Thread by @MattheusWehowsk

Heute ist der 102. Geburtstag von Andrei #Sacharow. Er war sowjetischer Nuklearphysiker und Menschenrechtler. Als erster Vorsitzender von #Memorial verstand er, dass nur eine Aufarbeitung totalitärer Vergangenheit den Weg in eine demokratische Zukunft ermöglicht. Thread/1

Er kritisierte bereits 1966 die unvollständige "Entstalinisierung". Unter Breschnew diente der Siegeskult im Zweiten WK der Stütze des Systems u. seiner Legitimation. Sacharow verurteilte die Niederschlagung d. "Prager Frühlings" 1968 u. forderte d. Einhaltung d. Menschenrechte/2

Als Nobelpreisträger (1975) blieb ihm die Psychiatrie erspart, in der viele sowj. Dissidenten weggesperrt wurden. Die Parteiführung verbannte ihn 1980 in die damals geschlossenen Stadt Gorki (heute Nischni Nowgorod). Sein Gefängnis war als Wohnung im Plattenbau getarnt/3

Die "Vorzimmerdame" regulierte sämtliche Besuche. Die "Nachbarn" waren KGB-Agenten. Seine Frau und er wurden abgehört und per Video überwacht. Ich habe das kleine Museum in N. Nowgorod besucht, wo sich Sacharows "Wohnung" befand (die Bilder sind von mir)/4

Sacharow starb bereits 1989 auch an den Folgen der Verbannung. Sein Erbe waren die Organisation #Memorial und das Sacharow-Zentrum in Moskau. Beide Institutionen setzten sich für eine kritische Aufarbeitung des Stalinismus und dem Aufbau einer Zivilgesellschaft in #Russland ein/5

#Putin/s Regime waren beide Ziele zuwider. Seit seinem Machtantritt wurde die russischd Gesellschaft systematisch "atomisiert" u. erniedrigt - Proteste zerschlagen, Kritiker weggesperrt, ins Exil gedrängt oder ermordet. Das #Russland von heute ist wieder ein totalitärer Staat/6

Geschichte ist dabei ein Werkzeug der Machtausübung. #Putin verlangt die Deutungsmacht über die Vergangenheit im Dienst seines Systems. Aus der Erinnerung an den 2. WK ist ein Sieges- u. Todeskult geworden. All das was Sacharow kritisierte, ist heute wieder bittere Realität/7

#Memorial und das Sacharow-Zentrum gelten als "ausländische Agenten". Statt seiner Aufarbeitung werden sie nun selbst Opfer eines Neo-Stalinismus. Lektion für uns: Ohne kritische und wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte, ist die Demokratie gefährdet/Ende

Nachtrag: Ja, das Schild fürs Museum ist am Gebäude in Nischni Nowgorod kaum zu sehen. Stattdessen hängt dort eine übergroße Werbung für einen "Second Hand" Verkauf.