Thread by @evenlouder

Hier das Skript zu meinem Wortmeldebeitrag (1/x)

https://twitter.com/berndeichner1/status/1225081680786067456

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Worterteilung. Mein Name ist Jens Sander. Ich bin Ingenieur, 33 Jahre alt und entwickle seit 9 Jahren bei Siemens Sicherheitstechnik für Eisenbahnen.

Lassen Sie mich kurz vorwegschicken, dass ich hier äußerst ungern spreche und mich weit, weit außerhalb meiner Komfortzone befinde, dennoch sehe ich keine andere Möglichkeit, als mich hier zu Wort zu melden.

Das Adani-Projekt betrifft genau mein Arbeitsfeld: Wir entwickeln die Schlüsseltechnologie, mit der der Abtransport der Kohle ermöglichen werden soll. Für ein Projekt, dass mit keinerlei Klimaschutzzielen vereinbar ist.

Ein Projekt, dass in seiner Verantwortungslosigkeit kaum zu überbieten ist.

Wenn ich mir Zahlen des Weltklimarats anschaue packt mich die blanke Angst. Im Angesicht des völligen Versagens von Politik und Wirtschaft bleibt nur noch eine Möglichkeit: Wir alle müssen selbst aktiv werden!

Die Verantwortung, zukünftigen Generationen nicht eine irreparabel geschädigte Welt zu hinterlassen wiegt schwerer als Vertragstreue. Es droht „nie dagewesenes Leid“. Das ist die beängstigende Prognose der Wissenschaft – keine Schwarzmalerei, sondern klare harte Realität.

Rechnet man die bereits bestehenden Verträge zur Förderung fossiler Brennstoffe zusammen, gibt es keine Chance, das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten. Auch Siemens hat sich dem Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet und will bis 2030 klimaneutral werden.

Es müssen also Verträge gekündigt werden! Es müssen Entscheidungen getroffen werden, die auf kurze Sicht vielleicht unpopulär oder teuer sind. Entscheidungen, die aber notwendig sind. Entscheidungen, wie Werner von Siemens sie mit großer Sicherheit getroffen hätte.

Klimaaktivist:innen sind nicht der Gegner einer verantwortungsvollen Wirtschaft sondern Verbündete – sie ermöglichen es, dass jetzt die Entscheidungen getroffen werden können die notwendig sind.

Siemens ist ein hervorragender Arbeitgeber, ich schätzte meine Kollegen und meine Aufgaben erfüllen mich. Siemens pflegt ein faires und respektvolles Betriebsklima. Das weiß ich, weil ich seit 14 Jahren Mitarbeiter bin.

Ich arbeite gerne bei Siemens - nicht zuletzt weil das, was wir tun wichtig ist.
Ich möchte Siemens nicht verlassen müssen. Deshalb bitte ich Sie inständig: Beenden Sie den Vertrag mit Adani!

Es steh außer Frage, dass es im wirtschaftlichen Interesse von Siemens liegt, sich auf die fundamentalen Veränderungen einzustellen, die vor uns liegen. Und dabei muss – wie schon bei der Implementierung der Compliance Richtlinien – die gesamte Belegschaft mitgenommen werden.

Meine Frage an den Vorstand lautet daher:

Damit so ein Fehler wie der Vertrag mit Adani nie wieder passiert: Gibt es – über ein externes Nachhaltigkeitsgremium hinaus - Pläne wie sichergestellt werden kann, dass in der gesamten Belegschaft das Bewusstsein für aktiven und angemessenen Klimaschutz geweckt wird?
Vielen Dank

Wofür leider keine Zeit blieb (die Redezeit war auf 3 Minuten beschränkt worden):

Siemens hat sich selbst ambitionierte Klimaziele gesetzt und hilft seinen Kunden weltweit durch intelligente und energieeffiziente Lösungen viele Tonnen CO2 einzusparen.

Im Positionspapier zur Dekarbonisierung heißt es:

„Darüber hinaus lassen wir den Worten Taten folgen und übernehmen die Führung, wenn es um den Klimawandel geht.“
An dem Adani-Projekt festzuhalten widerspricht dem Selbstverständnis von Siemens und mittelfristig auch unseren wirtschaftlichen Interessen.

Für mich ist das eine Frage der Glaubwürdigkeit, Verantwortung und der Moral. Der Argumentation „wenn wir es nicht machen, macht es ein anderer“ kann ich mich nicht anschließen. Mit dieser Argumentation ließe sich alles rechtfertigen.