Ich hab die Hölle gesehen, die durch Menschenhand hervorgerufen wurde.Eine Hölle in der ein Nachbar seinen Nachbar tötet,weil er seine Familie vor dem Hungertod retten will. Ich hab gesehen,wozu Menschen imstande sind, wenn sie keinen Ausweg mehr sehen. Ich wünsche das niemandem.
Während einer der größten Hungersnöte in Srebrenica, ist meine Mutter mit einigen Nachbarn aus dem Dorf plündern gegangen. Ich kann mich noch gut an diesen Abend erinnern. Sie hat uns geküsst und gedrückt, als ob sie uns nie wieder sehen würde. Es war Winter.
Sie ging in die Nacht um Essen zu suchen. Sie sind in ein verlassenes Nachbardorf gegangen. Die Häuser waren alle verlassen und in guten Zustand. Leider war kein Essen zu finden. Einer der Männer hat gehört, dass die NATO in der nähe Hilfspakete abgeworfen hatte.
Auf einem freien Feld stand eine Palette mit Hilfsgütern. Natürlich wollte sich jeder was nehmen. Aufeinmal zog einer der Männer seine eine Waffe. Er fing an zu drohen. Jeder wird getötet der sich der Palette nähert. Ein Mann hat ihm nicht geglaubt und griff nach einem Paket.
Ein Schuss fiel. Der Mann lag mit Paket in der Hand tot am Boden. Meine Mutter kehrte ohne Essen nach Hause, dafür aber mit ihrem Leben. Als es wärmer wurde, verließen wir unser Dorf öfters und gingen nach Srebrenica um dort mach Nahrung zu suchen.
Wir mussetn aber zuerst eine bleibe finden. Die Stadt war überfüllt, nachdem sie zu Schutzzone erklärt wurde. Menschen schliefen mit ihren Habseligkeiten auf der Strasse. Es stank überall nach Fekalien und Urin. Die Gebäude waren großteils zerstört.
Die Menschen bettelten auf der Strasse, um etwas zu essen. Sie waren fast alle krank. Fast jeder hatte die Ketze, uns inkludiert. Wunden wollten nicht heilen. Mir fielen die Fingernägel ab.
Wir haben dann unterschlupf in einem demolierten Gebäude gesucht. Wurden aber vertrieben.
Später haben wir verucht mit meiner Tante, ihren Kindern, meiner Oma und meinem Onkel irgendwo eine Bleibe zu finden. Wir fanden dann im Zentrum von Srebrenica ein Gebäude, wo wir ein zimmer beziehen konnten. Die Fenster und die Tür fehlte. Es stank dazu widerlich.
Wir blieben trotzdem für einpaar Tage. An einem dieser Tage gab es eine große Kleiderspendenlieferung im Zentrum der Stadt. Meine Mutter ging raus um uns einpaar Sachen zu schnappen. Die Kleidung wurde in einem verlassenen Bekleidungsgeschäft abgeladen.
Die Menschen sind reingestürmt und haben alles auseinander genommen. Sie haben sich die Kleidgsstücke förmlich aus den Händen gerissen. Meine Mutter wurde die Stufen runter gestoßen und hat ihre eigenen Schuhe verloren. Sie wäre beinahe zu Tode getrammpelt worden.
Sie kam wieder mit leeren Händen zurück.Kurz darauf wurden wir auch aus dieser Bleibe vertrieben,weil wir keine Möglichkeit hatten uns zu wehren.Meine Tante hat dann ein Zimmer in einem verlassenen Hotel gefunden.Wir haben uns das Zimmer mit der Schwägerin meiner Tante geteilt.
Hier bestand auch immer die Gefahr, dass man uns vertreibt. Meisten haben uns die Ehemänner von anderen Familien vertrieben. Wir waren denen Körperlich unterlegen. Jeder schaute nur auf sich und seine Familie. Es herrschte das Recht des Stärkeren. Wir waren zu schwach.
Wir waren mehr als 10 Personen auf ca. 20m². Geschlafen haben wir wie in einer Sardinienbüchse. Auf die Toilette gehn in der Nacht war immer ein Abenteuer. Man konnte nicht vermeiden auf jemanden zu treten. Wir hatten keinen Strom und kein fließendes Wasser.
Das WC war der erste unbewohnte raum, den du finden konntest. Man konnte sich nirgends wirklich waschen und sowas wie Seife gab es kaum.
Meine Mutter, Bruder und ich sind nach einiger Zeit wieder in unser Dorf zurück, als die Gefächte sich etwas gelegt haben.
Sobald aber die Gefächte wieder los gingen, sind wir wieder nach Srebrenica geflohen. So haben wir die meiste Zeit des Krieges verbracht. Wenn Schüsse fielen, Schuhe in die Hand und laufen. Wir kannten den Weg auswendig, auch ohne meine Mutter. Für sie war das sehr wichtig.
Wir sollten nie nach ihr schauen oder suchen, sondern einfach laufen so schnell wie möglich. Bis wir aus der Schusslinie waren.
