Unterm Strich ist die Sache einfach.

Die im Bundestag vertretenen Parteien sind fein damit, dass wir täglich ein flugzeugvoll Menschen verlieren.

Ich bin es nicht.
2/
Die Politik - alle Parteien, die in den Landesregierungen vertreten sind, und somit auch alle Parteien, die im Bundestag sitzen - sind mit dem gegenwärtigen Verharren in der epidemiologischen "Zwischenzone" faktisch zufrieden.
3/
Was nicht heißen soll, dass sie viel Freude an der Lage hätten, sehr wohl aber, dass sie unter den reell existierenden Alternativen, diese am besten (oder am wenigsten schlecht) finden und folglich diese zumindest kurzfristig anstreben.
4/
Zwischenzone nenne ich die Lage, die weder einen Sieg übers Virus und nachhaltige Öffnungen bedeutet, noch eine Eskalation wie in Brasilien oder zurzeit Indien.

Man "lebt mit dem Virus zusammen", hält diese zwischen bestimmten Grenzen, und nimmt Opfer und Begrenzungen hin.
5/
Dass die Politik eine Eskalation vermeiden will, liegt auf der Hand, und ist selbstredend ein win-win für die gesamte Gesellschaft.

Dass sie #NoCovid nicht verfolgt, ist allerdings ganz einfach eine Werteentscheidung, eine Güterabwägung.
6/
Die Politik wiegt die Kosten eines echten Lockdowns (GDP, Staatsverschuldung, Steuererhöhungen) gegen die Schäden der Zwischenzone ab (einige Hundert tote und Tausend schwer Erkrankte pro Tag, Bildung, Kultur, Einzelhandel) und kommt zum Schluss, dass letzteres ihr lieber ist.
7/
Das kann sie so natürlich nicht kommunizieren - folglich der flächendeckende, wenn auch hochgradig absurde Versuch, die Zwischenzone als *bestmöglichen* Ausgang, als Resultat allergrößter Anstrengungen bzw. als einzige Alternative der Eskalation darzustellen.
8/
Dieser Versuch wäre schon vor dem Hintergrund der erfolgreichen #NoCovid-Strategien in anderen Ländern skurril genug.

Wahrlich bizarr wird sie durch den Umstand, dass Deutschland selbst in Frühling 2020 bereits umgesetzt hat, von dem nun behauptet wird, es sei unmöglich.
9/
Was besonders interessant ist, ist dass die Politik diese Strategie letztendlich doch nicht wirklich versteckt.

Das allgegenwärtige Ziel, "das Gesundheitswesen nicht zu überlasten" ist identisch mit dem, das Land in der Zwischenzone zu lassen (und eben nicht, Leben zu retten)
10/
Es ist clever von der Politik, die Frust in Scheindiskussionen a la "Recht auf Gesundheit vs Freiheit" zu lenken; die Öffentlichkeit darüber streiten zu lassen, ob man die Begrenzung der Privatsphäre von 90% auf 95% hochschraubt; während der Elefant im Raum ignoriert wird.
11/
Fakt ist trotzdem, die Parteien der Groko verlieren seit Monaten stätig an Zustimmung, und man kann nur hoffen, dass dies auch mit dieser unmenschlichen, illegitimen Vorgehensweise und der dranhängenden, spektakulär zynischen Kommunikation zu tun hat.
12/
Ähnlich muss man hoffen, dass sich die Politik in ihrer Annahme täuscht, nach einem halbwegs normalen Sommer sei "alles vergessen".

Solch eine krude Abweichung von demokratischen Grundprinzipien dürfte nicht ohne Folgen sein.

Sollte es doch so kommen, sind wir selber schuld

• • •

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26 Apr
1/6
Es ist schon recht absurd, dass sich das Publikum über die fehlende ökonomische Bildung von Merz aufregt - und nicht über die milliardenfach gewichtigere Neuigkeit, dass er offenbar das Land hätte in 2020 in der Abgrund sausen lassen.
2/6
Merz bemängelt ja mit seiner missglückten Argumentation die Neuverschuldung des Staates in 2020 - und diese finanzierte selbstverständlich die Corona-Hilfen für Unternehmen, Arbeitnehmer und Selbstständige; automatische wie diskretionäre.
3/6
Hätte man in 2020 auf die schwarze Null beharrt, so gäbe es nun eine Sozialkatastrophe mit millionenfacher Arbeitslosigkeit und eine tiefe wirtschaftliche Depression; wir hätten einen Tsunami an Insolvenzen, verteilt über jeder Branche und in jeder Größenordnung.
Read 6 tweets
26 Apr
1/
Gestern 3/4 von #Annewill mit u.A. AL Baerbock und @ViolaPriesemann gesehen.

