Interessanter Ansatz, mit Hilfe von Drifterkennung die Auswirkungen von NPIs auf die Ausbreitung von Covid zu quantifzieren: Ergebnis: 1 Tag spätere Schulschliessungen hätten in der 1. Welle bei uns die Gesamtzahl der Corona-Fälle mehr als verdoppelt. publikationen.bibliothek.kit.edu/1000126905
Schulschliessungen eine Woche später hätten die Gesamtzahl der Infektionen vervierfacht. Unklar, wie sich das Aufhalten der Schulen über Wochen im Oktober, November und Dezember genau ausgewirkt hat, aber vermutlich hätten wir über 90% der Toten und Infizierten vermieden.
Der Zusammenhang ist einfach zu verstehen: Lässt man die täglichen Fälle sich in zwei Wochen verdoppeln, sind es nicht nur die zusätzlichen Fälle in diesen zwei Wochen, sondern alle Fälle in der Zeit, bis man auf den Wert runter ist, wo man war, und das kann viel länger dauern.
Wie viel, das hängt auch davon ab, wie stark man Kontakte und Ausbreitung reduziert, und was wir fatalerweise gemacht haben ist, so lasch zu intervenieren, dass die Zahlen nicht einmal gefallen sind.
Mitte Oktober war völlig klar, dass die Zahlen ausser Kontrolle sind, und für "light" war es da bereits zu spät. Hätte man Mitte Oktober konsequent für 4 Wochen alles dicht und dann "light" gemacht, hätten wir seit Mitte Okt. statt 1 Mio. eher 500.000 Neuinfektionen gehabt.
Das ist aber noch nicht die Endabrechnung; jede Woche kommen gerade statt 20.000-30.000 über 150.000 Fälle hinzu, so daß über 100.000 Fälle pro Woche allein auf das Konto der zu späten Maßnahmen und politischer Inkompetenz gehen.
Eine Endabrechnung, wie viel Leid und Tod dieses Zögern verursacht hat, wird erst möglich sein, wenn die Zahlen wieder unter Oktoberniveau gefallen, und das ist derzeit nicht absehbar, aber im besten Fall werden es noch mal 500.000 Neuinfektionen sein.
Die Politik von Ländern und Bund wird also zu mindestens 1 Mio. mehr Infektionen und 10.000-30.000 mehr Toten geführt haben, wenn der härtere Lockdown jetzt erfolgreich sein sollte, wobei nicht sicher ist, ob die Maßnahmen ausreichen, und der Endpreis ist noch nach oben offen.
Mit jedem Tag wird gerade das Versagen der Politik sichtbarer, und aus meiner Sicht gibt es keine Luft, vor März an Lockerungen einschließlich einer Wiedereröffnung der Schulen zu denken, möchte man eventuelle Erfolge des jetzigen Lockdowns nicht in kürzester Zeit verspielen.
Ich kann auch das Lamentieren von einigen Eltern nicht mehr hören, die die Schulen unbedingt aufhaben wollen. Wäre ihnen das ernsthaft wichtig gewesen, hätten sie darauf drängen müssen, dass rechtzeitig was unternommen wird. Jetzt ist es dafür zu spät.
Die grösste Schuld aber trifft weite Teile der Politik, die die Gefahren verharmlost haben, die von offenen Schulen mitten in einer Pandemie ausgeht. Was die Poltik gespielt hat war russisches Roulette mit fünf vollen und einer leeren Patronenkammer.
Und wenn man einen längeren Lockdown light und eine kürzeren, härteren Lockdown kombinieren muss, dann macht man erst den harten Lockdown, um die Zahlen schnell nach unten zu bringen, und kann dann langsam lockern und die Zahlen langsamer weiter sinken lassen.
Wir haben uns entschieden, die Zahlen erst steigen zu lassen und dann so wenig zu tun, dass sie auf einem hohen Niveau verharren, um dann einen teueren, härteren Lockdown folgen zu lassen. Wer nicht begreift, dass das verkehrt ist, hat auf einem Regierungsposten nichts zu suchen.
Hoffen wir, dass die neuen Maßnahmen ausreichen, aber eigentlich hätten sie noch stärker ausfallen müssen, und in einigen Hotspots gibt es bereits härtere Ausgangssperren, und ich fürchte, wir werden vielerorts noch mal nachlegen müssen, Wuhan-Style.
