Es hilft ja nichts. Fangen wir an mit Tiffany Trumps Rede. Wenn Familienmitglieder des Präsidenten auf Conventions sprechen, geht es meist darum, zu zeigen, wer die Person jenseits des Amtes ist, um persönliche Anekdoten. Tiffanys Rede lieferte das nicht. #ardentanalyse #RNC2020
Es geht los mit dem Versuch, eine Beziehung zu jungen Zuschauern herzustellen: "As a recent graduate, I can relate to so many of you who might be looking for a job." Das ist schon recht zynisch, ist ihre finanzielle Situation doch komfortabler als die der meisten.
Sie wiederholt die irreführende Behauptung, Trump habe eine blühende Wirtschaft aufgebaut: "My father built a thriving economy once, and believe me, he will do it again." Die Wirtschaft war in gutem Zustand, als Trump sie von Obama erbte - er profitiert von Langzeitfolgen.
Tiffany übernimmt Frames der Vortages - in dieser Wahl gehe es um alles, um einen "fight for freedom versus oppression, for opportunity versus stagnation, a fight to keep America true to America." Bedeutet: Demokraten wollen Amerikas wahren Kern verändern, euch unterdrücken.
Sie gibt den Verschwörungsmythos wieder, die öfentliche Meinung würde von einem geheimen Medien-Kabal manipuliert: "People must recognize that our thoughts, opinions, and even the choice of who we vote for are being manipulated and invisibly coerced by the media and tech giants."
Mehr noch, nicht nur die öffentliche Meinung werde manipuliert, sondern sogar die Entscheidung (!), für wen man wählen möchte. Soll sagen: Wenn du glaubst du bist für Biden, wurdest du manipuliert. Also geh lieber nochmal in dich.
Die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft sei die Schuld "der Medien", die nur voreingenommen berichten würde. Wenn man mit diesem Narrativ nicht einverstanden sei, würde die eigene Meinung "either ignored or deemed a "lie," regardless of the truth." Orwell wäre baff.
Diese angebliche Manipulation würde die Freiheit von Amerikaner*innen bedrohen und sie durch Falschinformation "mental versklaven" (doch, das hat sie tatsächlich gesagt). Was für eine zynische Umerzählung von Sklaverei das ist, muss ich glaube ich nicht ausführen.
Diese "mentale Versklavung" habe die Gesellschaft gespalten. Doch die Paranoia geht noch weiter: nicht nur in "den Medien", bei Tech Giganten würden Lügen produziert, sondern sogar innerhalb der Trump'schen Regierung. Auch das ein Nicken an "Deep State" Verschwörungslegenden.
Dafür, dass Tiffany so lange im Hintergrund war, ist diese Rede eine paranoide, Verschwörungstheorie-durchzogene Bewerbung, demnächst im Trump-Apparat eine größere Rolle spielen zu dürfen. Nur eine Meinung sei legitim, andere Meinungen würden versteckt gehalten.
Kontrolle sei der Grund dafür und - Achtung, nicht in zynisches Gelächter ausbrechen - weil man mit Kontroverse Geld machen könne. Amerika, das ist der nicht sehr subtile Subtext, sei eine Meinungsdiktatur. Als hätte sie vergessen, wer seit 4 Jahren Präsident ist.
Diese Rede zu analysieren fällt wirklich schwer, weil sie in gewisser Weise viel perfider ist als Trump Jr.'s plumpes Biden Bashing von gestern. Tiffany behauptet, die Unterdrückung von "anderen" Meinungen bedeute, dass im Schulsystem die "civil debate" geopfert werde.
Sie wiederholt das beliebte rechte Framing, dass viele Schüler*innen und Student*innen zu viel Angst hätten, gegen die linke Meinungshoheit aufzumucken. Diese Behauptung ist durch nichts belegt. Sie verwendet Begriffe der Linken wie Diversität und Inklusion und dreht sie um:
Sie spricht von "diversity of thought and inclusion of ideas". Außerdem beklagt sie, dass "zynische Politiker" nicht so an das "Wunder von Amerika" glauben würden, wie sie es täte. Und, Evangelikalen-Bingo: "Believing in Miracles is a gift from God"
Und, wieder Bingo, es gehe um "school choice, because a child's zip code in America should not determine their future". Vom Effekt des elterlichen Geldbeutels auf die Zukunft des Kindes im Anbetracht teurer Privatschulen ist keine Rede.
Das Gaslighting ist in vollem Gange wenn sie nach einer Aufzählung von Dingen, an die Republikaner glauben würden (Religionsfreiheit, amerikanischer Geist, Unterschiede) sagt: wenn du das willst - "Well, whether you realized it or not, you're a Trump supporter".
Und, drumroll für schlimme Wortspiele: Amerikaner*innen sollten hinter die Fassaden, nein, MASKEN dieser falschen Politiker*innen schauen. Masken. Als in MNS. Wie die Demokraten ihn empfehlen (und ihr Vater mittlerweile aber was ist schon Wahrheit)
Ihr Vater sei der Einzige, der es mit dem "Establishment", "der Bürokratie, Big Pharma" (stellt euch jubelnde Anti-Vaxxer vor), "und Medien-Monopolen" aufnehme, um die verfassungsgemäßen Freiheiten zu verteidigen (!) An dieser Stelle musste ich Pause machen und mir nachschenken.
Und am Ende muss noch eine große Portion Religion mit hinein: "God has blessed us with an unstoppable spirit. His Spirit…The American Spirit." So weit so normal (für Republikaner) - aber es geht noch weiter. Ihr Vater habe bewiesen, dass er von diesem Geist getrieben werde.
Seinen Glauben habe er durch seine "kompromissloses Herz und seine Taten" bewiesen. Und, in einem nicht so stummen Schrei nach Liebe (und Einfluss): "My dad has made me believe that America can truly be great again!"
Vielleicht hat Tiffany anfangs doch die Wahrheit gesagt: nach ihrem Abschluss sucht sie jetzt einen Job. Und wir haben gestern Nacht ihre Bewerbungsrede dafür gesehen. Besonders auffällig auch: dieselbe Intonation, Stimmlage, Optik wie Ivanka. (Das ist neu)
