Nicht alles, was die Nazis gemacht haben, war schlecht.
Und bevor Ihr mir jetzt entfolgt, lest bitte etwas weiter. Ich möchte nämlich mal über die Idee der "Volksgesundheit" reden und warum sie trotz einzelner positive Punkte noch heute so gefährlich ist. (1/n)
Schauen wir zuerst einmal auf ein paar Punkte aus der Gesundheitspolitik des dritten Reiches, dann finden wir da tatsächlich ein paar Dinge, die erstaunlich modern und positiv erscheinen.
Da wäre zum Beispiel der Arbeitsschutz, wo 1936 die Staublunge als Berufskrankheit (2/n)
bei Bergarbeitern anerkannt wurde (commons.wikimedia.org/wiki/File:Deut…) und in den Folgejahren zum Beispiel der umgang mit verschiedenen Chemikalien für Jugendliche verboten.
Da ist einiges an Gesundheitsvorsorge, gerade in der Krebsprävention - bekannt bis heute die Kampagnen (3/n)
gegen das Rauchen, aber auch die Förderung von Sport.
Da ist sogar das Heilpraktikergesetz von 1939 zu nennen, das der ungezügelten Quacksalberei entgegenwirken sollte (de.wikipedia.org/wiki/Heilprakt…).
Nicht nur erscheint vieles davon progressiv und sozial, es erklärt sicher auch (4/n)
einen Teil der Zustimmung zu den Nationalsozialisten, die sich hierbei als "Macher" beim Schutz der Menschen vor Krankheit präsentieren konnten.
Aber bei genauerem Hinsehen bröckelt das Bild sehr schnell. Wo das Heilpraktikergesetz Quacksalberei einschränkt, fördern (5/n)
die Nazis als genuin deutsch wahrgenommene pseudomedizin wie die Homöopathie und anthroposophische Medizin. Und schon hier zeigt sich, dass es eben in erster Linie um Ideologie geht.
Hinter der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik steht nämlich gerade nicht die Idee (6/n)
für alle eine bestmögliche Gesundheitsfürsorge zu ermöglichen, sondern die Idee einen deutschen "Volkskörper" zu stärken - ideologisch, wirtschaftlich und eben auch körperlich.
Stark ist dieser Volkskörper in der sozialdarwinistischen Vorstellungswelt der Nazis dann, (7/n)
wenn er gegen andere Volkskörper bestehen kann. Und dazu muss er aus Sicht der Nazis vor allem drei Dinge erfüllen:
* Leistungsfähig sein
* Wachsen
* Rein sein
Wo die Förderung der Gesundheit diese Ziele unterstützt, ist sie im Interesse des 3. Reichs. Wo das nicht der Fall (8/n)
ist, beginnt die Unmenschlichkeit. Denn genauso wie die Förderung dem Volkskörper zugehöriger, arbeits-, wehr- und fortpflanzungsfähiger Menschen diese Ideale unterstützt, tut dies auch die Benachteiligung aller anderen, bis hin zur Vernichtung! Das trifft alle Feinde (9/n)
dieses Volkskörpers, ob sie nun aktiv gegen den "Kopf" des Volkes in Form der Partei und ihres Führers agieren oder nur einfach da sind und so die Reinheit des "Volkskörpers" mindern.
Und so gehört für die Nazis die Vernichtung von Juden, Sinti und Roma, von Behinderten, (10/n)
Homosexuellen und von Andersdenkenden genauso zu einer Politk, die die "Volksgesundheit" stärkt, wie der Mutterschutz.
Und diese Idee, eines "Volkskörpers", den es gesund zu halten gilt, dessen Gesundheit aber durch die reine Existenz macher Menschen schon beeinträchtigt (11/n)
wird, ist schwer aus manchen Köpfen zu bekommen.
Offensichtlich ist das bei heutigen Nazis, ob sie Flüchtlinge und Mischehen als Bedrohung unserer "Volks" sehen, oder "linksgrüne" Ideen ausmerzen wollen.
Aber auch im kleineren finden wir immer wieder Anklänge, so zum (12/n)
Beispiel, wenn der Satz "an Corona sterben ja nur Alte und Vorerkrankte" andeutet, das wäre ja gar nicht schlimm oder sogar natürlich und langfristig positiv. Die Idee klingt auch manchmal an, wenn abstrakte Ideale wie "Die Wirtschaft" unverhältnismäßig über Menschenleben (13/n)
gestellt werden.
Kein Wunder also, dass gerade von weit rechts gegen die Coronamaßnahmen gewettert wird, im gleichen Atemzug wie Rassismus und Sexismus grassieren, denn der gesunde "Volkskörper" stößt eben seine Schwachen ab, lässt keine Fremden hinzu und nutzt seine Frauen(14/n)
zur Fortpflanzung.
