Why Constitution Matters – Verfassungsrechtswissenschaft in Zeiten der Corona-Krise

@hmheinig, Kingreen, Lepsius, @ChristophMllers, Volkmann & Wißmann, JZ 18/2020, 861-912

- Kein Vorrang der Gesundheit/des Lebens vor der Freiheit (864)

1/12
- Verbundenheit von innerer und äußerer Freiheit: "Nur in der äußeren Form kann sich innere Freiheit zeigen und entfalten." (864) (Es reicht nicht, wenn *nur* die Gedanken frei sind...) 2/
- Grundrechte richten ihr Rationalitätspotential "zu allererst auf die Erste und Zweite Gewalt"
- Verhältnismäßigkeit ist "Verhaltensgebot", auch Zweckmäßigkeit ist juristische Kategorie (gerade für die Grundrechtslehren) (865) 3/
- Jurist*innen sollten sich (pace, u.a., Krüper) nicht zurückhalten; auch um andere als virologische Perspektiven anzumahnen: Das RKI kann Risiken nicht "ökonomisch, sozial, kulturell oder psychisch abschätzen" (866)
- "Weckruf der Grundrechte" = wiss. "Bringschuld" (866 f.)
- Parlamente: aus der Stunde der Exekutive "sind unterdessen Monate geworden"; Art. 80 I GG (867)
- "Blankovollmacht" des § 5 II 1 IfSG verschiebe die "Achsen der horizontalen Gewaltenteilungsbalance" (868) 5/
- Corona-VOen der Länder: die Verfassungsmäßigkeit der §§ 28 ff., 32 IfSG betrift "Kernfragen": eine weitreichende "Entparlamentarisierung der Gesetzgebung... ausgerechnet beim intensivsten flächendeckenden Grundrechtseingriff" unter dem Grundgesetz (869) 6/
- Leistungen des Parlamentsvorbehalts wie die Sicherung der Berücksichtigung heterogener Interessen "in Erinnerung zu rufen, ist vornehmste Aufgabe seiner wissenschaftlichen Behandlung" (870) 7/
- Demokratische Formen und Verfahren: Sie sind keine akademische Frage. Fällt der Protest gegen die Corona-Maßnahmen womöglich "auch deswegen so vehement und irrational" aus, weil die parlamentarische Debatte "in den letzten Monaten zu kurz gekommen ist"? (870) 8/
- Sind die Corona-VOen womöglich auch deshalb für gerichtliche Angriffe anfällig, weil sie der Sache nach "begründungslose Massenverwaltungsakte mit immenser Eingriffswirkung" sind? (871) 9/
- Schluss: wissenschaftlicher Sachverstand, Öffentlichkeit und "Wissenschaftsblogs" (z.B.: @Verfassungsblog!). /10
- "Gerade Blogbeiträge erscheinen heute als gefestigtes
Übergangsformat..." (871) /11
- Schweigen aus politischer Loyalität? Jedenfalls hier wäre es "eine seltsame
Geringschätzung der Institutionen des Grundgesetzes" gewesen, sie "durch Zurückhaltung schonen" zu wollen: "Kritik kann eine Form der Loyalität sein." (872) 12/12

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More from @HongMathias

9 Nov
Feltes (@krim_rub): "Hat das OVG das nicht gesehen oder nicht sehen wollen?... Glaubte man allen er[n]stes, dass die Teilnehmer die Infektionsschutzauflagen einhalten würden?"

(Auf die ausstehende Begründung der OVG-Entscheidung darf man in der Tat gespannt sein.)

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"Die Gefahr, die von den zu erwartenden mehr als 20.000 Personen, davon 90% ohne Mund-Nasen-Schutz und ohne Mindestabstand, für Dritte (auch Polizeibeamt*innen) ausging, war hier eindeutig größer als die Einbuße an Öffentlichkeitswirksamkeit der Demonstration." 2/
"Bei allem Verständnis und Unterstützung für deeskalierende Ansätze: Auf die „Vernunft“ der Menschen zu vertrauen ist für einen Polizeipräsidenten entweder weltvergessen oder blauäugig... Hier liegt polizeiliches Versagen vor." 3/ Image
Read 4 tweets
5 May
BVerfG-EZB-Anleihekäufe: Die erste Ultra-vires-Feststellung durch das BVerfG gibt sicher eine schöne Gelegenheit, die Grundpositionen zum Verhältnis zwischen Unionsrecht und Verfassungsrecht zu besichtigen.

(Thread.)

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Das Spektrum dürfte in etwa von @prof_mayer (mit der Forderung, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten) ...

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... bis zu @FrankSchorkopf reichen (ein "großes, vielleicht historisches Urteil")...

Mal schauen, ob es auch Stimmen zwischen diesen Polen gibt...?

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Read 50 tweets
23 May 19
Ein großartiges Geburtstagsgeschenk. #GG70

Wihl: "[D]ie Republik" kann das Grundgesetz "ändern, ja sogar abschaffen... Dieses Bewusstsein der Kontingenz macht es erst möglich, sich den Geist der Verfassung vollständig anzueignen."

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"[D]ie Verfassung ist keine Autorität, wenn wir sie nicht dazu machen, wenn wir nicht bestimmen, worum es ihren unbestimmten Normen gerade im Moment geht. Wenn sie uns zu etwas anhält, dann, auf ihrer Grundlage politisch teilzuhaben..."
______

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"Während übermäßiges Institutionenvertrauen einen Hang zum Autoritarismus verraten mag, ist der Verfassungsvollzug in der eigenen Person leicht ein Ausdruck von Homogenitätsfantasien, die ein einig Volk von Wertebejahern imaginieren."

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5 Feb 19
"Eine automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle begründet Eingriffe..., auch wenn das Ergebnis zu einem „Nichttreffer“ führt und die Daten sogleich gelöscht werden (Abweichung von BVerfGE 120, 378)." (Leitsatz 1)

bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Ent…
Das macht das BVerwG-Urteil von 2014 (6 C 7.13) obsolet (nach dem Unterlassungsklagen mangels hinreichender Eingriffswahrscheinlichkeit unbegründet sein sollten).

bverwg.de/221014U6C7.13.0
An den Obersätzen seit BVerfGE 100, 313 (strategische Überwachung) wird aber festgehalten: Kein Eingriff bei sofortiger automatischer Löschung ohne Erkenntnisinteresse (Rn. 43, 48).
Read 15 tweets
26 Sep 18
Gráinne de Búrca (forthcoming, @ICONnect_blog): "First, ... the suggestion that the concerns of status equality have become broadly a matter of consensus today is breath-taking in either its naïveté or disingenuousness ... ."
“Secondly, ... I doubt that activists … would … understand issues of status equality as being in any meaningful way separable from issues of economic injustice and material inequality. …” /2
“Thirdly, … [m]any lives have been lost by courageous human rights and environmental defenders challenging precisely the kind of corporate power and economic interests that Not Enough sets itself against. …“ /3
Read 8 tweets

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