Die deutsche Regierung beschäftigt sich derzeit gefühlt weniger mit Politik, als vielmehr mit Haftungsausschluss für sich selbst.
Ich bin so wütend.
So wütend darauf, dass im Sommer nicht konsequent eingedämmt wurde.
Dass es keine Schnellteststrategie gab, BEVOR die Schnelltests verfügbar waren.
Dass unverimpfter Stoff rumlag, während die Impfzentren früh Feierabend machten.
...
Dass in erster Linie AM IMPFSTOFF GESPART WURDE.
Dass die Kommunikation des Impfstopps jetzt so beschissen ist, dass kaum jemand die Entscheidung nachvollziehen kann.
Seit einem Jahr ist die Mehrheit von uns geduldig, unterstützt alles, hofft und kooperiert. Währenddessen ist das politische Handeln geprägt von Korruptionsskandalen, unerklärlichen Entscheidungen und immer wieder Nichthandeln, um sich nicht anklagbar zu machen.
Ich bin ja jemand, der immer konstruktive Lösungen sucht. Der immer schaut "Wie können wir als Zivilgesellschaft uns einbringen?" Ich bin ehrlich gesagt gerade überfragt. Da stirbt gerade so viel Vertrauen, das aufzubauen ich mir den Arsch abarbeite.
Eltern stellen sich jetzt folgende Fragen: "Es ist dritte Welle. Wann wird die Schule schließen? Und wenn sie gar nicht schließt - schicke ich mein Kind dann hin und warte einfach, bis wir uns anstecken? Oder überfrachte ich mich mit Arbeit und Betreuung und riskiere Klage?"
Es sind alle dünnhäutig. Es ist für alle schwer. Aber man kann Dinge kommunizieren. Man kann Hoffnung geben. Nicht falsche, sondern realistische Aussichten geben. Sinnvolle Maßnahmen. Hilfe. Man kann Solidarität anregen.
Es geschieht nichts. Bei allen Beteiligten Akteuren, besonders bei den staatlichen, höre ich nur eine Frage. Es ist nicht: "Was können wir in dieser Situation sinnvoll tun?"

Es ist

"Wie können wir verhindern, dass wir verklagt werden?"
Und ich frage mich einfach: was nehmen wir daraus mit?
Ist die CDU der Ansicht "Naja, die Mehrheit der Leute über 80 ist geimpft und das ist unsere Hauptwählergruppe"? Oder was ist da die Logik? Was ist das Endgame? Ich habe mich in diesem Land noch nie so ausgeliefert gefühlt.
Und ja, ich will mitarbeiten und meinen Teil beitragen, aus diesem
.....was auch immer das ist... eine bessere Welt zu machen. Jede Struktur, die gerade kaputt geht, kann darauf geprüft werden, ob sie in erster Linie gut war.
Aber was ist mit den MENSCHEN, die dabei kaputt gehen?
Ich will nicht warten, bis Nazis den Reichstag stürmen, weil die Stimmung im Land aufgeheizt ist (das ist sie).
Wo die Regierung uns nicht hilft, müssen wir vielleicht zu einer ganz neuen Form von Solidarität mit einander finden.
Mit Rücksicht. Informeller Unterstützung. An allen kaputten Strukturen vorbei.
Was wir heute pflanzen, wird die Saat von morgen. Offensichtlich muss Morgen ohne Menschen in Verantwortung stattfinden, die in der Krise nur daran gedacht haben, ihren Arsch vor Verantwortlichkeit zu schützen.
Ich weiß, wenn man frustriert ist und Angst hat um seine Existenz, um seine Gesundheit, um seine Nerven, ist es schwierig, konstruktiv zu sein. Weiß Gott,mir fällt es schwer. Aber was habt ihr Gutes gesehen? Wo helfen Menschen einander unbürokratisch? Wer setzt sich für euch ein?

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10 Jan
1932 verurteilte die Parteiführung der NSDAP antisemitische Übergriffe, an denen auch ihre Parteimitglieder beteiligt waren. Die Leute wurden bestraft! Antisemitismus war nicht, womit sie Stimmung gemacht haben. Dafür haben sie gezielt Angst vor den Linken verbreitet!
Das Feindbild für die Wahl waren Kommunisten und Antifaschisten. Darüber haben sie die Bürgerlichen bekommen.

Die Strategie ist also nicht ganz neu, aber ungebrochen wirksam.
Da es nicht allen völlig offensichtlich zu sein scheint: natürlich war die NSDAP von Anfang an durchweg antisemitisch. Aber durch Wahlniederlagen Mitte der zwanziger fühlte sich die Parteiführung gezwungen, sich nach außen hin ein Stück weit davon zu distanzieren.
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9 Dec 20
Mich amüsieren diese ganzen Artikel "Warum bringt der Lockdown nichts?"

