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4 Apr, 17 tweets, 4 min read
In der Debatte um Shoah,

Kolonialismus, Erinnerungskultur und so weiter haben die Professoren Rothberg und Zimmerer einen weiteren Beitrag veröffentlicht, der auch ohne Zeit-Abo hier nachgelesen werden kann (wurde mir leider erst heute bekannt).
epaper.zeit.de/article/e8b744…
Eine lesenswerte Entgegnung des nimmermüden @APosener kann man hier nachlesen:
starke-meinungen.de/blog/2021/04/0…
Ich ergänze zwei Punkte, die mir dann auch noch auffielen. Angesichts dreier Debattenbeiträge schreiben die Autoren von einer "provinzielle(n) Pose", die " Erinnerungen an Kampagnen gegen (jüdischen) Kosmopolitismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts" wecken würde. Die
Debatte um Rothbergs Konzept der multidirektionalen Erinnerung würde also an antisemische Kampagnen erinnern, nicht jene der Stalinzeit mit den antisemitischen Prozessen gegen die Kosmopoliten, sondern an jene der Nachkriegszeit nach 1918, die unmittelbar zur Geschichte der Shoah
gehören. Die heutige Provinzialität schließt hier an die damaligen Vorstellungen von "Deutschthum", Volk und Rasse an, wozu ich kurz den Autor "Dr. J. St" mit seinem Artikel "Lügen der Antisemiten" anführe, erschienen in der "Allgemeine(n) Zeitung des Judentums" am 29.08.1919.
Die Veranlassung des Autors teilt er selbst mit: "In Millionen von Flugblättern, die aus Straßen und Plätzen, in Fabriken, Kasernen, ja, sogar in Schulen verteilt werden, die massenhaft den reaktionären Zeitungen und Zeitschriften beigelegt werden, in antisemitischen
Flugschriften und Büchern, in den Artikeln der antisemitischen Blätter usw. wenden immer und immer wieder dieselben Verdrehungen, Entstellungen und Unwahrheiten vorgebracht, um die Seelen weiter Kreise des deutschen Volkes zu vergiften und sie mit Haß gegen das Judentum zu
erfüllen."
Ich bringe dieses Zitat, um auf den Unterschied zwischen einer Feuilletondebatte und einer - gelenkten oder ungelenkten - Kampagne hinzuweisen.
Einen solch bescheuerten Vergleich in einem Artikel über den Vergleich zu lesen macht schon etwas fassungslos. Aber die
Herren schrieben ja, sie wollten ihn "enttabuisisieren", was ihnen hiermit zweifellos, wenn auch an anderer Stelle, gelungen ist.
Der zweite Punkt ist etwas anders gestrickt, aber dennoch interessant. Zunächst wird im ersten abgebildeten Absatz die Frage gestellt, warum es trotz der "Anerkennung der Verantwortung für die Schoah" zu antisemitische und rassistischen Gewalttaten kam. Und wenn wir für die
"Anerkennung der Shoah" mit Historikerstreit und Folgen schlicht das Jahr 1990 zu Grunde legen, befinden wir uns inmitten der Baseballschlägerjahre, wobei es rassistische Gewalt auch im Westen gab. Ob die Anerkennung der Shoah Rassisten und Antisemiten von ihrem schändlichen Tun
abhält? Eher ist es ein Zusammenspiel verschiedenster Maßnahmen, von Erziehung und Bildung bis zu staatlicher Repression. Die Frage nach den Ursachen dieser Gewalttaten geht an Soziologen, Psychologen, Kriminologen, und von deren Seite war bisher nichts davon zu hören, dass die
"Anerkennung der Shoah" einen wesentlichen Einfluss auf die Rassisten und Antisemiten habe (ausgenommen den Widerspruch dagegen, der sich z.B. in der Schändung von Gedenkstätten äußert).
Aber dabei bleibt es nicht, es gibt ja einen zweiten Absatz, der doch irgendwie in Verbindung
mit dem ersten stehen muss. Wie heißt es dort so schön: "Vielleicht sind nicht ritualisierte Erinnerung und Beschwörung der pauschalen Unvergleichbarkeit des Holocausts die Lösung, sondern Ideen, die den historischen Ort des Holocausts in der globalen Geschichte ausloten und
Fragen, wie die Art, wie die Erinnerung daran mittlerweile mit globalen Ereignissen der Nachkriegszeit verschränkt ist?"
Baseballschlägerjahre, die Anschläge von Halle und Hanau hätten "vielleicht" mit einer anderen Erinnerungskultur verhindert werden können, weil sie die
"Langlebigkeit von Antisemitismus und Rassismus" irgendwie unterminieren würden (übrigens leider auch ein Phänomen in den USA, Neuseeland und andernorts), legen die Autoren nahe.
Ich sage es so und ohne jede Argumentation: Das ist weder Wissenschaft noch Feuilleton, das ist
Glauben. Und nein, ich führe keine Kampagne gegen Kosmopoliten und Kosmopolitismus, ich lese schlicht Zeitung.

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4 Apr
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3 Apr
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3 Apr
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#s0304
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@Report_Antisem
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