Der Ton in den Talkshows verändert sich.

Krasse Ungleichbehandlung von Privatsphäre und Arbeitswelt tritt in den Mittelpunkt; Baerbock eine der ersten, die Ausgangssperre nicht isoliert betrachtet.
2/
Glasklare Worte von @ViolaPriesemann (Ausschnitte wären toll...); und es war nur ein Politikwissenschaftler, ein Professor Merkel, der versuchte, das falsche Dilemma Gesundheit vs. Freiheitsrechte bzw. die „Einseitigkeit“ der Wissenschaft zu bringen - mit wenig Erfolg.
3/
Insgesamt also eine etwas überraschende, dafür umso willkommenere Erfahrung, Covid im Wesentlichen im Prime time TV so diskutiert zu sehen, wie wir das hier seit Monaten tun, was natürlich auch dem Umstand geschuldet war, dass der Status Quo gar nicht richtig vertreten war.
Read 5 tweets
25 Apr
1/
Wir hören von vielen befreundeten Familien, wie sie (wie wir auch) erst heute Nachmittag / Abend informiert wurden, ob es *morgen* Schule gibt.

Und ich muss sagen, es ärgert mich immer wieder, wie Vorausschau und Vorbereitung im Staatswesen Fremdwörter zu sein scheinen.
2/
Schon die Bundesnotbremse nahm etliche Wochen mehr in Anspruch, weil man offenbar erst überhaupt anfing, etwas zu verfassen, als Merkels Frist verstrich.

Es ist anscheinend niemand auf die Idee gekommen, dass man bereits sofort nach Merkels Interview hätte anfangen können.
3/
(Ich will gar nicht damit anfangen, dass eine halbwegs smarte federale Ebene bereits *seit Monaten* *mehrere* solcher Gesetzentwürfe in der Schublade gehabt hätte, mal mindestens um die MP damit unter Druck zu setzen.)
Read 6 tweets
23 Apr
1/
Mütend-Thread 👇(lang, sorry)

Immer öfter ziehen Politiker als Ass jene Weisheit aus dem Ärmel, dass es ja keine Rezepte, keinen Masterplan für die Pandemiebekämpfung gebe; jede Gemeinschaft würde per Definition einen Trial-and-Error Prozess durchgehen müssen.
2/
Dies ist für mich immer eine hochinteressante Aussage, zumal sie ein entscheidendes Element voraussetzt, welches aus gutem Grund nicht genannt wird: dass nämlich die Interessen der Wirtschaft, die Produktion von den Maßnahmen weitgehend unberührt bleiben.
3/
Wenn man dies voraussetzt – und nur dann! – stimmt der Satz. Wenn man tatsächlich als gegeben ansieht, dass die Betriebe voll sind, die ÖPNV voll sind, und die Schulen voll sind, dann bringen diese alleine schon so viele Kontakte mit sich,
Read 25 tweets
22 Apr
1/
Ist der Öffentlichkeit eigentlich bewusst, in welchem Maße die Bundesnotbremse eine Selbstinfantilsierung und Selbsterniedrigung der Bundesländer darstellt?
2/
Zumal sie ja nichts anderes ist, als eine Verordnung von Maßnahmen, die die BL auch selbst hätten treffen können - aber eben nicht getroffen haben.

Die Dynamik hat man z.B. bei Laschets Brückenlockdown gesehen: er hat *seinen eigenen Vorschlag* nicht umgesetzt - und warum?
3/
Offensichtlich, weil die anderen MP nicht mitgemacht haben.

Wir müssen hier mal kurz anhalten und uns das auf der Zunge zergehen lassen:

ein Ministerpräsident setzt wichtige und richtige, lebensrettende Maßnahmen nicht um, weil die anderen anderswo nicht mitziehen.
Read 9 tweets
20 Apr
1/
#Einkerzen
-> "Aus Sicht der Münchner Polizei ist das Abstellen von Gegenständen auf dafür nicht genehmigten Flächen eine Ordnungswidrigkeit.
Das für Staatsschutzdelikte zuständige Kriminalfachdezernat hat Ermittlungen aufgenommen."
2/
Abstellen von Gegenständen.
Ordnungswidrigkeit.
Staatsschutz.

Ist das ein Traum?
3/
Man kostet die Konnotationen aus...

- staatsgefährdende Grablichterablage...
- Umsturz qua Kerzenniederlegung und fieser Plakate...
- der "Teelichterputsch"....
Read 5 tweets

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