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#thread zur Kosten-Nutzen-Rechnung der schweizerischen #Covid19 Strategie

Prof @pietrovernazza in heutiger @Sonntagszeitung: «Ich habe aber noch nie eine Kosten-Nutzen-Rechnung der aktuellen Strategie gesehen.»

Das hat Gründe (und ist so auch nicht ganz korrekt)
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In Medizin, Rechtsprechung und Ökonomie ist es nicht unüblich, Kosten-Nutzen-Analysen mit Menschenleben zu machen.

Etwas verkürzt: Der Wert einen Lebensjahrs (zBsp gemessen in #QALY (flexikon.doccheck.com/de/QALY)) wird Kosten gegenübergestellt (Medikamente, Schadenersatz…)

2/18
Was auf der individuellen Ebene funktioniert (auch wenn es befremden mag), ist in einer gesamtwirtschaftlichen Situation sehr viel schwieriger.

Spoiler: Interdependenzen, schwierige Kausalität, Unsicherheiten, Subjektivität

3/18
1) Um Kosten-Nutzen-Rechnung anzustellen, braucht es eine alternative Politik als Vergleich.

Nutzen u Kosten eines Lockdowns dürfen nicht anhand der wirtschaftlichen Situation vor der Pandemie berechnet werden. Sondern mit Nutzen und Kosten einer alternativen Strategie.

4/18
Auch eine Durchseuchung oder ein Laufenlassen des Virus haben Kosten. Eine solches Alternativszenario abzuschätzen ist allerdings sehr schwierig (es gibt aber durchaus Versuche, siehe unten)

5/18
2) Um die Kosten einer Massnahme abzuschätzen, muss ihr kausaler Effekt bestimmt werden.

Bei vielen Massnahmen ist er unklar: Restaurantschliessungen, zBsp, werden von den Menschen vorweggenommen aus Angst vor Ansteckungen. Die Nachfrage geht auch ohne Lockdown zurück.

6/18
Verhaltensanpassungen sind in der Ökonomie gut erforscht. Das Problem ist, dass es oft schwierig ist, wenn nicht unmöglich, die Effekte von Verhaltensanpassungen und von staatlichen Massnahmen statistisch auseinanderzuhalten.

7/18
Ein Vergleich von Ländern oder Regionen kann helfen, sollte aber immer mit Vorsicht interpretiert werden.

Ein Beispiel dazu: Der Konsum sank in Dänemark und Schweden in ähnlichem Ausmass – trotz sehr unterschiedlicher Einschränkungen.
arxiv.org/abs/2005.04630

8/18
Anderes Bsp: Anhand lokaler Ausbrüche in Korea fassen Aum, Lee und Shin die Sachlage so zusammen: #COVID,19 benötigt keine Lockdowns um Arbeitsplätze zu vernichten.

nber.org/papers/w27264

9/18
(Zur Abwechslung etwas, was den ÖkonomInnen leichter fällt)

3) Die Kosten der #Covid19 bedingten Einschränkungen hängen entscheidend von den Begleitmassnahmen der Regierung ab: Kurzarbeit, Kompensation von Einkommensausfällen, Kredite und sonstige Hilfestellungen.

10/18
Wenn jemand den Job verliert wegen der Massnahmen, so hängt sein Wohlbefinden von der Grosszügigkeit der Arbeitslosenversicherung ab.

Der Grund für unterschiedliche Kosten/Nutzen Rechnungen in verschiedenen Gegenden der Welt liegt oft in den Kompensationsmöglichkeiten.

11/18
4) In einer globalisierten Welt kostet eine Pandemie sogar ganz ohne Infektionen. Und noch schlimmer: Je mehr Länder betroffen sind, desto grösser wird die Gefahr einer weltweiten Finanz- und Schuldenkrise.

12/18
5) Die Unsicherheiten bezüglich des weiteren Verlaufs der Pandemie sind riesig. Sie müssen aber bei einer Kosten-Nutzen-Analyse berücksichtigt werden: Ausbreitung, Verfügbarkeit von Impfungen, Spätfolgen (kurz, denn hier befinde ich mich nicht mehr in meiner Komfortzone).

13/18
Im Gegensatz zu einer individuellen Kosten-Nutzen Abwägung ist die zeitliche Dimension sehr wichtig:

Massnahmen, die kurzfristig teuer sein mögen, könnten längerfristig zu einer schnelleren Erholung führen, wie das Beispiel der Spanischen Grippe zeigt.

14/18
Viele Ökonomen haben sich trotz dieser Schwierigkeiten (hohe Komplexität, hohe Unsicherheit) an eine Kosten-Nutzen-Analyse gemacht, meist unter Einbezug epidemiologischer Modelle. Es ist fast unmöglich, die Forschung zusammenzufassen.

15a/18
Sehr viele interessante wissenschaftliche Studien auf folgenden 2 Plattformen:

nber.org/wp_covid19.html
cepr.org/content/covid-… (in der Zwischenzeit 38 (!) Volumes)

15b/18
Praktisch alle Studien zeigen, dass gewisse Einschränkungen optimal sind. Viele Studien finden keinen Gegensatz zwischen Gesundheit und Wirtschaft. Tiefere Infektionszahlen und ausgiebiges Testen bedeuten kleinere wirtschaftlichen Einbussen (=> aktuelle CH Strategie).

16/18
Zwei Studien zum Vorteil tieferer Infektionszahlen:

ifo.de/publikationen/…

nber.org/papers/w27100

17/18
Fazit (wie so oft): Es ist kompliziert.

Und letztlich ist die Bewertung der Kosten und Nutzen trotz aller Daten und Modelle sehr subjektiv.

(Mein ältester Sohn sagt jeweils: Better safe than sorry)

18/18
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