Gerade zufällig die RKI-Pressekonferenz gehört und bin wütend. Null Einsicht, dass die Empfehlungen an die Politik zu lasch waren und mit dem Lockdown light eine falsche Strategie gefahren wurde. Null Bewusstsein dafür, dass man beim RKI mitverantwortlich ist für die Toten.
Die Aufzeichnung der RKI-Pressekonferenz kann man hier finden:
Den Vogel hat RKI-Chef Wieler abgeschossen, als er gefragt wurde, ob man nicht besser jetzt sofort harten Lockdown macht, statt bis nach Weihnachten zu warten, und er, statt auf die Frage zu antworten, ins Schwafeln verfiel. Das war erbärmlich.
Statt der Politik den Marsch zu blasen und klar zu benennen, dass die deutsche Corona-Politik wegen ängstlicher oder populistischer Ministerpräsidenten seit Wochen oder Monaten den Boden der Wissenschaft verlassen hat, wiegelt er ab und klopft sich gelegentlich auf die Schultern.
Öfter hörte man raus, dass das RKI und Deutschland ja einen guten Job mache und kein Grund zur Panik bestehe. Und ja, wenn man sich nur mit Versagern vergleicht, kann man auf die Idee kommen. Und 10% Positivenquoute ist für das RKI auch kein Grund, mehr zu testen.
Dafür, dass die Zahlen jetzt steigen und wir in den letzten drei Wochen Lockdown *nichts* erreicht haben, ist in erster Linie die Ministerpräsidentenrunde verantwortlich und nicht das RKI, und die Politik hat diesen hörigen und wenig Kompentenz ausstrahlenden RKI-Chef eingesetzt.
Von einem RKI-Chef erwarte ich, dass er sein gesamtes Gewicht einbringt, bis hin zum öffentlichen Rücktritt, wenn die Politik den Boden der Wissenschaft verlässt. Mein Eindruck ist dagegen, dass bereits klare Worte der Kritik Wieler zu viel Schneid abverlangen würden.
Ganz viele haben den Schuss noch nicht gehört, und der RKI-Chef gehört für mich dazu. Ja, er hat den Leopoldina-Appell mitunterzeichnet, aber was bitte ist das für ein Zeichen, wenn jetzt der Chef des wichtigsten deutschen Corona-Forschungsinstituts offene Briefe schreiben muss?
Das einzig Positive ist, dass jetzt immerhin allgemein klar zu werden scheint, dass Lockdown light nicht ausreicht, aber es war bereits beim Beschluss vor fast 2 Monaten wahrscheinlicher, dass es ist nicht ausreichen wird, als das es reichen wird.
Der große Masterplan, mit dem uns Planungssicherheit versprochen wurde, hatte sich auch als Makulatur erwiesen. Er enthielt nämlich keine konkreten Pläne für den Fall, der jetzt eingetreten ist, nämlich, dass die Neuinfektionen steigen.
So haben wir jetzt mindestens 3 Wochen komplett verschwendet, in denen die Neuinfiziertenzahlen nicht gesunken sind, und jetzt sollen wir noch mal bis nach Weihnachten warten, bevor die Reissleine gezogen wird.
Die Politik hat uns offene Schulen und Geschäfte und Betriebe und ein Weihnachtsfest in Familie versprochen, aber da war wohl primär der Wunsch Vater des Gedankens. Jetzt zeichnet sich ab, dass wir durch das Versagen der Politik auf Alles verzichten müssen. Ein Trauerspiel.
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Corona-Update 11.12.2020: "Alles steigt"
- Höchstwerte bei Neuinfektionen (29.875), blaue Treppe
- Höchstwerte bei Toten (598), schwarze Treppe
- 7-Tage Schnitt ~20.000 Neuinfektionen/Tag
- 7-Tage Schnitt ~400 Tote/Tag.
- 7-Tage-R seit 1 Woche > 1 und steigend, aktuell 1,05-1,1
- Alle Bundesländer wieder über 50 Neuinfektionen/100k
- Sachsen, Thüringen, Bayern, Berlin, Saarland und Baden-Württemberg schlimmer als der Bundesschnitt
- Fast überall steigen die Zahlen, Saarland und Thüringen mit ~40% Zuwachs in den letzten 7 Tagen
(pavelmayer.de/covid/risks:)
- Top 30 mit 9 x Sachsen, 7 x Thüringen, 4 x Bayern, 3 x Brandenburg, 3 x BaWü, 2 x RLP, 1 x Berlin
- 7-Tage-Inzidenzen überwiegen zwischen 300 und 600/100.000 Einwohner
- Spitzenreiter das Bayrische Regen mit 624/100.000
Die neuen Testzahlen verheißen auch nichts Gutes. 3,3% weniger Tests, 6,4% mehr positive Ergebnisse, und 9,4% höhere Positivenquote, gestiegen von 9,29% auf 10,25%. Wieso testen wir eigentlich weniger, wenn die Infektionen steigen?