Da gab es immer einen Treffpunkt, wo wir gewartet haben. Danach ging es 3 Stunden lang zu Fuß über steinige Hügel nach Srebrenica.
Wenn ich mich so zurück erinnere, kann ich manchmal nicht glauben, was Menschen alles durchmachen müssen und wieviel die menschliche Psyche ertragen kann.
Deswegen setze ich mich so sehr für Flüchtlinge ein. Ich weiß wie es ihnen geht. Ihre Geschichte, ist meine Geschichte.
Ich will nicht in einem Europa leben, wo Flüchtlinge unter den gleichen unmenschlichen Bedingungen leben müssen, wie wir während eines Krieges. Das muss ein Ende haben. #KaraTepe

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8 Jan
TW: Genozid

Der 09.01 ist jedes Jahr eine Reminder an alle Genozidüberlebenden, dass eine Entität auf Völkermord, Konzentrationslagern, Vertreibung und Vergewaltigung aufgebaut werden darf. Der 09.01 ist der Gründungstag der Republika Srpska (RS) in Bosnien.
Jedes Jahr zelebrieren serbische Faschisten an diesem Tag den Völkermord an unseren Familien und Freunden. Besingen die Verbrecher. Meine Familienmitglieder, die nach Srebrenica und Umgebung zurückgekehrt sind, werden heute noch mit dem Tode bedroht. Weil sie überlebt haben.
In der RS wird der Völkermord an den Bosniaken verschwiegen. Menschen wurden in Konzentrationslagern gefoltert und getötet. Die Kinder lernen nichts darüber in den Schulen. Verbrecher wie Karadzic u. Mladic werden von den bosnischen Serben als Volkshelden gefeiert.
Read 11 tweets
13 Nov 20
Ich erzähl euch heute als kleine Ablenkung etwas über Weihnachten bei mir in Bosnien vor und während des Krieges. Ich konnte mich vor kurzem wieder an einpaar Sachen erinnern, die mich zu Tränen bewegt haben.
Ich bin Muslimin und viele werden sich wundern, wieso ich Weihnachten feiere. Bei uns wird sowas wie Weihnachten am 31. Dezember gefeiert. Es wird ein Baum geschmückt und es gibt Geschenk. Aber nur für Kinder. Es ist kein religiöses Fest. Es ist mehr ein Brauch.
Wir haben Weihnachten eher als ein Kinderfest gefeiert. Sobald man älter wurde, haben wir es nicht mehr gefeiert. Es ist über ganz Ex-Jugoslawien bis heute weit verbreitet. Unabhängig welcher Religion man angehört.
Read 17 tweets
7 Sep 20
Als wir im August 1995 aus Srebrenica nach Österreich kamen, war ich 7 Jahre alt mein Bruder 6. Wir wurden gleich eingeschult. Meine Mutter sprach kein Wort Deutsch. Mein Vater nur gebrochen. Wir kamen als zwei kriegstraumtisierte Kinder in die 1. Klasse Volksschule.
Meine Eltern haben mit allen Mitteln versucht, dass mein Bruder und ich zur Nachmittagsbetreung kommen um Deutsch zu lernen und Hausaufhaben zu machen. Wurde nicht erlaubt, weil meine Mama arbeitetslos war.
Meine Mama hat nur die Pflichtschule abgeschlossen mein Papa kam mit Matura nach Österreich. Beide hatten keine Ahnung von österreichischem Schulsystem. Wir hatten größere Probleme. Vor allem Geld für Essen, Miete und für die Verlängerung des Visums. Arbeit zu finden war schwer.
Read 16 tweets
24 Jun 20
Many people have been asking me how I found the courage to share my story. I am not courageous in any way. I had to heal a little before I could talk about this event. Trauma is very personal. I did not even know that I was traumatized. I just could NOT talk about the war.
Writing everthing down helps me a lot. As a child I had no one to talk to about my experiences in Srebrenica. I was 7 years old when we arrived in Vienna in August 1995. In september I started grade school. My parents, my brother and I had to get used to living together again.
My father was mostly a stranger to us. We knew him only from photographs. My mother, like me, was severely traumatized. In Austria we had to live like nothing ever happend. We were still afraid. Afraid that the Austrian government would send us back to Srebrenica.
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18 Jun 20
This photo was taken a year before the genocid in Srebrenica happend.I was 6 years old in this photo. An UNPROFOR soldier took it. He was later on dismissed from his position because he got to close to the people in our village. Mother and me in our village Blječeva. Photo taken by a UNP
The hills behind our backs is where the enemy troops were. We were in constant danger. The clothes I'm wearing are flicked together from old clothes that were too small. My shoes are made with belts that UNPROFOR used to tight their carriages. This photo was sent to my father.
He was separated from us at the beginning oft the war 1992. He fled to Austria and we hardly had any contact with him because of the circumstances. We didn't see him for 3 years. He never knew if he would ever see us alive again.
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