnis in der Türkei besteht aus Parteien, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Es ist Teil der Erdogan-Propaganda, der über die von ihm kontrollierten Medien versucht, die Angst in der Bevölkerung zu verbreiten, dass bei einer Niederlage der AKP die Türkei
an politischer Stabilität verlieren würde, dass die Opposition nicht in der Lage sei, das Land zu regieren, dass die Opposition das Land ins Chaos führen werde. Die Türkei unter Erdogan steht für ein autokratisches Regime, was die demokratischen Freiheiten und den Rechtsstaat
massiv eingeschränkt hat. Andersdenkende werden inhaftiert und verfolgt. Nie war das politische System so korrupt wie jetzt. Jede noch so komplizierte Koalitionsregierung ist besser als das Ein-Mann-Regime von Erdogan. Die mutige demokratische Zivilgesellschaft in der Türkei ist
nicht naiv oder blind. Sie ist nicht nur stark genug, um Erdogan Widerstand zu leisten, sondern wird auch ein kritisches Auge auf das Oppositionsbündnis haben, wenn sie bei einem Wahlsieg ihre Versprechen nicht einlöst, die Türkei wieder zurück zur Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit zu führen.
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Die türkische Religionsbehörde #Diyanet hat alle Religionsattaches u die Vorsitzenden der ausländ. Ableger der Diyanet zu einer viertägigen Strategiekonferenz nach Ankara geladen. Mit dabei auch der Vorsitzende der #DITIB Kazim Türkmen und die Religionsattachès aus Deutschland.
Im Rahmen dieser Konferenz sprach der türkischen Außenminister Cavusoglu zu den Teilnehmern. In seiner Rede betonte er die wichtige Rolle, die die Religionsattaches und die ausländischen Filialen der türkischen Religionsbehörde für die türk. Außenpolitik spielen. Er sagte:⬇️
"Wir sehen den Nutzen der Aktivitäten unseres Präsidiums für religiöse Angelegenheiten insbesondere in europäischen Ländern, und das gibt uns Kraft. Diese Zusammenarbeit ist für das Außenministerium von großer Bedeutung."
Die Islamische Föderation, der #IGMG-Ableger in Österreich, will sich heute vom Gründungsvater #Erbakan distanzieren. Dies soll auf einer Tagung im Hilton-Hotel in Wien geschehen, zu dem aber nur ausgewählte Leute zugelassen sind.
Anwesend wird auch der Generalsekretär der IGMG Bekir Altas @GSIGMG anwesend sein. Die Ironie: heute und morgen finden europaweit rund um den Todestag von #Erbakan am 27.2. Gedenkveranstaltungen für Erbakan statt. Trailer zu den Gedenkveranstaltungen: fb.watch/bpF2uKXa8s/
Wie glaubwürdig ist eine Distanzierung von Erbakan fernab der eigenen Basis für ein auserwähltes Publikum aus Politik und Gesellschaft, wenn europaweit in den eigenen Gemeinden eine andere Realität vorherrscht? Nur eine kleine Auswahl dieser Erbakan-Gedenkveranstaltungen:
Wie die türkische Zeitung "Sabah" berichtet fand am Samstag in der Frankfurter DITIB-Zentrumsmoschee eine Gedenkveranstaltung für die "Märtyrer" des Putschversuchs vom 15. Juli 2016 statt.
Anwesend waren der Frankfurter Konsul Erdem Tuncer, der Frankfurter Religionsattache Siddik Yildirim.
Der Vorsitzende der DITIB-Zentrumsmoschee in Frankfurt Turan Kuzpunari sagte: "Die Fetö-Terrororganisation hatte es auf unsere Heimat und Unabhängigkeit abgesehen. +
In der Geschichte haben wir uns als Volk gegen Verrat immer mit Mut und Aufopferung entgegengestellt. Mit Gottes Hilfe haben wir als Volk auch dieser Besatzung Widerstand geleistet." Quelle: m.sabah.com.tr/avrupa/2021/07… und die FB-Seite der Moschee: m.facebook.com/story.php?stor…
Das #Islamkolleg in Osnabrück, was eine Imamausbildung in Deutschland etablieren soll, wird in den türkischen Medien mit den üblichen Reflexen und Verschwörungstheorien versucht zu diskreditieren. Das hat System.
Heute heißt es in einer Kolumne von Mehmet Koçak, dass der deutsche Staat die Muslime (hier insbesondere die Türkeistämmigen) assimilieren wolle. Im Islamkolleg würden nicht Imame sondern "Agenten" ausgebildet, um die Muslime zu kontrollieren.
Das ist das identitäre Denken der AKP, der staatlichen Institutionen der Türkei und deren Ableger bei uns in Deutschland: Muslime/Türkeistämmige sind die Verfügungsmasse ihrer politischen Agenda und sollen sich dieser unterordnen.
In den letzten Tagen habe ich - wieder einmal - beleidigende Nachrichten bekommen. Der Grund für diese Nachrichten ist kurios: Ich habe nichts zur Gewalteskalation in Jerusalem geschrieben, denn man sei ein "Hund der Zionisten".
Manche Muslime haben die Vorstellung, dass man sofort eine Meinung, eine Kampfansage formulieren muss, dass man Farbe bekennen muss, dass man ein Bekenntnis ablegen und Partei ergreifen muss.
Ja, die Regierung Netanjahu verfolgt eine desaströse Politik. Ja, es gibt extremistische Siedler, die alles wollen, nur keinen Frieden. Aber kann ich als Muslim die Augen davor verschließen, wie die Terrororganisationen Hamas u der Islamische Dschihad Hass und Gewalt verbreiten?
"Eren Güvercin von der islamischen Alhambra-Gesellschaft beschreibt dies wie folgt:
"Die rechtsradikale Blutspur der letzten 20 Jahre vom NSU bis Halle und Hanau führt uns vor Augen, mit welch existenzieller Bedrohung aus der rechten Ecke wir als deutsche Muslime, +
+ Juden und andere Minderheiten konfrontiert sind. Aber was für Schlussfolgerungen ziehen wir als Gesellschaft und vor allem die politischen Entscheidungsträger? Wenn weiter elementare Fragen zum NSU-Komplex unbeantwortet sind, wenn politische Parteien in Wahlkampfzeiten immer +
+ noch mit populistischer Sprache bei Themen wie Clankriminalität Ressentiments schüren und immer noch von Einzeltätern gesprochen wird, statt die rechtsradikalen Netzwerke gezielt zu bekämpfen, dann verlieren jene Bürger, die zum Ziel dieser Gewalt werden, das Vertrauen in +