Corona-Update 11.12.2020: "Alles steigt"
- Höchstwerte bei Neuinfektionen (29.875), blaue Treppe
- Höchstwerte bei Toten (598), schwarze Treppe
- 7-Tage Schnitt ~20.000 Neuinfektionen/Tag
- 7-Tage Schnitt ~400 Tote/Tag.
- 7-Tage-R seit 1 Woche > 1 und steigend, aktuell 1,05-1,1
- Alle Bundesländer wieder über 50 Neuinfektionen/100k
- Sachsen, Thüringen, Bayern, Berlin, Saarland und Baden-Württemberg schlimmer als der Bundesschnitt
- Fast überall steigen die Zahlen, Saarland und Thüringen mit ~40% Zuwachs in den letzten 7 Tagen
(pavelmayer.de/covid/risks:)
- Top 30 mit 9 x Sachsen, 7 x Thüringen, 4 x Bayern, 3 x Brandenburg, 3 x BaWü, 2 x RLP, 1 x Berlin
- 7-Tage-Inzidenzen überwiegen zwischen 300 und 600/100.000 Einwohner
- Spitzenreiter das Bayrische Regen mit 624/100.000
Alle Deutschland-Zahlen sind, was das Abbilden des echten Infektionsgeschens betriftt, im Vergleich zu den Vorwochen eher untertrieben, da weniger getestet wird und es trotzdem mehr positive Tests gibt. Zum Thema Testzahlen schrieb ich gestern das hier:
Als Nachtrag noch die Testzahlen für Berlin, wo im unteren Graph vermutlich zu sehen ist, wie in den letzen Woche die Berliner Labors überfordert waren und Tests wohl vor allem nach München geschickt wurden und viele Leute eine Woche und länger auf ihr Ergebnis warten mussten.
In Berlin bisher kein so starker Anstieg wie im Bund.
- Infektionsmeldungen in Berlin in der letzten Woche schwankten extrem zwischen 355 (Montag) und 1652 (heute)
- 9% mehr Neuinfektionen gegenüber der Vorwoche
- R ~1,04
- Zahl der Toten stagniert auf hohem Niveau
Spandau ist einmal wieder Berliner Corona-Tabellenführer. Leider sind aber diesmal in Spandau in den letzten zwei Wochen so viele Menschen an Corona gestorben wie im ganzen Jahr davor. Die meisten waren über 80 Jahre, nur 1 Verstorbener war unter 60 Jahre alt.
- Inzidenzen in Berlin nach Altersgruppen laufen jetzt im Gleichklang
- Altergruppe 80+ (grün) mit 450/100.000 weiter am stärksten betroffen
- Aktuell kaum mehr Veränderung bei 15-34-Jährigen (grau), die mit 250/100.000 nur leicht über dem Schnitt liegen
Im Survstat survstat.rki.de mit 5-Jahres-Altersgruppen sieht das für Berlin so aus:
- Die 80-plus-Jährigen haben die höchste Inzidenz, 2 x Landesdurchschnitt
- Inzidenz bei 20-30 Jährigen deutlich zurückgegangen
- Die 15-19 Jährigen haben jetzt die zweithöchste Inzidenz
So weit Zahlen und Fakten. Es folgt ein Kommentar.
Wenn man sich in der Politik mit scheinbar unlösbaren Problemen konfrontiert sieht, etwa Arbeitslosigkeit, gibt es den guten alten Trick, die Schuld dafür den Betroffenen in die Schuhe zu schieben. Wer keine Arbeit findet, strengt sich halt nicht genug an. Und wer sich infiziert,
...der hat halt zu viel gefeiert, keine Maske getragen oder sich die Hände nicht gewaschen. Schüler stecken sich natürlich nicht in der Schule, sondern in der Freizeit an. Und die über 80-Jährigen? Die sind dement und/oder lassen sich eh nichts verbieten.
Ihr seht, die Politik ist machtlos, wenn die Leute nicht mitmachen, und kann eigentlich gar nichts dafür, wie sich die Zahlen entwickeln. Die Politik hat nichts falsch gemacht, es ist kalt und bald Winter und da gehen halt Viren um, und wer krank wird, hat nicht aufgepasst.