Was nämlich nichts bringt ist, wenn Leute sich nicht an die Maßnahmen halten, aber ohne Ausgehscheine, Personenkontrollen und Straßensperren könnten die bisherigen und auch härtere Maßnahmen nicht ausreichen, weil sie nicht eingehalten werden.
Wir haben auch das Problem, dass die Wirkung der Novembermaßnahmen verpufft ist. Es ist etwa so, wie wenn ein Medikament in zu niedriger Dosis verabreicht wird und sich Organismus und/oder Pathogen sich daran gewöhnt haben und danach selbst eine hohe Dosis kaum mehr wirkt.
Auf der anderen Seite konnte man auch beim Lockdown light sehen, dass die Zahlen sich zu stabilisieren begonnen hatten, bevor die Maßnahmen am 2. November in Kraft traten, was dafür spricht, dass entweder noch andere Kräfte walten oder die Leute vorher schon vorsichtiger wurden.
Die wesentliche Erkenntnis ist, dass die Politik unfähig ist, die Ausbreitung gezielt und moderat zu steuern und offenbar erst agiert, wenn die Intensivstationen voll werden. Wer nach der Kapazität des Gesundheitssystem steuert, wird diese überschreiten. Das ist länger bekannt.
Israel und Tschechien hatten uns rechtzeitig vor Augen geführt, dass wenn die Zahlen steigen, es mit einem Lockdown light nicht getan ist. Beide mussten nachlegen, worauf @timpritlove und ich bereits im Oktober hingewiesen haben, und es war kein geniales Hexerwerk, das zu sehen.
Die Kanzlerin war auch recht früh dran, wobei sie unterschätzt hat, wie schnell die Zahlen steigen können, wenn sie in Bewegung geraten, und auch unsere offiziellen Experten waren eher zurückhaltend mit ihren Warnungen, sie wollten wohl nicht als zu alarmistisch erscheinen.
Auch wenn ich skeptisch bin und befürchte, dass im Januar wieder Lockerungsorgien die Diskussion bestimmen werden, so habe ich die Hoffnung nicht ganz verloren, dass es diesmal besser wird.
Was es dafür braucht ist einfach ein Satz von Regeln und Selbstbindungen, nach denen Lockerungen nur möglich sind, wenn die Zahlen es erlauben und Gebiete mit hoher Inzidenz abgeriegelt werden, und man dafür klare und sinnvolle Vorgaben macht.
Bisher haben sich unsere Regierenden weitgehend gescheut, ein verbindliches Framework zu beschliessen und sich selbst zu binden. Stattdessen werden kurzfristig Ad-Hoc-Maßnahmen beschlossen, ohne dass klar ist, was konkret erreicht werden soll. Das ist, milde gesagt, unklug.
Warum nicht klar ansagen: So lange die Inzidenzen über 20/100.000 Einwohner, wird nichts gelockert. Sinken die Zahlen innerhalb von 14 Tagen nicht, wird verschärft. Dazu gibt es einen abgestuften Maßnahmenkatalog. Jeder kann sich die Zahlen ansehen und weiß, was passieren wird.
Wie viele merke ich, dass meine Geduld arg strapaziert ist und mein Verständnis für die Fehler der Politik, die Anfangs begreiflich waren, mittlerweile gegen Null geht. Tatsächlich hat die Poltik im März sogar besser gearbeitet als zu irgendeinem Zeitpunkt danach. Das tut weh.
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Wird sich wohl etwas hinziehen mit den Impfungen in Berlin. Es war mal die Rede von 20.000 Impfungen pro Tag, aber das ist wohl die Kapazität der Impfzentren. Impfstoff wird im 1. Quartal 2021 eher für 8.000 Dosen pro Tag reichen, also 4.000 Personen. bz-berlin.de/berlin/berlin-…
Es gibt in Berlin rund 170.000 Personen im Alter 80 und darüber, die zu impfen 42 Tage dauern würde, wenn am Anfang bereits die Durchschnittsmenge da wäre, aber die "voraussichtliche" 18.000-Dosen-Lieferung reicht für einen(!) Tag, wenn alle Impfzentren voll loslegen würden.
Unklar ist auch, was "zunächst" bedeutet und wann die nächste Lieferung kommt. "Zunächst" klingt nicht so, als wäre das der Start einer regelmäßigen täglichen oder wöchentlichen Lieferung, sondern "unser" Anteil an den Dosen, die in den letzten Monaten vorproduziert wurden.
