Wieso stehen so viele Leute zu Trump, auch nach seinen gestrigen Verbrechen ? 45% der Anhänger der Republikaner fanden den Putsch ok, darunter 130 von 211 republikanische Abgeordnete und 7 Senatoren. Ja, die Republikaner im Abgeordetenhaus sind zu 2/3 Trumpisten.
Wie kann das sein, dass so Viele nach Allem weiter zu Trump stehen? Was denken insbesondere die Abgeordneten? Wie können sie diesen Angriff auf das Staatswesen, die Demokratie und die Verfassung vor sich selbst verantworten?
Aus den Reden gestern im Kongress höre ich folgende Argumentation heraus: Wir machen das, um das Wahlrecht der Bürger und damit die Verfassung zu schützen, weil republikanischen Wählern ihre Stimme gestohlen wurde und niemand sonst etwas dagegen tut.
Richter und Funktionäre haben das Volk im Stich gelassen, seine Anliegen wurden ignoriert. Wenn wir zulassen, dass ein Präsident durch Wahlbetrug ins Amt kommt, ist unsere Verfassung nichts wert, und die ist uns heilig, und wir sind bereit, Alles zu tun, um das zu verhindern.
Wenn die Demokraten jetzt den ganzen Illegalen Einwanderern und ihren Kindern das Wahlrecht geben, wird es allein deswegen nie wieder einen republikanischen Präsidenten geben wird - von der Fruchtbarkeit der Nichtweißen und den Horden aus dem Süden ganz abgesehen. Wie in Israel.
Dass man keinen Wahlbetrug gefunden hat, zeigt im Übrigen, wie tief die Verschwörung geht, und so lange man nichts findet, hat man nur nicht sorgfältig gesucht, denn es wurde ja betrogen, sonst hätte Trump niemals "verloren". Logisch, oder?
Dass für Trump weniger Stimmen als für Biden abgegeben wurde, ist undenkbar und unmöglich. Wie kann jemand nicht Trump wählen? Damit ist klar, dass die Zahlen falsch sein müssen, und jede Prüfung, die nichts findet, ist irrelevant, denn dass betrogen wurde steht ja fest.
Dazu das Wissen, dass man den Segen und die Dankbarkeit des mächtigsten Mannes im Land hinter sich hat und ihn nicht gegen sich haben möchte und die meisten Abgeordnetenkollegen genauso denken, und das Hirn beginnt mit dem Rationalisieren, um kognitive Dissonanz zu vermeiden.
Natürlich können diese Leute es nicht mit ihrem Selbstbild vereinbaren, dass sie Verfassungsfeinde sind. Sie wollen ja nur das Beste für Amerika und verhindern, dass das Land durch Einwanderung und Sozialismus weiter in den Abgrund gerät, und sie haben Gott auf ihrer Seite.
Ok, Gott eher nicht, aber den Großteil der evangelischen Bischöfe. Katholische Bischöfe nur bedingt, aber insgesamt haben wohl beide Kirchen die Demokraten und Biden massiv dämonisiert und es als Sünde bezeichnet, Biden zu wählen, primär wegen seiner pro-choice-Haltung.
Ein innerlich so polarisiertes, ja zerissenes Land, wird im Kleinen wie im Großen Probleme haben, etwas auf die Reihe zu kriegen, denn Zerstören ist so viel leichter als Aufbauen, so dass eine Minderheit von Zerstörern die Anstrengungen einer Mehrheit leicht zunichte machen kann.
Wie das Land da raus kommt? Schwierig. Ich befürchte sogar, dass das vielleicht unmöglich ist, so wie es beim Fliegen Situationen gibt, wo man aufgrund physikalischer Gegebenheiten einen Crash nicht vermeiden kann, egal, was man tut.
Natürlich will ich das nicht glauben, die USA sind immer für Überraschungen gut, aber meine persönliche Politikerfahrung sagt mir, dass man gegen 30% gewaltbereite Extremisten, die ihre Belästigungsmacht auspielen und alles zu torperdieren versuchen, kein Land gut regieren kann.
Ich befürchte, der Sturm auf den Congress war noch nicht abschreckend genug, denn Trump und seine Anhänger begreifen nicht ansatzweise, was sie da getan haben und wie sehr den USA und sich selbst geschadet haben. Andernfalls hätten sie das im Traum nicht getan.
Covid mit all seinen Folgen, Rassenungleichheit, überfüllte Gefängnisse und ökologische Zerstörung, all das sind Probleme, die nationale Kraftanstrengungen erfordern, aber, wie man beim Thema Masken sieht, leicht politisiert und torpediert werden können.
Als ich vor Jahrzehnten die USA durch berufliche Aufenthalte näher kennengelernt hatte, fiel mir auf, dass viele Amerikaner keine Ahnung haben, was Faschismus ist und die Gefahr auf die leichte Schulter nehmen - so, wie frei sie Faschisten reden und walten lassen.
Ein amerikanischer Hitler hätte es nicht schwer, dachte ich mir, weil die USA bereits rechtslastiger und nationalistischer als Deutschland sind, und sie als Land nicht wirklich die Erfahrung gemacht haben, wie zerstörerisch Faschismus ist.
Hinzu kommt, dass das Amt des Präsidenten, der auch noch Oberbefehlthaber der Streitkräfte ist, weite Befugnisse bei der Besetzung von Posten, Amnestierecht und umfangreiche Notstandsrechte hat. Wie gemacht für einen Hitler - aber das war jetzt noch kein Hitlervergleich.
Manche sagen, Trump ist eher ein Mussolini als ein Hitler, aber das lenkt nur ab. Trump ist ein kulturelles Phänomen, eine Naturgewalt, mit einer ans pathologische grenzenden Persönlichkeitsstruktur, wie man es oft bei Führern findet, die Geschichte nachhaltig beeinflusst haben.
Trump hat immer wieder Sympathie für erklärte Neofaschisten geäußert und sich vielfältiger Techniken aus dem Spielbuch alter und neuer Faschisten bedient. Auch, wenn er nicht so aussieht, so schwimmt und quakt er zumindest wie eine Ente - und schmeckt bestimmt auch so.
Auf der Habenseite steht bei den USA eine demokratische Tradition, Freiheitswillen, ein potentiell dynamisches politisches System, und die schiere Größe, Vielfalt und der Reichtum des Landes und neue Mehrheiten. Damit sollte doch was gehen.
Ein taktischer Vorteil gegenüber Extremisten ist, dass sich diese gern und schnell und heftig zerstreiten, weil sie keine Kompromisskultur haben und nur lose Bündnisse schließen. Oft zerlegen die sich von alleine, wenn man sie lässt.
Ansonsten würde sich als offensives Mittel die gute, alte Zersetzung und Repression anbieten. Mißtrauen unter/in den Gruppen schüren, eigene Verschwörungsideen verbreiten, Schlüsselpersonen kaufen oder einsperren , Schatzmeister einschleusen, Zensur und Propaganda.
Ja, das ist unethisch und dunkle Seite der Macht, gehört aber zum Arsenal von Sicherheitsbehörden. Besser wäre es, moderne, gewaltfreie Deradikalierungstechniken einzusetzen, die im wesentlichen darin bestehen, sich um die Leute zu kümmern und ihnen Frust zu nehmen.
Das skaliert aber nicht, wenn man 1/4 der Bevölkerung deradikalisieren müsste. Mehr Verteilungsgerechtigkeit vielleicht, aber wer will schon politische Ratschläge aus dem Ausland hören. Vielleicht kann man ja demnächst mal wieder hinfahren. Die Leute sind meist echt freundlich.

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