Gut, ganz so schlimm ist es (noch) nicht, aber Anklänge von "Die sind selbst schuld, weil" waren deutlich zu hören. Mit etwas bösem Willen könnte man den Lockdown light auch verdächtigen, dass damit die Grundlage für das Framing gelegt wird, dass die Kranken selbst schuld sind.
So weit würde ich aber nicht gehen wollen, selbst, wenn die Kanzlerin ständig Eigenverantwortung betont. Als ob es keine Pandemie gäbe. Als ob nicht ein geringer Anteil an Unvorsichtigen die Vorsicht einer Mehrheit weitgehend konterkarieren könnte.
Als ob Schüler nicht bei Androhung von Haft in Infektionsherde namens Schule gezwungen werden, und als ob Eltern sich vor Infektionen durch ihre schulpflichtigen Kinder schützen könnten. Und als ob über 80-Jährige im Heim für Covid-freies Personal und Besucher sorgen könnten.
Ja, selbst wenn es in Schulen nicht zu übermäßig viel Ansteckungen kommen sollte: Wie lebensfremd muss man sein zu glauben, dass man Schüler für Stunden in Klassenräume pferchen kann und die sich dann nicht auch ausserhalb der Schule treffen?
Nach dem, was ich gesehen habe, hängen die älteren Schüler in Pausen, Freistunden oder nach Schluss in Trauben vor der Schule rum, vermutlich mangels anderer Aufenthaltsmöglichkeiten oder weil sie auf dem dem Schulhof von Lehrern genervt werden, wenn sie zu dicht stehen.
Gibt es Schüler oder Lehrer hier, die berichten können, wo etwa Mittel- und Oberstufenschüler ihre Pausen und Freistunden offiziell verbringen sollen und wie das in der Praxis aussieht? Und wie sieht es an Berufsschulen aus?
Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten wollen sich am Sonntag zusammenschalten, und ich rechne damit, dass im wesentlichen der Leopoldina-Vorschlag umgesetzt wird und evtl. einzelne Verschärfungen schon im Laufe der kommenden Woche kommen werden, regional auf jeden Fall.
Leider ist eingetreten, was @timpritlove und ich seit Oktober öffentlich befürchtet und angeprangert haben und wofür keinen Plan gibt: Wenn trotz "Lockdown light" die Zahlen steigen. Wahrscheinlich wird ein harter Lockdown die Zahlen runterbringen, aber auch das ist nicht sicher.
Erstens haben die "light"-Maßnahmen bereits an Wirksamkeit eingebüßt, zweitens kommen Weihnachten und Neujahr, und drittens wird es noch kälter. Bei Minustemperaturen können sich Viren viel länger halten und akkumulieren, und ein Atemzug kann ausreichen, um sich zu infizieren.
Ich hoffe aber, dass wir möglichst schnell einen möglichst harten Lockdown kriegen und die Zahlen so schnell wie möglich nach unten bringen und sie da lassen. So eine Katastrophe wie diesen halbherzigen ewigen "Lockdown light" möchte ich nicht noch einmal erleben.
Tut mir leid, dass ich so wenig Erfreuliches berichten kann. Freue mich auf den nächsten Sommer und habe mit einer Liste begonnen, was ich alles machen möchte, wenn dieser Corona-Albtraum ein Ende findet. Ab Mai oder Juni. Lasst euch nicht runterziehen und bleibt gesund!
Sorry, blaue und schwarze Treppe sind natürlich die 7 Tage-Schnitte, blaue Kreuze sind die absoluten Neuinfektionen an einzelnen Tagen, und die täglichen Toten sind nicht im Diagramm.
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Die neuen Testzahlen verheißen auch nichts Gutes. 3,3% weniger Tests, 6,4% mehr positive Ergebnisse, und 9,4% höhere Positivenquote, gestiegen von 9,29% auf 10,25%. Wieso testen wir eigentlich weniger, wenn die Infektionen steigen?
Wurde nicht immer betont, wie wichtig Testen zur Corona-Bekämpfung ist? Oder zumindest als Grundlage für Entscheidungen? Und hieß es nicht immer, wir würden so viel Testen in Deutschland? Nun, die meisten Länder testen mehr, Dänemark sogar rund 6 mal so viel pro Einwohner.