Corona-Update 18.12.2020: Alle Zahlen in Deutschland steigen weiter, nunmehr seit 2 Wochen. 7-Tage-Schnitt bei Toten (blaue Treppe, 566/Tag) jetzt über doppelt so hoch wie auf Höhepunkt der 1. Welle, bei Neuinfektionen (~24.000, schwarze Tr.) über 4 x so hoch. 7-Tage-R bei 1,12.
Das bedeutet, dass wir demnächst mehr als 1000 Tote pro Tag beklagen werden. Bemerkenswert ist, dass sich das Plateau bei den Neuinfektionen (Mitte Nov.-Anf.Dez.) nicht in der Zahl der Toten bemerkbar macht. Liegt vermutlich an Demografie und Testregime.
Alle Bundesländer mit steigenden Zahlen und hohen Inzidenzen. Sachsen, Thüringen, Baden-Württemberg, Saarland und Brandenburg schlimmer betroffen als der Bundesdurchschnitt.
Weiss jemand näheres, warum die RKI-NPGEO-API kaputt ist? Und was das Problem ist? Der Downloadlink ist ja ganz nett, aber da kommen die Daten u.a. mit anderen Datumsformaten, und ich habe die API genommen, weil der .csv Download im April kaputt war.
Die Symptome sind wie folgt: Mit der API holt man sich jeweils bis zu 5.000 Datensätze pro Anfrage, bis die knapp 700.000 Datensätze für den aktuellen Tag da sind. Derzeit bricht die API nach 35.000 Datensätzen ab, aber je öfter man es versucht, umso weiter kommt man.
Irgendwann am Nachmittag oder Abend kommt man dann durch. Es sieht so aus, als wenn der Server einen Cache anlegt, aber dafür zu lange braucht, so dass es einen API-Timeout gibt, wenn es einen Cache-miss gibt. Aber wie kann es einen halben Tag dauern, bis der Cache da ist?
In den Hollywood-Versionen von Pandemien gibt es in der Regel keine Lockdowns, alle Länder werden von der Seuche überrannt, die Ordnung bricht zusammen und die Helden suchen nach dem Urstamm des Krankheitserregers, um einen Impfstoff zu entwickeln.
Darüberhinaus sterben die Leute auf furchtbar dramatische Art in aller Öffentlichkeit wie die Fliegen, aber kaum jemand schützt sich effektiv.
Wäre Covid-19 so tödlich wie diese Hollywoodseuchen, die meist Ebola als Vorbild haben und 90-100% der Infizierten sterben, hätten wie keine Diskussion über Bekämpfung light. Wir hätten es erst nie so weit kommen lassen.
Corona-Update 11.12.2020: "Alles steigt"
- Höchstwerte bei Neuinfektionen (29.875), blaue Treppe
- Höchstwerte bei Toten (598), schwarze Treppe
- 7-Tage Schnitt ~20.000 Neuinfektionen/Tag
- 7-Tage Schnitt ~400 Tote/Tag.
- 7-Tage-R seit 1 Woche > 1 und steigend, aktuell 1,05-1,1
- Alle Bundesländer wieder über 50 Neuinfektionen/100k
- Sachsen, Thüringen, Bayern, Berlin, Saarland und Baden-Württemberg schlimmer als der Bundesschnitt
- Fast überall steigen die Zahlen, Saarland und Thüringen mit ~40% Zuwachs in den letzten 7 Tagen
(pavelmayer.de/covid/risks:)
- Top 30 mit 9 x Sachsen, 7 x Thüringen, 4 x Bayern, 3 x Brandenburg, 3 x BaWü, 2 x RLP, 1 x Berlin
- 7-Tage-Inzidenzen überwiegen zwischen 300 und 600/100.000 Einwohner
- Spitzenreiter das Bayrische Regen mit 624/100.000
Die neuen Testzahlen verheißen auch nichts Gutes. 3,3% weniger Tests, 6,4% mehr positive Ergebnisse, und 9,4% höhere Positivenquote, gestiegen von 9,29% auf 10,25%. Wieso testen wir eigentlich weniger, wenn die Infektionen steigen?
Wurde nicht immer betont, wie wichtig Testen zur Corona-Bekämpfung ist? Oder zumindest als Grundlage für Entscheidungen? Und hieß es nicht immer, wir würden so viel Testen in Deutschland? Nun, die meisten Länder testen mehr, Dänemark sogar rund 6 mal so viel pro Einwohner.
Haben wir denn wenigstens vorher mehr getestet als die meisten anderen vergleichbaren Länder? Nope. Wir lagen immer im Mittelfeld. ourworldindata.org/coronavirus-da…