Wurde nicht immer betont, wie wichtig Testen zur Corona-Bekämpfung ist? Oder zumindest als Grundlage für Entscheidungen? Und hieß es nicht immer, wir würden so viel Testen in Deutschland? Nun, die meisten Länder testen mehr, Dänemark sogar rund 6 mal so viel pro Einwohner.
Haben wir denn wenigstens vorher mehr getestet als die meisten anderen vergleichbaren Länder? Nope. Wir lagen immer im Mittelfeld. ourworldindata.org/coronavirus-da…
Um Weihnachten ein großes Familienfest mit 3 oder 4 Generationen Corona-sicher feiern zu können, müssten alle Teilnehmer vorher eine Woche zu Hause in Quarantäne bleiben oder unmittelbar vor dem Fest einen Schnelltest machen.
Wer das nicht sicherstellen kann oder will, sollte Weihnachten auch nur in dem kleinen Kreis von Leuten feiern, mit dem man ohnehin regelmäßig verkehrt.
Man kann auch sagen, dass wenn einem vorher eine Woche zu Hause bleiben oder ein Test zu viel Aufwand ist, ein großes Weihnachtsfest dann vielleicht auch nicht so wichtig ist.
Corona-Update 4.12.2020: Geringer Rückgang der Neuinfektionen, 7-Tage-Schnitt knapp 18.000 Neuinfektionen/Tag, R7 knapp ~0,99, Inzidenz ~153/100.000. Mit 2448 Toten neuer 7-Tages-Rekord.
Deutlich fallende Neuinfektionen in Hamburg, Berlin und Niedersachsen mit R7 ~0,9. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Saarland und Bremen mit deutlichen Anstiegen. Inzidenzen außer in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein deutlich über 50/100.000.
In den Top30 jetzt Sachsen als Bundesland auf Platz 15! Unter den Top 30 auf pavelmayer.de/covid/risks/ finden sich Landkreise aus folgenden Ländern: 10 x Bayern, 9x Sachsen, 3 x Thüringen, 2 x Brandenburg, RLP, S-A und Bawü mit je einem Kreise vertreten.
Corona Update 27.11.2020: 7-Tage-Neuinfektionen seit 10 Tagen praktisch unverändert bei ~18.200/Tag, 7-Tage Inzidenz bei 154,2/100.000. Heute neuer Rekord bei Zahl der Toten (426) und schlimmste Woche überhaupt mit 1956 Todesfällen.
Ein Zoom in den Graphen zeigt, dass je nach Interpolationsmethode der 7-Tage-R-Wert seit 10 Tagen knapp über oder unter 1 liegt, ohne jegliche weitere Tendenz nach unten. Wir scheinen, was die Senkung von R betrifft, den maximalen Effekt der Maßnahmen vom 2.11. erreicht zu haben.
Um R weiter zu senken, bräuchte es neue Maßnahmen. Die am Mittwoch verabschiedeten "Verschärfungen" sind geringfügig, könnten aber mit Glück einen senkenden Einfluss in der Größenordnung von 1-5% auf den R-Wert haben. Mehr dazu unten.
Heute ist ein Tag, an dem wichtige Weichen für die weitere Entwicklung der Covid-Epidemie in Deutschland gestellt werden. Hier ein Bild der bisherigen Entwicklung der Inzidenz bis heute und wie sie sich bei verschiedenen R-Werten entwickeln würde.
Seit über 2 Wochen pendelt der R-Wert nahe um 1. Damit wir bis März unter 50/100k kommen, müsste R im Schnitt unter 0,95 liegen. Um das noch in diesem Jahr zu schaffen, müsste R unter 0,85 liegen. Unter 0,8 wären wir vor Weihnachten so weit. All das läge im Rahmen des Möglichen.
Aber wie wahrscheinlich sind diese Szenarien? Es ist eher unwahrscheinlich, dass R deutlich weiter sinkt, ohne dass sich etwas ändert. Ein harter Lockdown könnte die nötigen 10-20% weniger R bringen, aber das ist offenbar heute nicht geplant.