Trumps Amtsenthebung II: Auch dieses Mal wird der abgewählte Präsident nicht seines Amtes enthoben, so wie genau vor einem Jahr. Und zwar schon heute. Aber was ist da heute passiert?

1) Offene Fragen: Immer mehr Details zur Kommunikation zwischen Trump & im Kapitol befindlichen
RepublikanerInnen während des Kapitol-Sturms werden bekannt. So soll Trump in einem Telefonat mit engen Verbündeten die Bitte aktiv verneint haben, den Mob über Social Media zurückzupfeifen - "die Leute sind offenbar wütender als ihr über das, was da passiert ist", soll er laut
einer Republikanerin gesagt worden, der vom Anruf erzählt wurde. Und in den heutigen späten Nachmittagsstunden sind Gerüchte über weitere Kommunikation zwischen Trump und im Kapitol befindlichen RepublikanerInnen laut geworden. Das alles genau nachzuforschen, war auch der Plan
der demokratischen AnklägerInnen aus dem RepräsentantInnenhaus, die dafür für viele überraschend eine kurzfristige Abstimmung anberaumten und die ebenso überraschend deutlich mit 55:45 gewannen.

2) Der Deal: Dann muss es zwischen demokratischer und republikanischer Führung des
Senats zu einem Deal gekommen sein, der viele Trump-GegnerInnen erzürnt: Anstatt ZeugInnen vorzuladen und damit den Prozess gegen Trump zu intensivieren und zu verlängern, wurde vereinbart, die mediale Aussage der Republikanerin über das Telefonat einfach zu Protokoll zu nehmen
und auf die Anhörung von ZeugInnen zu verzichten. Ein längeres Verfahren inklusive Anhörungen hätte ziemlich sicher nichts daran geändert, dass die notwendige 2/3-Mehrheit für Trumps Verurteilung nicht zustande gekommen wäre. Aber sie hätte es für die RepublikanerInnen politisch
teurer gemacht, gegen Trumps Amtsenthebung zu stimmen.

3) Das Kalkül: Die RepublikanerInnen dürften damit gedroht haben, den Senat für alle anderen Dinge, die Joe Biden auf der Agenda hat zu blockieren, so lange das Trump-Verfahren nicht abgschlossen ist. Das hieße für die Dems
, dass sie bei jeder einzelnen Abstimmung ihre 50 Senats-Stimmen beinander und die Vizepräsidentin immer anwesend bräuchten, um nicht von Anfang an von den RepublikanerInnen blockiert zu werden. Da hat sich die demokratische Führung, sicher in Rücksprache mit der Biden-Regierung,
gegen eine Fortführung des Verfahrens entschieden.

4) Wie geht's weiter? Trumps Amtsenthebung wird mit nur 53-55 der notwendigen 67 Stimmen nicht beschlossen. Und bei den DemokratInnen startet jetzt eine mit Sicherheit heftige Debatte, ob man Trump zu leicht davon kommen hat
lassen und ob nicht ein zu konstruktiver Kurs gegenüber der republikanischen Führung erst wieder dazu führt, dass Republikanerfraktionschef McConnell und Co die demokratische Führung an der Nase herum führen werden. Spannend. Und unheimlich, dass Trump so billig davonkommt. Jetzt
können ihn nur mehr Gerichtsurteile von einer Wiederkandidatur 2024 abhalten.
Update: Es sind doch 7 RepublikanerInnen für Trumps Amtsenthebung und nicht nur 3-5. Nominell ist das egal. Für die Richtung der Debatte wird das aber einen Unterschied machen. Das sagt der letzte dazugekommene Senator, der Republikaner Richard Burr aus North Carolina.
Welche RepublikanerInnen haben für die Republik gestimmt?

3 gerade wieder gewählte, die erst 2026 zum nächsten Mal zur Wahl stehen (Sasse, Cassidy, Collins).

2, die 2022 nicht wieder antreten (Toomey, Burr)

die einzigen beiden "Moderaten" bei den Reps (Murkowski, Romney)

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