Das sind meine Eltern und ich, kurz nach unserer Flucht nach Deutschland 1991. Sie waren Anfang 30, so wie ich jetzt.
Zu der Zeit tobte in Bergkarabach bereits der Krieg. Zuvor hatte die dortige armenische Bevölkerung in einem Referendum für eine Unabhängigkeit gestimmt.
Das kurz nach dem Referendum gegründete Aserbaidschan (wie Armenien, Bergkarabach und Georgien frisch aus der zerfallenen Sowjetunion ausgetreten) wollte die Unabhängigkeit unbedingt verhindern. Es folgten Pogrome, Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen, Krieg. Bis 1994.
Achso: Wir sind nicht aus Bergkarabach geflüchtet, sondern aus Armenien. Ich bin in Yerevan geboren und habe dort gelebt, bis ich vier war. Doch die Angst, dass der Krieg weiter reicht als das umkämpfte Gebiet, war groß. Die Zukunft ungewiss. Ich sollte nicht im Krieg aufwachsen.
Meine Großmutter mütterlicherseits. Dass sie neben Armenisch und Russisch (wg Sowjetunion) auch Türkisch sprechen konnte, hatte einen Grund: Sie war Tochter von Genozidüberlebenden. Ihre Eltern waren aus dem Osmanischen Reich geflohen. Ihren Vater verlor sie dann im 2. Weltkrieg.
Meine Großmutter hatte viel gesehen, erlebt, durchlitten. Ihre Lebenslust war davon ungetrübt, ihr Humor unglaublich, ihre Empathie und die Liebe für alle, sie kannte, unendlich. Und egal wie groß oder klein eine Krise, sie sagte immer: "Էս էլ կանցնի" = "Auch das geht vorbei".
Sie hat bis zu ihrem Tod vor 7 Jahren in Yerevan gelebt. Als sie starb, war ich Tausende Kilometer weit weg. Doch zu ihrer Beerdigung schaffte ich es.
Von ihr habe ich meine Lust am Kochen, meine Emotionalität, meine Neugier und meinen Pragmatismus.
Als Mensch mit armenischen Wurzeln geht es mir wie Millionen anderer in der Diaspora: Wir existieren, weil unsere Urgroßeltern, Großeltern oder Eltern trotz Genozid, Krieg und Vertreibung geschafft haben, woanders weiterzuleben.
Doch wir tragen transgenerationales Trauma in uns.
Dieses Trauma erwacht jetzt zu neuem Leben. Deswegen geht es mir, wie Millionen anderer Diaspora-Armenier*innen gerade so schlecht. Es ist existenzielle, reale Angst vor einem neuen Genozid, Angst um Verwandte vor Ort, Hilflosigkeit und Entsetzen, dass die Welt bloß zusieht.
Wir verfolgen wie gelähmt den ganzen Tag lang die Nachrichten und schreien im Internet aus voller Kehle um Hilfe. Eigene Erinnerungen und erzählte, überlieferte Erinnerungen kommen hoch. Bei jeder WhatsApp aus Armenien Herzrasen bis komplette Panik, es könnte Schlimmes sein.
Es gibt ein sehr altes, armenisches Schlaflied. Es handelt davon, dass eine Mutter ihr weinendes Kind beruhigen will und Singvögel um Hilfe bittet. Keines schafft es - bis es ein Falke versucht: Dessen Geschrei steht für "Kriegslieder", und bei diesem Klang schläft das Baby ein.
Dieses Schlaflied ist das musikalische Symbol von transgenerationalem Trauma. Von klein auf werden wir mit dem Schicksal unserer Vorfahren konfrontiert. Wir sind so an die Themen Krieg und Vertreibung gewöhnt, dass selbst die Kinder dazu einschlafen.
Puh, das war jetzt sehr viel und sehr persönlich. Zum Abschluss ein Foto von einer mit der Gesamtsituation unzufriedenen Baby-Anna. Und nein, ich habe nix in den Bäckchen, die waren halt so.
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Solange keine internationalen und unabhängigen Beobachter*innen vor Ort sind, um den Prozess auf beiden Seiten zu dokumentieren, sehe ich immer die Gefahr, dass der Aggressor sich nicht an Waffenruhe hält.
