Vielleicht liegen meine Schwierigkeiten mit dem, was uns häufig als Romantik verkauft wird, darin, dass ich früher auch so war, als Mädchen, als junge Frau. Sozialphobie, unzufrieden und zutiefst unsicher. Nicht das klassische Schönheitsideal, Nerd, "komisch" und anders. ~
Mit 17 den ersten Kuss - ein Junge, den ich seit Jahren mochte und der am selben Abend nach mir noch eine andere geküsst hat. Mit 19 mein erstes Mal mit meinem ersten Freund, mit dem ich dann auch eine lange Beziehung hatte - 4,5 Jahre, gemeinsame Wohnung, usw.

Ich war selbst ~
eine dieser Frauen, die ihren Wert erst dann erkannt hat, als ein Mann ihn bestätigt hat. Ich war eine der Frauen, die das Narrativ verkörpert hat von der unsicheren, unerfahrenen Frau, die "ihre eigene Schönheit", ihren eigenen "Wert" unter den Scheffel stellt, nicht sieht, ~
sich nichts traut, mit fremden Menschen nicht kann, immer Ja und Amen sagt und sich selbst völlig unterschätzt - solange bis ein Mann kommt und sie "begehrt". Und wenn dieser Mann dann aufhört, sie zu begehren, wenn sexuell nichts mehr läuft, wenn XY passiert und sie die ~
Bestätigung von diesem Mann nicht mehr bekommt, fängt sie wieder bei Null an.

Als wäre ALLES, was man macht, erst dann validiert, erst dann richtig, erst dann etwas wert, wenn ein Mann sagt "wow, ich bin beeindruckt von dir", "das gefällt mir", "ich will dich", "ich liebe ~
dich", "ich will dich nicht teilen".

Ich habe die Bestätigung von Männern gebraucht und meinen Selbstwert über viele Jahre unbewusst davon abhängig gemacht, wie Männer, wie ein Mann mit mir umging. Das war der Beginn meines Erwachsenwerdens, das waren meine ersten sexuellen ~
Erfahrungen. Da gab es keinen Vergleich. Da auszusteigen, aus diesem Denken herauszukommen, ist Arbeit. Richtig harte Arbeit an sich selbst.

Ich mache dafür nicht Männer verantwortlich, schon gar keinen einzelnen. In erster Linie ist es etwas, das man mit sich selbst ausmachen ~
muss. Wen ich durchaus mit (!) verantwortlich mache, neben mir selbst, ist das Kollektiv, das System, die Gesellschaft, Hollywood - wen auch immer man da mit einbeziehen will. Aber das, was uns Filme vermitteln, Lovesongs, Bücher, usw; eben das, womit Jugendliche durchaus ~
auch aufwachsen, das trägt enorm dazu bei, wie und was wir romantisieren! Was wir als "romantisch" bezeichnen.

Wenn wir einen Film sehen, in dem die Protagonistin unsicher ist, sich selbst nicht mag, obwohl sie schön/intelligent/was auch immer ist und die Auflösung dann ist, ~
dass ein Mann ihren "wahren Wert" erkennt, "hinter die Mauer blickt", sie "wirklich sieht" und sich verliebt und sie dann, durch ihn, endlich sieht, dass sie ja gar nicht so scheiße ist, dann finde ich das einfach nicht romantisch. Klar kann man sagen "aber immerhin hat ihr ~
jemand geholfen, das zu erkennen - besser als nichts".

Geht so. Es gibt keine/kaum Filme, in denen eine platonische Freundschaft zu einer solchen Erkenntnis führt, oder (völlig abwegig) eine Frau das selbst erkennt oder (auch selten) einfach immer schon selbstsicher ist. ~
Wo sind die Geschichten von Frauen, die schon zu Filmbeginn selbstsicher sind und super klarkommen? Um es noch deutlicher zu machen: Wo sind die Geschichten von Männern, die unsicher sind? Männer, die diese Eigenschaften haben, wären im Film der Antagonist, der creepy Loser, ~
der höchstens gut ist für eine Komödie, in der der Loser-Nerd-Typ lernt, mit Frauen umzugehen. Das sind keine ernst gemeinten Storys. Solche Männer sind nicht die Protagonisten in den großen Hollywood-Dramen und schon gar nicht kommt dann eine Frau, die ihn "seinen wahren Wert" ~
erkennen lässt, weil sie sich für ihn interessiert und ihm mehrfach sagt, wie gut er in diesem Anzug aussieht.

Und das ist damit nicht nur ein Problem für Frauen, sondern auch für Männer, für ALLE, und damit durchaus feministisch, wenn ich mir wünsche, dass "unsichere Frauen~
, die durch einen Mann erleuchtet werden" nicht mehr romantisiert werden, aber eben auch etwas, das Männern genauso hilft, weil damit auch automatisch das Bild, die Anforderungen an "Männlichkeit", die die Gesellschaft stellt, endlich mal gerade gerückt werden würden.

Anyway ~
ich reagiere auf das Thema wohl teilweise so empfindlich, weil ich auf diesem Weg angefangen hab und weiß, wie schädlich der ist, wie hart es ist, da auszusteigen und gleichzeitig wie wichtig es ist , nicht die falschen Dinge zu romantisieren.