Die Idee, zu so einem gesunden Volkskörper zu gehören, ein echter Teil von so etwas starkem zu sein ist für viele - vielleicht für uns alle - attraktiv und vielleicht in den allerersten Ansätzen noch wenig schädlich, aber im Extrem muss er in einer (15/n)
rücksichtslosen verachtung für alle anderen münden. Oft sogar bis zu dem Punkt, wo Tote in den eigenen Reihen akzeptiert werden, denn selbst die stärken ja den Stärkeren Rest.
Und doch gibt es auch eine andere Seite.
Denn wenn wir nicht ein rassistisch definiertes Volk (16/n)
zur Gesundheit führen wollen, sondern eine Bevölkerung als ganzes in der Gesundheit aller Menschen fördern wollen, dann kommen wir an einzelnen Punkten zu ähnlichen Maßnahmen der Vorbeugung und Behandlung.
Und hier gilt es eben, ganz scharf zwischen Intention und Schluss (17/n)
zu differenzieren und genau zu hinterfragen. Wir dürfen nicht in die Falle tappen, soziales als nationalsoziales fehlzuinterpretieren, was ja auch ein beliebtes Mittel Neurechter ist, um gegen Sozialpolitik zu wettern, gerade aus den USA kennt man ja die Ablehnung (18/n)
solidarischer Gesundheitssysteme, die als "socialism" verschrien sind und tatsächlich oft genug als "something the Nazis did" bezeichnet werden.
Wir sollten, um zu differenzieren also immer fragen: Was ist tatsächlich das Ziel unserer Maßnahmen: Ein abstraktes, absurdes (19/n)
Ideal eines "Volkskörpers" oder die bestmögliche Versorgung der größtmöglichen Zahl an Menschen?
Eine Impfkampagne mag beidem nützen, dass Nazis sie gut fänden, spricht aber eben nicht gegen sie.
Die Triage bei zu wenigen Möglichkeiten im Krankenhaus ist unumgänglich und (20/n)
wenn Alter und Vorerkrankungen hier eine Rolle spielen, wird es ethisch heikel, aber solange individuelle Entscheidungen getroffen werden, um die Lebensrettung im Einzelfall zu maximieren ist das etwas anderes, als wenn wir gewisse Gruppen von vornherein ausschließen. (21/n)
Es sind zuweilen schmale Pfade, die hier zu gehen sind.
Aber es gibt tatsächlich eine Entscheidungshilfe, die uns helfen kann, auf der Seite zu stehen, die wirklich die Interessen aller vertritt und nicht nur unserer Gruppe.
Das ist der "Schleier des Nichtwissens" (22/n)
Diese idee besagt, dass man Massnahmen bewerten sollte, ohne zu wissen, ob sie auf einen selbst zutreffen würden (de.wikipedia.org/wiki/Schleier_…). Klingt einfach, ist es in der Praxis nicht, aber bei ganz vielen Fragen, wird mit dieser Idee sehr schnell klar, wo wir nur die (23/n)
eigenen Interessen - oder die der Gruppe(n), denen wir uns zugehörig fühlen - vor Augen haben und wo nicht.
Die Gesundheitspolitik der Nationalsozialisten würde diese Prüfung als ganze niemals bestehen, auch wenn einzelne Massnahmen das täten. Unsere heutige Gesundheits- (24/n)
politik sollte versuchen, es so oft wie möglich zu tun, auch wenn es nicht immer gelingt.
Denn am Ende profitieren wir alle davon, Teil einer solidarischen Bevölkerung zu sein und nicht Zahnrad in einem "Volkskörper" - spätestens dann, wenn irgend jemand anderes uns (25/n)
als unnützes Teil sieht oder unsere ersten Rostspuren entdeckt.
Deshalb #NazisRaus aus unseren Köpfen und Denkweisen, aber die paar guten Ideen, die selbst ihr hattet, bleiben hier! Wir schauen sie nur vorher genau an.
Mäuschen out. (26/26)
Und wer nochmal praktisch üben will am Beispiel Impfstrategie...
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Ich hatte überlegt, dazu was zu schreiben, Lars Fischer ist mir da zuvorgekommen und hat zu 90% das geschrieben, was ich auch geschrieben hätte.
