Klassenarbeiten leisten nicht das, was sie könnten und noch nicht mal. was sie sollten. Ein [thread]. (Schon wieder)
Ich bemerke eine merkwürdige Argumentation meinerseits, wenn ich in der Oberstufe bin. Die Schüler*innen, so betone ich, sollen bitte nicht alles vergessen, sondern meine Rückmeldung als Beginn für die Verbesserung nutzen. Erscheint logisch. (1/11)
Geht aber dem, zu was Klassenarbeiten (geworden?) sind zuwider. Klassenarbeiten werden sehr verengt als das Endprodukt eines Prozesses gesehen, der damit abgeschlossen ist. Damit verhindern sie Nachhaltigkeit auf allen Ebenen. (2/11)
Das kennt jede/r Lehrer*in und jede/r Schüler*in, der oder die sich fragt, warum nach zwei Monaten „alles wieder weg“ ist. Es ist weg, weil es für die Erlangung einer Ziffer eingeübt worden ist, nicht für die Erlangung einer Fähigkeit. (3/11)
In §8 der Notenbildungsverordnung heißt es: (…) geben Aufschluss über (…) Kenntnisstand einer Klasse und einzelner Schüler und weisen auf notwendige Fördermaßnahmen hin. Sie werden daher in der Regel nach den Phasen der Erarbeitung, Vertiefung, Übung (...) angesetzt (…).(4/11)
Das ist aus drei Perspektiven interessant: 1. Sollen Klassenarbeiten „Aufschluss“ geben und auf „Fördermaßnahmen“ hinweisen. Eigentlich sind Klassenarbeiten also kein Ende eines Prozesses, sondern der Anfang. (5/11)
Zweitens wird neben der Klasse (was auch immer das sein soll, so eine Art Schwarmintelligenz der Zahlen) der Einzelne hervorgehoben. Es geht also um individuelle Förderung. (6/11)
Die Schlussfolgerung muss lauten: So wie jede Schule Klassenarbeiten einsetzt, sorgen sie für das Gegenteil dessen, was sie eigentlich sollten. Sie sind am Ende statt am Anfang des Prozesses und die Förderung ist meistens eine Zusatzleistung, denn der „Stoff“ geht weiter. (7/11)
Und drittens: Warum sollte eine Klassenarbeit nach der „Vertiefung, Übung und Anwendung“ angewendet werden? Ist das nicht paradox? Sollte eine der Aufschluss über eine Leistung nicht jener Punkt sein, von dem aus dann die Übung stattfindet? (8/11)
Was würde das bedeuten? Flipped Testing! (Wenn man überhaupt dabei bleibt): Die erste Klassenarbeit findet noch vor der Verteilung statt, die Förderung muss dann zwangsläufig individuell sein, denn nicht jeder hat die gleichen Stärken. (9/11)
Erst am Ende dieses Prozesses kann derjnige, der Aufschluss über seine Stärke haben möchte, die Klassenarbeit schreiben. Denn dann liegt sie am Ende eines Prozesses, der die eigene Verbesserung in den Fokus gerückt hat. (10/11)
Zum Abschluss: Das ist nicht neu und ich bin spät dran. Es verdeutlicht aber nochmals, dass eine grundlegende Veränderung von Lernen nicht möglich ist, wenn an dessen Ende so getan wird, als sei eine Klassenarbeit das Ende eines Prozesses, der eigentlich erst beginnt. (11/11)
tl;dr
Klassenarbeiten werden falsch herum gestellt und sorgen so für das Gegenteil von nachhaltigem Lernen.
Der @jnwbr und der @halbtagsblog machen das (meine ich) in unterschiedlicher Weise so. Von denen können wir hier im #twitterlehrerzimmer viel lernen.

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