#VerkaufteRomantik

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16 Apr
Ich muss mir jetzt was einfallen lassen.

Seit Corona-Beginn merke ich phasenweise mehr und weniger, wie meine persönliche Situation mich belastet. Letztes Jahr war durch die WG-Situation hier eher das Problem, dass ich keine Ruhe hatte, weil alle im Home Office waren und ich ~
nie Ruhe zum Arbeiten hatte, so wie davor. Seit Januar wohne ich hier größtenteils allein und habe es in den ersten Wochen schon lieben gelernt. Die Freiheit, die Ruhe, die Unabhängigkeit. Ich möchte es auch nicht mehr anders - aber was sich jetzt, nach weiteren 3 Monaten ~
bemerkbar macht, ist tatsächlich etwas anderes. Und das ist nur teilweise Einsamkeit. Ich fühle mich nicht einsam, im eigentlichen Sinne. Ich hab den Hund, ich telefoniere viel, ich hab Kontakte, ich sehe auch ab und an mal jemanden und der Mitbewohner ist 2 Tage die Woche hier,~
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5 Apr
"Man geht nach Hause und fühlt sich schlecht. Weil man so nie arbeiten wollte. Und dann hat man zwei Möglichkeiten. Entweder man stumpft ab, wird ein Arschloch oder man geht. Letzteres habe ich getan."

Es sind Sätze wie diese, die hier aus der #Pflege kommen, mich aber an das ~
Schulsystem erinnern und an unzählige Gespräche, die ich über Jahre hinweg mit LehrerInnen führte. Es ist die Verzweiflung darüber, dass man mit Leidenschaft und aus Überzeugung etwas Gutes tun möchte, für andere. Für Menschen, die schutzloser sind, die eine Hand brauchen - ob ~
das Kinder oder Alte oder Kranke sind, tut nichts zur Sache.

Der Unterschied, den ich dennoch ziehe (auch wenn es kein Wettbewerb ist) zwischen Schul- und Gesundheitssystem, ist allerdings, dass wir vom Gesundheitssystem noch umfassender, noch kollektiver, noch absoluter ~
Read 13 tweets
5 Apr
Also Leute.

Getreu eurem Zuspruch hier und diesem "scheiß drauf, ich mach das einfach".... hab ich das jetzt einfach gemacht. 😶

Zur Info:

1. Es ist ein OnlyFans-Acc für Fußliebhaber. Ich sage bewusst "Liebhaber" und nicht "Fetischisten", obwohl die natürlich mit einbezogen ~
sind. Aber ich möchte das gern etwas weiter fassen. Es wird ein Account für die Bilder, von denen ich sonst denke "ach nicht schon wieder Füße" oder "ach, das ist schon sehr speziell". Die Bilder (und bei Gelegenheit auch Videos), an denen ich selbst so viel Spaß habe, weil ich ~
einfach echt mit den Jahren "so ein Ding" mit Füßen und ihren Liebhabern entwickelt habe.

2. Es wird keinen expliziten Content geben. Wer also gern "mal was von Frau O. Oberschenkel aufwärts" sehen wollte, für den wird das langweilig. Zudem wird es auch kein klassischer ~
Read 9 tweets
4 Apr
Grüße an @Schennifaaaa 😎✌️
Hochzeit des Figaro.

Ich heule. 🙈
Der Film ist seit 10 Minuten vorbei und ich heule immer noch Rotz und Wasser und kann nicht aufhören -.-
Read 5 tweets
4 Apr
#twitterbeichte - Ostern

Ich finde es immer komisch (nicht negativ, einfach nur irgendwie... befremdlich), wenn Menschen mir "Frohe Ostern" wünschen.

Es ist für mich literally ein Tag wie jeder andere. Ich habe keine traditionellen Kindheitserinnerungen, ich kann mich latent ~
...an ein Mal "Eier suchen" erinnern - das war bei einem gemischten Familienfest für ein anderes, jüngeres anwesendes Kind. Ich kann mich an Osternester und Geldscheine als Kind erinnern, FALLS es mal zu einem Essen bei meinen anderen, verstorbenen Großeltern kam, alles im ~
...Alter von unter 14 und nichts davon mit einem tatsächlichen Bezug zu "Ostern".

Heute bekomme ich von Omi meistens ein Nest, manchmal von meinem Vater etwas, der weit weg wohnt - bei beiden habe ich das Gefühl, sie haben Freude an der Gelegenheit, "dem Kind" etwas ~
Read 9 tweets
4 Apr
Moin, da draußen ❤️

Ich geh jetzt schnell duschen und fahre dann zu Omi. Ihr wisst ja, es gibt Oster-Rouladen 🤓.

Die, die heute allein sind und Ablenkung brauchen können, dürfen sich anschließen. Ich nehm euch dann einfach hier mit. ⬇️🌻
Neidisch? 🥳🤓😎😍 Image
Omi aus der Küche:

"Hast du ein Glück, dass wir trotz allem Abstand halten und du leider leider nicht helfen kannst!"

Ich: "Omi ich hab dir GERADE angeboten, sitzen zu bleiben und die Küche zu machen."

Omi: "Aber du räumst die Spülmaschine nicht richtig ein."

😶😶😶😶😶
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