Ein paar kleine Punkte, die ich mir noch überlegt hatte als kleine Ergänzungen: (1/n)
"Schwache Immunität" kann auch heissen, dass das Virus eine größere Chance hat, sich so zu vermehren, dass Infizierte infektiös werden, hier würde also eventuell der Selbstschutz weniger torpediert als der Schutz vor Verbreitung. (2/n)
Es geht also nicht um die eine optimale Strategie, sondern darum, mehrere Ziele gegeneinander abzuwägen:
* Schutz des Einzelnen vor schweren Verläufen
* Schutz der "Masse" vor schweren Verläufen
* Schutz der "Masse" vor weiterer Verbreitung
* Schutz des Gesundheitssystems
(3/n)
Einer der fatalsten Denkfehler der Menschen allgemein und im Zusammenhang mit Corona insbesondere ist ja, dass wir alle (!) die Verantwortung für aktive Handlungen als unverhältnismässig höher werten, als die für passive (unterlassene) Handlungen. (1/n)
Bekanntestes philosphisches Beispiel ist das Trolley-Problem (de.wikipedia.org/wiki/Trolley-P…) bei dem ein Wagen auf ein Gleis mit fünf Menschen zurast und gefragt wird, ob es ethisch sei, eine Weiche so umzustellen, dass er nur noch auf eine Person zurast. Rein rational (2/n)
sollte uns die Antwort leicht fallen, emotional würden die meisten von uns sich wohl vor allem schwer tun, eine Entscheidung zu treffen, bevor es zu spät ist.
In der Realität sieht es bei solchen Problemen natürlich noch einmal viel komplizierter aus, denn wir haben (3/n)
Okay, ihr wolltet, dass ich über positives in 2020 schreibe.
Gut! Legen wir los. Auch wenn die düstere Brille oft cool wirkt, wird sie doch auch zu leicht zur Rechtfertigung, wir könnten ja sowieso nichts machen. Also packen wir mal die rosarote aus und schauen mal in (1/n)
anderer Perspektive auf das Jahr zurück, okay?
Das erste, und ganz große ist für mich, dass wir alle 2020 enorm viel gelernt haben. Über die Aufmerksamkeit, die Wissenschaft genossen hat, zu ganz konkreten Hygieneregeln und nicht zuletzt in Sachen Digitalisierung. (2/n)
Auch wenn vieles davon nicht freiwillig war, wir haben fast alle neues Wissen und neue Fertigkeiten mitgenommen auf die wir Stolz sein dürfen.
Und auch wenn technisch in Sachen digitales "Neuland" noch viel zu tun ist, in den Köpfen ist es seit 2020 präsenter als je zuvor: (3/n)
Oookay, weil die Verschwörungstheoretiker uns das Bild so gerne madig machen wollen, aber halt auch immer nur einen halben Schritt weit denken, dann auf die Nase fallen und jemanden suchen, dem sie dafür die Schuld geben können, schauen wir mal genau hin:
Komische Ausweise mit Nummern drauf?
Ja, haben Besuchende im Pflegeheim, individualisierte Ausweise bekommt man da, wo man dauerhaft arbeitet, Besucherausweise da, wo man nur kurz ist, z.B. um das Haus durchzuimpfen.
➡️ Kein Hinweis auf irgendeine Verschwörung
Ein Schild "Theatergarderobe in einem Pflegeheim?
Ja, wenn das Pflegeheim eine Theatergruppe hat (theater.hennebergbuehne.de), dann nutzt man natürlich die Stellwände, um die Impfstation aufzubauen...
➡️Kein Hinweis für irgendeine Verschwörung
Wir könnten einmal wieder auf die Zahl der freien Intensivbetten schauen, wie das die #Quarkdenker gerne machen. Aber genau wie denen würden den meisten von uns die Zahlen kein wirklich sinnvolles Bild geben.
Warum?
Naja, das fängt damit an, dass in einem Krankenhaus ein (1/n)
Bett nicht einfach ein Bett ist. Je nach PatientIn und Erkrankung stehen an diesem Bett ganz verschiedene Geräte, müssen verschiedene Medikamente verabreicht werden und muss ganz unterschiedlich viel Zeit und Expertise durch das Personal aufgebracht werden. (2/n)
Schon bei "normalen" Betten kann eine für Laien verwirrende Menge an Monitoren und Infusionströpfen neben einem solchen Bett stehen und je nach Infektiösität des Menschen im Bett können verschiedene Massnahmen nötig sein, so dass auch manche Räume nicht voll belegt (3/n)
Es sieht so aus, als ginge es tatsächlich sehr bald mit den Impfungen los.
Das ist toll, aber es wird auch zu neuen Diskussionen, Irrtümern und Irreführungen führen. Viele davon sind vorhersagbar, also schauen wir ein paar doch gleich mal an, okay? (1/n)
Der Plan sieht vor, zuerst die Risikogruppen zu impfen, am Anfang Ältere Menschen und medizinisches Personal. Warum?
Weil diese Menschen das größte Risiko für schwere Verläufe haben und wir diese durch die Impfungen verlässlich verhindern können. (2/n) rki.de/DE/Content/Inf…
Das kann im besten Fall schon ziemlich bald viele Tote verhindern helfen und die Krankenhäuser doppelt entlasten, da sowohl die schweren Fälle abnehmen, als auch das Personal geschützt wird.
Da die Risikogruppen und medizinisches Personal aber (wahrscheinlich) keinen sehr (3/n)