Leute, der Lockdown bringt zum Beispiel nichts, weil bei positiv getesteten Schülern nur die Sitznachbarn heim geschickt werden. Der Rest der Klasse lernt weiter und wird nicht getestet.
Der Lockdown bringt zum Beispiel nichts, weil Arbeitgeber*innen überall weiter das Recht haben, Leute völlig unnötig zu Präsenzarbeit im Büro zu zwingen. Die werden selbst nach Kontakt zu Infizierten nur bei schweren Symptomen getestet.
Das ist kein Lockdown. Wir haben Einrichtungen der Freizeit geschlossen, das wars.
Das können wir so lange machen, bis die alle pleite sind. Infektionszahlen senken wird es nicht.

Kurz und schmerzhaft und - ja - über Weihnachten.
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6 Dec 20
Ja, ich bin Grüne 💚 und bin im Vorstand von @D64eV. Der Verein ist progressiv, aber ist nicht an die SPD gebunden. Wenn ihr mitbegrünen wollt oder in keiner Partei seid, oder euch für #ZeitgemaesseBildung #Datenschutz #OpenData #Nachhaltigkeit.... einsetzen wollt - macht mit!
Für mich ist die Arbeit bei gemeinnützigen Vereinen über Parteien hinaus wichtig, weil ich mit Schulen arbeite.
Wo es nicht um die Veränderung der politischen Rahmen sondern der Praxis geht, sind Parteien an Schulen zurecht schwierig.
Aber #ZeitgemaesseBildung benötigt auch die richtigen politischen Rahmen und hier werde ich mich weiterhin bei @Die_Gruenen dafür einsetzen. Da gibt es wundervolle Leute, die bereits Tag für Tag daran arbeiten.
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22 Oct 20
Familienmitglied sitzt seit zwei Wochen wieder im Homeoffice. Er ist nur einmal ins Büro gefahren, um einen Schlüssel zu übergeben. Arbeitete den Tag da. Heute stellt sich heraus: der Kollege neben ihm war Corona positiv. Seid vorsichtig. Vermeidet so viel ihr könnt.
Was jetzt tun? Quarantäne? Ist die Familie in Gefahr? Corona-Test muss her. Er ruft beim Hausarzt an. "Wir eine Bestätigung von Ihrem Arbeitgeber, dass eine Gefährdung gegeben war". Er besorgt den. Arzt: "Das reicht uns nicht. Wir brauchen eine Aufforderung des Gesundsheitsamts.
Zwanzig Minuten in der Warteschleife beim Gesundheitsamt. Mitarbeiter: "Nein, wieso? Sowas brauchen die Ärzte nicht." Anderen Arzt angerufen: "Sie brauchen eine Aufforderung vom Gesundheitsamt."
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30 Aug 20
Mir geht es gerade nicht gut, Leute. Es sind weniger die Nazis, die mich ängstigen. Sie allein hätten keine Macht. Es sind die Bürgerlichen, die sich mit ihnen verbünden, die sich nicht abgrenzen. Die verharmlosen. DAS sind die, die mir Angst machen.
Ich werde meinen Schrecken und mein Entsetzen nicht performen und irgendwelche Blogs schreiben. Ich bin müde. Es kann nicht die Aufgabe von marginalisierten Menschen in diesem Land sein, wieder und wieder den Alarm zu schlagen. Ihr alle seht es. Warum stehen so wenige dagegen?
Immer sollen wir über jüdisches Leben in Deutschland reden. Immer sollen wir antworten auf "fühlen Sie sich hier sicher?". Immer ist Judentum an Gedenken gekoppelt. Und auch Zeichen der erfolgreichen Läuterung. Immer wird die Demokratie gelobt. Aber wo wird sie verteidigt?
Read 5 tweets
2 Aug 20
Zwischen Progressivem und Konservativem Denken sollte es in einer Gesellschaft wohl ein pendelndes Gleichgewicht geben. Das Problem ist, dass jene zu konservativem Denken neigen, die etwas zu BEWAHREN haben. Dieses etwas ist Kapital. Und das setzen sie ein, um zu bewahren.
Vereinfacht gesagt neigen viele Leute, die im aktuellen System wenig Ressourcen sammeln können, dazu, es verändern zu wollen. Und die, die mehr Ressourcen haben, wollen es behalten. Deshalb ist Veränderung so unfassbar schwer. Und schwerer mit jedem Tag.
Das System, in dem wir leben, belohnt Ressourcenhaben. Geld bringt Geld. Aufmerksamkeit bringt Aufmerksamkeit. Das System bremst sich selbst aus, macht sich träger. Bis es stirbt. Die Frage ist nur: nimmt es uns alle dann mit?
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