Thread by @HongMathias

"Eine automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle begründet Eingriffe..., auch wenn das Ergebnis zu einem „Nichttreffer“ führt und die Daten sogleich gelöscht werden (Abweichung von BVerfGE 120, 378)." (Leitsatz 1)

bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Ent…

Das macht das BVerwG-Urteil von 2014 (6 C 7.13) obsolet (nach dem Unterlassungsklagen mangels hinreichender Eingriffswahrscheinlichkeit unbegründet sein sollten).

bverwg.de/221014U6C7.13.0

An den Obersätzen seit BVerfGE 100, 313 (strategische Überwachung) wird aber festgehalten: Kein Eingriff bei sofortiger automatischer Löschung ohne Erkenntnisinteresse (Rn. 43, 48).

Auch das Kriterium der hinreichenden Verdichtung des Erkenntnisinteresses (aus Rasterfahndungs- und Kennzeichenerfassungsentscheidung) wird beibehalten (Rn. 43, 48), nur seine Anwendung soll korrigiert werden.

Die Kennzeichenerfassung "erfolgt nicht ungezielt und allein technikbedingt, sondern ist notwendiger und gewollter Teil der Kontrolle und gibt ihr... erst ihren Sinn" (Rn. 50).

Die Kompetenabgrenzung zwischen Straftatenverfolgungsvorsorge (Bund) und Stratatenverhinderungsvorsorge (Länder) aus der Nds. SOG-Entscheidung wird bekräftigt (Rn. 68 f.).

Bei Doppelfunktionalität entscheidet der Schwerpunkt - aber bei Uneindeutigkeit des Schwerpunkts soll es eine Doppelzuständigkeit geben können...? (Rn. 72)

Der Doppeltüren-Grundsatz (zweckändernde Verwendungen bedürfen der Doppelermächtigung) aus IP-Adressen- und BKA-Gesetz-Entscheidung wird bekräftigt (Rn. 80).

"Die Durchführung von Kontrollen zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort ins Blaue hinein ist mit dem Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich unvereinbar." (Rn. 92).

Anlasslose Kontrollen können aber "an ein gefährliches oder risikobehaftetes Tun" anknüpfen (Rn. 94).

Die „drohende“ Gefahr nach BayPAG war nicht Gegenstand des Verfahrens (Rn. 105).

Weittragende Ausführungen zu Art. 8 GG für Kontrollstellen bei Versammlungen: Die Eingriffsschwelle der unmittelbaren Gefahr sei für Verbote und Auflösungen entwickelt worden (Rn. 135 f.), auf Vorfeldkontrollen müsse sie nicht übertragen werden.

"Allerdings liegt in der Kennzeichenkontrolle... ein Eingriff in Art. 8... Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt... [S]olche Kontrollen [sind] nicht auf Situationen einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr zu beschränken (a.A. Hong, a.a.O., Rn. 94; Enders, a.a.O., Rn. 35)."

Die Schleierfahndung im Grenzgebiet wird als "nur unter besonderen Bedingungen" (Rn. 142) gerechtfertigt angesehen (zum Unionsrecht: Rn. 145, 152); bei Durchgangsstraßen reicht das Merkmal 'erhebliche Bedeutung für grenzüberschreitenden Verkehr' zur Eingrenzung nicht) (Rn. 149).

Bemerkenswerte Stimmverteilung: 5:2 Stimmen zur Eingriffsqualität bei Nichttreffern; 6:1 "daran anschließend hinsichtlich der allgemeinen Ausführungen zum Erfordernis eines konkreten Anlasses... (oben Rn. 91 bis 94)", "im Übrigen einstimmig" (Rn. 167).

Parallelentscheidung (zu BW und Hessen):

Zitiergebot lebt, Kontrollstellenregelungen des HSOG für Versammlungen verstoßen dagegen (Rn. 61-62), Unvereinbarkeit (Rn. 97).

Die "mitgeteilte" bisherige Praxis, immer mit allen Dateien abzugleichen, ist verfassungswidrig (Rn. 85).