Aserbaidschan hat in den vergangenen 3 Wochen sehr deutlich gemacht, was das Ziel ist: Die "Rückeroberung" Bergkarabachs. Alijew wird in seinem Land als Versager dastehen, wenn er das nicht vorweisen kann. Erdogan sowieso. Beide Autokraten können sich ein Scheitern nicht leisten.
Wie traurig! Astrid Kirchherr ist tot. Sie war die Erste, die professionelle Fotos der Beatles machte, sie war (mit-)verantwortlich für den Beatles-Haarschnitt und sie verliebte sich in das damalige Bandmitglied Stuart Sutcliffe, der für die Liebe bei ihr in Hamburg blieb.
Stuart Sutcliffe, John Lennons bester Freund, war damals nur ihm zuliebe in der Band. Er war eigentlich Künstler, sie kannten sich von der Kunsthochschule. Die noch unbekannte Band war da zum ersten Mal im Ausland, spielte Konzerte in Clubs auf der Hamburger Reeperbahn.
Dort lernten sie die Fotografin Astrid Kirchherr kennen. Sie war begeistert von der Musik, von dem Entertainment und den sehr gut aussehenden jungen Männern auf der Bühne. Stu und sie verliebten sich, auch mit den restlichen Beatles schloss sie enge Freundschaft.
Ich habe jetzt mehrfach die Aussage gelesen, dass Eltern, die keine 100% positiven Gefühle dabei empfinden, mit ihren unausgelasteten Kindern wochenlang in der Wohnung zu hocken, besser keine Kinder bekommen hätten.
Leute, ich kann nicht in Worte fassen, wie toxisch das ist.
Ich bin mir recht sicher, dass die Eltern, die sich hier mit gemischten Gefühlen bzgl #SocialDistancing mit Kindern äußern, ihre Kinder lieben und wirklich gerne Zeit mit ihnen verbringen. Und trotzdem brauchen Kinder Abwechslung, Bewegung, Interaktion mit anderen Kindern.
Und Eltern brauchen Pausen. So sehr ich mein Kind liebe: 24 Stunden lang aufeinander hocken, 5 Wochen lang, alle Launen des anderen aushalten ohne Distanz & Pausen, intellektuell und physisch evtl nicht genug gefordert werden - das ist ja selbst für erwachsene Beziehungen hart.
Wir reden über eine Partei, die der "parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus" genannt werden darf und in der Mitglieder zulässig "Faschisten" genannt werden dürfen.
Diese Partei auszuschließen lässt sich in unserer Demokratie nicht begründen? WO IST DENN SONST DIE GRENZE?
Wann ist der Punkt erreicht, wo es in unserer Demokratie begründet ist, die AfD auszuschließen? Wenn es die Demokratie dank AfD nicht mehr gibt?
Exakt das. Und ja, es stimmt: Frauen einzuladen und sie zu überzeugen, Panels, Podien und Workshops zu machen, erfordert oft mehr Arbeit und Zeit. Aber es liegt an genau diesem System: Uns wird von klein auf eingeredet, dass wir nicht selbstbewusst oder kompetent genug seien.
Eine selbsterfüllende Prophezeiung. Organisatoren wissen, was oft der Unterschied zwischen Frauen und Männern ist, wenn sie jeweils angefragt werden. Männer: Ist eigentlich nicht mein Fachgebiet, aber mach ich. Frauen: Ist eigentlich nicht mein Fachgebiet, also lieber nicht.
Weiterer Punkt: Viele Expertinnen haben Familie. Experten auch, aber sagen wir, wie es ist: der Mental Load und der Löwenanteil der Carearbeit bleibt an den Frauen hängen. Wenn sie außerhalb der Arbeitszeit an etwas teilnehmen, haben sie meist die Betreuung zu organisieren etc.
Wieder ein Fall von "gut gemeint, aber unnötig": fremden Menschen im Internet immer als erstes raten, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten, wenn sie (etwa hier auf Twitter) von einer Belästigung/Bedrohung/etc. erzählen.
Warum das nicht hilfreich ist:
Ihr könnt davon ausgehen, dass diese Person schon 1. selbst auf diese Idee gekommen ist 2. dies bereits (jetzt oder schon früher) getan hat, denn 3. ist es ihr mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zum ersten Mal passiert.
Gerade beim letzten Punkt ist noch wichtig zu erwähnen: Oft passiert einfach nichts nach so einer Anzeige. Das ist leider so. Dass Belästiger, Hassposter und Leute, die dir mit dem Tode drohen, tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden, ist recht selten.