Umwandlung von Nichtwohngebäuden in Wohnraum –
ein Lösungsansatz?

#Thread

@mieterbund @ImmoZeitung @MFabricius @hausundgrund_de

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Einerseits:

Grundsätzlich ist die Umwandlung von Nichtwohngebäuden in Wohnraum ein geeignetes Instrument, um sowohl fehlende Qualitäten als auch quantitative Engpässe zu beseitigen.

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Außerdem können durch Umwandlungen städtebauliche Missstände beseitigt oder ganze Stadtquartiere aufgewertet werden (externe Effekte).

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Erfolgreich ist Umwandlung v.a. in gewachsenen Wohnquartieren. Bürostandorte in monostrukturierten Gebieten eignen sich weniger, Stadtrandlagen erfordern Alleinstellungsmerkmale (Wasserlage).

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Andererseits:

Es ist noch völlig offen, ob künftig überhaupt viele Büroflächen langfristig leer fallen werden.

Das soll hier aber nicht diskutiert werden.

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Die meisten der in Umwandlungsprojekten errichteten Wohnungen sind nur im gehobenen Marktsegment rentabel zu realisieren.

Das wird im Folgenden begründet.

(Sehr ähnliche Argumente begründen auch die hohen #Neubaumieten für 08/15-Wohnungen hierzulande)

/6
▶️Bauplanerische Aspekte
Umnutzungen in Gewerbe-/Industriegebieten sind mit größeren Hemmnissen verbunden, da Wohnnutzung dort i.d.R. unzulässig ist und deswegen Bebauungspläne neu aufgestellt werden müssen. Das kann sehr lange dauern, wodurch die Vorlaufkosten steigen.

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▶️Brandschutz
Häufig entsprechen die bei den ursprünglichen Gebäuden verwendeten Materialien nicht mehr den heutigen Normen zum Feuerwiderstand (z.B. Holzdecken in Altbauten) und müssen daher im Zuge der Umnutzung durch aufwendige Schutzmaßnahmen ertüchtigt werden.

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Größere Projekte erfordern sogar die neue Planung von Brandabschnitten und Rettungswegesystemen.

Sind Gebäudeteile nicht mit einem Feuerwehrfahrzeug anfahrbar, muss ein zweiter Rettungsweg über eine aufwändige Außentreppe sichergestellt werden.

/9
▶️Schallschutz
Auch die Reduzierung von Schallübertragung bei neuen Grundrisszuschnitten machen Umwandlungen teuer.

Neue Wohnnutzungen an verkehrsbelasteten Standorten (z.B. Bürogebäude an Hauptstraße) erfordern besonders aufwendige Schutzverglasungen.

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▶️Denkmalschutz
Brand- und Schallschutz bei Altbauten kommen schnell in Konflikt mit dem Denkmalschutz, wenn vorhandene und aus Denkmalschutzgründen zu erhaltende Bauteile verkleidet werden müssen.
(Zuweilen lehnt der Denkmalschutz auch den Anbau von Balkonen ab.)

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▶️Abstandsflächen
Umwandlungen führen häufig zu Überschreitung zulässiger Abstandsflächen (Balkone anbauen oder zusätzliche Geschosse).

(Bei privatrechtlicher Einigung mit Eigentümer betroffener Nachbargrundstücke kann ein späterer Käufer erneut klagen.)

/11
▶️Barrierefreiheit
Barrierefreiheit scheitert z.B. wenn ein bodengleicher Ausgang zum Balkon nicht möglich ist. Die Notwendigkeit für einen barrierefreien oder -armen Umbau wird aber oft zur Pflicht, z.B. wenn Wohnraumfördermittel in Anspruch genommen werden.

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▶️Stellplätze
Deren Schaffung kann problematisch sein, wenn viele kleine Wohnungen realisiert werden (Studentenapartments). Problematisch auch bei kleinen oder in sehr hohem Maße ausgenutzten Grundstücken. Hier sind teure Lösungen erforderlich (Tiefgarage/Ablösezahlung).

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▶️Energetische Aspekte
Umwandlungen unterliegen der EnEV. Altbaufassaden werden aus Kostengründen selten gedämmt, Innendämmung reduziert Wohnfläche und erfordert spezifisches Wissen über das Zusammenspiel von Dämmmaterial und Bausubstanz (Schimmelbildung).

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▶️Betriebswirtschaftl. Aspekte
Umwandlung hat oft geringere Flächeneffizienz als Neubau, ist pro qm Wohnfläche teurer.
Neben Umbaukosten ist Kaufpreis wesentlicher Parameter. Überzogene Kaufpreisforderungen auf Verkäuferseite v.a. bei Umwandlungssubventionen wahrscheinlich.

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1⃣Sachliches Fazit

▶️Finanzielle Aufwendungen bei Umwandlung oft höher als bei vergleichbaren Neubauprojekten.

▶️Aus Investorensicht sind höhere Herstellungskosten kein Hemmnis, sofern ausreichende Erträge erwirtschaftet werden können.

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▶️Ergo: Umwandlung schafft Wohnraum,
aber (eher) im gehobenen Segment.

▶️Wenn man auf den #Sickereffekt vertraut – kein Problem.

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2⃣"Polemisches" Zusatzfazit

Die einen lamentieren über
#Spekulation und #Wuchermieten.

Die anderen verstehen das Zusammenspiel von
#Planungsrecht und #Bautechnik
sowie deren Auswirkungen auf
betriebswirtschaftlich rentable #Mieten.

/end

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29 Jan 20
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