Thread by @Weber_Nina

Habe gestern #Stiko-Chef Thomas Mertens zu #AstraZeneca interviewt. Das ganze Gespräch hier, einige Details im #Thread. Antworten z.T. gekürzt. spiegel.de/gesundheit/dia…

Wie kann es sein, dass die Stiko AZ nur für Menschen ab 60 empfiehlt, die EU-Behörde Ema nicht einschränkt? Mertens: EU hat 27 Mitgliedstaaten, kein Geheimnis, dass sich Meldesysteme sehr unterscheiden. Häufigkeit gemeldeter Vorfälle hängt davon ab, wie sorgfältig gemeldet wird.

Norwegen – sehr gutes Meldesystem – berichtet von Sinusvenenthrombosen im Zusammenhang mit AZ-Impfung im Verhältnis von 1 zu 25.000 Impfungen. Also kein deutsches Phänomen.

Verlangsamt die Entscheidung die Impfkampagne? Mertens: Wir müssen letztlich nur umverteilen. Genug Menschen ab 60 noch nicht geimpft, die sich impfen lassen wollen. Geschwindigkeit aus seiner Sicht nicht wesentlich beeinflusst.

Hätte man einfach mit AZ alle weitergeimpft, wären laut Schätzungen 150 bis 210 Fälle der schweren Nebenwirkungen (Gerinnsel plus Blutplättchenmangel) in der jetzt ausgeschlossenen Gruppe zu erwarten gewesen.

Warum auch Männer u60 ausgeschlossen, die Sinusvenenthrombosen betrafen vor allem Frauen in D.? Über jüngere Männer wisse man noch wenig Bescheid, weil relativ wenige geimpft worden sind. Entscheidung beruht unter anderem auf der Sorge, dass es sie eben auch betreffen kann.

Warum ü60 weiter mit AstraZeneca impfen? Frage: „Mit welcher Sicherheit können Sie sagen, dass diese sehr seltenen, aber schweren Nebenwirkungen bei Älteren nicht auch gehäuft auftreten?“

Mertens: „Das kann man heute nicht mit letzter Sicherheit sagen.“ Aber man könne auf Erfahrungen aus UK zurückgreifen, wo viele Ältere mit AZ geimpft worden sind, ohne auffällig viele Probleme.

Mertens versprach gestern, dass Stiko und PEI weiter sehr genau hinsehen werden.

Gestern Abend (lange nach dem Interview meldete die britische Arzneibehörde allerdings inzwischen 30 Fälle von Gerinnseln (überwiegend Sinusvenenthrombosen) mit gleichzeitigem Blutplättchenmangel – 25 mehr als bisher gemeldet.

Artikel: spiegel.de/politik/auslan…

Originalquelle: gov.uk/government/pub…

Den 30 Fällen stünden insgesamt 18,1 Millionen verspritzte Dosen des Impfstoffs gegenüber, der Nutzen überwiege weiter die Risiken, so die britische Behörde. (In D waren 31 Fälle bei rund 2,7 Mio. verabreichten Dosen gemeldet.)

Menschen u60, die mit AstraZeneca geimpft wurden, empfiehlt die Stiko jetzt Zweitimpfung mit RNA-Impfstoff – mit bislang dünner Datenbasis, vorm Hintergrund, dass niemand weiß, ob die Thrombosen nicht ebenso nach der Zweitimpfung auftreten können.

Mertens: "Tierexperimentelle Daten zeigen, dass die Immunreaktion nach heterologer Impfung gleich ausfällt. Man muss noch wissenschaftlich klären, wie gut der Schutz dann beim Menschen ist. Ich hoffe, dass dazu bald Daten vorliegen."

Wichtig! Jeder unter 60 kann sich dafür entscheiden, sich trotzdem mit Astrazeneca impfen zu lassen, wenn sie/er das möchte.

Ist das Vertrauen in Impfstoffe angekratzt? Mertens betont, dass die Situation auch zeigt, dass das Meldesystem funktioniert.

Meine 2 Cents: Es ist sehr wichtig, dass sich die Zuständigen in D jetzt die neuen Daten aus UK sehr genau ansehen und wie versprochen weiter sehr aufpassen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Meldesysteme offenbar nicht in allen Ländern so gut sind.

Ich kann verstehen, wenn die Situation verunsichert. Ich persönlich finde sie auch nicht leicht einzuordnen. Man sieht es ja daran, dass verschiedene europäische Länder grad ganz unterschiedlich reagieren – vom kompletten Stopp über Altersgrenzen bis zu Weiterimpfen.

Hilfreich ein Blick auf den Gesamtkontext: Die Impfungen schützen vor Covid-19, inzwischen sogar Daten, dass sie auch Infektion/Übertragung eindämmen. Wir sind in einer Pandemie. Nicht impfen oder später impfen birgt ebenfalls ein Risiko, auch für Menschen u60.

Aber jede/r muss selbst entscheiden und das ist gut so!