1/n Doppelter und lesenswerter Klartext von Lukas Bärfuss: #SwissCovidFail und #InstaFail: blick.ch/meinung/lukas-…
2/n «Da seit Menschengedenken dieses BIP in fast jedem Quartal positiv war, bestand die helvetische Normalität in der Verteilung der Überschüsse. Darin ist die Schweiz äusserst effizient.»
3/n «Fragen sind in der helvetischen Normalität nicht nur unnötig, sie sind ein Zeichen für Unordnung, für das Abnormale. Fragen stören den reibungslosen Ablauf und zersetzen das System.»
4/n «Leider gibt es hin und wieder Herausforderungen, die sich nicht in die Marktlogik übersetzen und deshalb nicht mit Geld lösen lassen. Hier kommt die helvetische Normalität an ihre Grenzen.»
5/n «Die Pandemie und das Verhältnis zur Europäischen Union sind solche Herausforderungen. In beiden Fällen stolpert das System, die Politik ist überfordert, sie reagiert inkohärent, die Reaktionen wirken absurd.»
6/n «Denn entgegen der helvetischen Prämisse lässt sich der Wert des menschlichen Lebens in keiner Zahl darstellen. Ob arm oder reich, dünn oder dick, schön oder hässlich, gesund oder krank: Jede Person hat nur ein Leben. Das Budget ist vorgegeben.»
7/n «Was nicht ökonomisch erklärt werden kann, kann überhaupt nicht erklärt werden. Wenn etwas auftaucht, das in der helvetischen Normalität nicht existieren darf, dann wird es ausgesondert. Zuerst sprachlich: Man entwirft Neologismen und rhetorische Figuren.»
8/n «Zwar ist jeder Mensch verletzlich. Jeder Mensch wird krank, alt und schwach. Daran ist nichts zu ändern. Aus dieser Tatsache erwächst die Kostbarkeit und der Reichtum des Lebens. Die politische Sprache unseres Landes kann dies allerdings nicht fassen.»
9/n «Und statt die Menschen zu stärken, die Solidarität, die Fürsorge und die Eintracht in der Bevölkerung zu fördern, zu fragen, wie wir einander helfen und unterstützen können, isoliert man die Schwachen und grenzt sie aus.»
10/n «Dazu erfindet man zuerst einen Begriff, jenen der ‹vulnerablen Bevölkerungsgruppen›. Sie gehören nicht mehr zur helvetischen Normalität. Dieses Prinzip hat in der Schweiz eine lange und leidvolle Tradition.»
11/n «Heute sind es die Alten und die Kranken, die dem Prinzip der Eugenik zum Opfer fallen. Sie alle passen nicht in den ökonomischen Verwertungszusammenhang, man kann auf sie verzichten.»
12/n «Mitleid und Scham lassen sich nicht vollständig unterdrücken. Die Politik steht vor der Aufgabe, diesen eugenischen Massnahmen einen humanen Anstrich zu geben. Das führt zu unüberbrückbaren Widersprüchen.»
13/n «Die sprachlichen Volten und Kapriolen, die Innenminister @alain_berset am vergangenen Mittwoch vollführen musste, um die neuesten Lockerungen zu erläutern und zu rechtfertigen, sind ein Beispiel für die innere Zerrissenheit und die Porosität der helvetischen Normalität.»
14/n «Denn obwohl die Inzidenzen und Fallzahlen steil ansteigen, hat die Regierung Lockerungen beschlossen. Und obwohl die Regierung Lockerungen beschlossen hat, bat Innenminister @alain_berset die Bevölkerung, davon keinen Gebrauch zu machen.»
15/n «@alain_berset weiss natürlich, was die Lockerungen bedeuten, nämlich Krankheit und Tod; aber da man die begriffliche Triage bereits unternommen hat und dies nur die ‹vulnerablen Bevölkerungsgruppen› trifft, scheint die Lockerung vernünftig und gerechtfertigt.»
16/n «Die helvetische Normalität kann keine Rücksicht nehmen auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Bevölkerung, denn die einzige gemeinsame Basis ist die Wohlfahrt.»
17/n «Auch in der Aussenpolitik stösst die Methode, jedes beliebige Problem durch den effizienten Einsatz finanzieller Ressourcen zu lösen, an ihre Grenzen. Und wie bei der Pandemie führt dies zu absurden Situationen.»
18/n «So bestand die europapolitische Diskussion der letzten Wochen tatsächlich in der Frage, mit welcher Delegation die Schweizer Regierung am kommenden Freitag nach Brüssel reisen wird.»
19/n «Am vergangenen Freitag entschied die Regierung, dass der Bundespräsident alleine nach Brüssel ziehen werde. Zu besprechen gibt es ohnehin nichts. Zu Hause will niemand das todgeweihte Rahmenabkommen retten.»
20/n «Umgebracht wurde es von jener antieuropäischen Allianz, die schon vor dreissig Jahren dem EWR den Garaus machte.»
21/n «Dieser Bund zur Aufrechterhaltung der helvetischen Normalität besteht aus der nationalistischen Rechten, den neoliberalen Kapitalisten und der gewerkschaftlichen Linken …»
22/n «… die in ihrem Kampf um gerechte Löhne vergessen hat, dass soziale Gerechtigkeit zur opportunistischen Besitzstandswahrung verkommt, wenn sie nur die eigene Klientel im Blick hat.»
23/n «Diese Linke sieht die Europäische Union ebenfalls nur in ökonomischen Zusammenhängen. […] hat sie sich damit abgefunden, dass die Rechte aus der Schweiz ein europäisches Singapur formen will.»
24/n «Sie kämpft bloss noch um die Brosamen, um einen Platz am Katzentisch der Reichen, die sich bei ihrer Party vom Dienstleistungsproletariat bedienen lässt. Nach Jahrzehnten der totalen Ökonomisierung hat sie die Fähigkeit zur historischen Synthese verloren …»
25/n «… sie ist ganz in der helvetischen Normalität aufgegangen. Hier ist man entweder ein wirtschaftliches Subjekt, oder man ist gar nichts.»
26/n «Die beiden Herren, der Innen- und der Aussenminister, sind eigentlich ganz anders, aber sie kommen nur so selten dazu. Die helvetische Normalität zwingt sie zu einer Politik, die sie falsch finden.»
27/n «@alain_berset wollte keine Lockerungen, und @ignaziocassis wollte gar nie fürs Rahmenabkommen kämpfen.»
28/n «Die beiden Herren könnten wenigstens jetzt ein Zeichen setzen, ein Zeichen der Hoffnung, der Stärke, ein Zeichen, dass noch jemand Verantwortung übernimmt und dieser tödliche Sachzwang, die helvetische Normalität, nicht das letzte Wort hat.»
29/29 «Sie sollten, zum Wohl des Landes, von ihren Ämtern zurücktreten.»

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20 Apr
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29 Nov 20
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12 Nov 20
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2/n «Im Mai kündigte der Bundesrat den Ausstieg aus den Finanzhilfen an und hob Massnahmen auf, Ende Juni liess die Schweiz in ihrer Sorglosigkeit gar Schweden hinter sich. […] Nun steht die Schweiz bei den Neuinfektionen pro EinwohnerInnen europaweit an der Spitze.»
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