Haben wir denn wenigstens vorher mehr getestet als die meisten anderen vergleichbaren Länder? Nope. Wir lagen immer im Mittelfeld. ourworldindata.org/coronavirus-da…
Gerade zufällig die RKI-Pressekonferenz gehört und bin wütend. Null Einsicht, dass die Empfehlungen an die Politik zu lasch waren und mit dem Lockdown light eine falsche Strategie gefahren wurde. Null Bewusstsein dafür, dass man beim RKI mitverantwortlich ist für die Toten.
Die Aufzeichnung der RKI-Pressekonferenz kann man hier finden:
Den Vogel hat RKI-Chef Wieler abgeschossen, als er gefragt wurde, ob man nicht besser jetzt sofort harten Lockdown macht, statt bis nach Weihnachten zu warten, und er, statt auf die Frage zu antworten, ins Schwafeln verfiel. Das war erbärmlich.
Um Weihnachten ein großes Familienfest mit 3 oder 4 Generationen Corona-sicher feiern zu können, müssten alle Teilnehmer vorher eine Woche zu Hause in Quarantäne bleiben oder unmittelbar vor dem Fest einen Schnelltest machen.
Wer das nicht sicherstellen kann oder will, sollte Weihnachten auch nur in dem kleinen Kreis von Leuten feiern, mit dem man ohnehin regelmäßig verkehrt.
Man kann auch sagen, dass wenn einem vorher eine Woche zu Hause bleiben oder ein Test zu viel Aufwand ist, ein großes Weihnachtsfest dann vielleicht auch nicht so wichtig ist.
Corona-Update 4.12.2020: Geringer Rückgang der Neuinfektionen, 7-Tage-Schnitt knapp 18.000 Neuinfektionen/Tag, R7 knapp ~0,99, Inzidenz ~153/100.000. Mit 2448 Toten neuer 7-Tages-Rekord.
Deutlich fallende Neuinfektionen in Hamburg, Berlin und Niedersachsen mit R7 ~0,9. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Saarland und Bremen mit deutlichen Anstiegen. Inzidenzen außer in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein deutlich über 50/100.000.
In den Top30 jetzt Sachsen als Bundesland auf Platz 15! Unter den Top 30 auf pavelmayer.de/covid/risks/ finden sich Landkreise aus folgenden Ländern: 10 x Bayern, 9x Sachsen, 3 x Thüringen, 2 x Brandenburg, RLP, S-A und Bawü mit je einem Kreise vertreten.
Corona Update 27.11.2020: 7-Tage-Neuinfektionen seit 10 Tagen praktisch unverändert bei ~18.200/Tag, 7-Tage Inzidenz bei 154,2/100.000. Heute neuer Rekord bei Zahl der Toten (426) und schlimmste Woche überhaupt mit 1956 Todesfällen.
Ein Zoom in den Graphen zeigt, dass je nach Interpolationsmethode der 7-Tage-R-Wert seit 10 Tagen knapp über oder unter 1 liegt, ohne jegliche weitere Tendenz nach unten. Wir scheinen, was die Senkung von R betrifft, den maximalen Effekt der Maßnahmen vom 2.11. erreicht zu haben.
Um R weiter zu senken, bräuchte es neue Maßnahmen. Die am Mittwoch verabschiedeten "Verschärfungen" sind geringfügig, könnten aber mit Glück einen senkenden Einfluss in der Größenordnung von 1-5% auf den R-Wert haben. Mehr dazu unten.
Heute ist ein Tag, an dem wichtige Weichen für die weitere Entwicklung der Covid-Epidemie in Deutschland gestellt werden. Hier ein Bild der bisherigen Entwicklung der Inzidenz bis heute und wie sie sich bei verschiedenen R-Werten entwickeln würde.
Seit über 2 Wochen pendelt der R-Wert nahe um 1. Damit wir bis März unter 50/100k kommen, müsste R im Schnitt unter 0,95 liegen. Um das noch in diesem Jahr zu schaffen, müsste R unter 0,85 liegen. Unter 0,8 wären wir vor Weihnachten so weit. All das läge im Rahmen des Möglichen.
Aber wie wahrscheinlich sind diese Szenarien? Es ist eher unwahrscheinlich, dass R deutlich weiter sinkt, ohne dass sich etwas ändert. Ein harter Lockdown könnte die nötigen 10-20% weniger R bringen, aber das ist offenbar heute nicht geplant.