Als ich nach dem Studium ein paar Monate in Jerusalem war, war ich durchaus obsessiv mit dem Nahostkonflikt beschäftigt. So geht es vielen, ich würde sagen: So geht es dem halben Westen. Kein anderer Konflikt kann unsere Aufmerksamkeit so in den Bann ziehen. 1/
Warum das so ist, beschreibe ich hier – und auch, warum gefühlt jeder eine ganz klare Meinung dazu hat: krautreporter.de/3875-deswegen-…
Die Medien sind nicht Schuld, sie richten sich nach der Nachfrage. Es liegt auch nicht an der Länge des Konflikts per se oder der Opferzahl, die verglichen mit anderen Konflikten (Jemen, Syrien, Kongo) gering ist. 3/
Der in meinen Augen wichtigste Faktor: Wir glauben diese Region schon aus der Bibel, den verschiedenen Medien und persönlichen Gesprächen zu kennen. Wir haben Erwartungen, Meinungen, Assoziationen, wir urteilen schnell und scharf. 4/
So verstärkt sich die Debatte um den Nahostkonflikt stetig selbst. Solides (Halb-)Wissen ist das Schmiermittel: Es senkt die Schwelle zu diskutieren und seine Meinung zu sagen. 5/
Dabei bietet der Nahostkonflikt einen Luxus der anderen Konflikten unserer Zeit abgeht: eine klare übersichtliche Trennung zwischen den Gegnern entlang vermeintlicher ethnischer, religiöser und kultureller Linien. 6/
Israelis wie Palästinenser haben es geschafft, zwei starke, glaubwürdige Narrative zu entwickeln, die man einfach übernehmen kann, um klar Gut von Böse zu trennen. 7/
So wird jeder Luftangriff Israels auf den Gaza-Streifen als reine Verteidigung des Landes oder als unnötiger Angriff auf ein diskriminiertes und eingesperrtes Volkes beschrieben. Nur selten lesen wir, dass es beides sein kann und tatsächlich ist: Verteidigung und Angriff. 8/
Gleichzeitig werden die Debatten in der jüdischen und palästinensischen Diaspora geführt, es gibt extrem viele Journalist: innen vor Ort, ein dicht gewebtes Netz aus Symbolen und Geschichte und zuletzt noch eine geopolitisch wichtige Lage. 9/
Deswegen ist dieser Konflikt für den Westen so wichtig. Vielleicht ist diese Bedeutung nur eingebildet oder konstruiert, der Nahe Osten in Wahrheit ein Ballon, der erst fliegen kann, wenn wir genügend heiße Luft hinein gepumpt haben. Aber das ändert nichts am Resultat. 10/
Ich habe die Obsession für Außenpolitik übrigens irgendwann gegen eine andere getauscht: Klima und die Macht der Vielen. Dazu schreibe ich eigentlich. Hier könnt ihr meinen Newsletter abonnieren: krautreporter.de/9-rico-grimm
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Ganz kurze Tour durch die Welt jetzt, denn vermutlich verpassen es viele, weil die Aufmerksamkeit verständlicherweise woanders liegt:
Im Amazonas brennt es wieder, schlimmer als im vergangenen Jahr. Die Zahl der Brände ist um ein Drittel höher, vermutlich hat illegaler Holzeinschlag damit zu tun: uk.reuters.com/article/us-bra…
Historische Temperaturrekorde in Nordspanien, Mallorca. In Großbritannien der drittheißeste Tag seit Beginn der Aufzeichnungen: apnews.com/203e44a4d1a59b…
Ich habe mit @CKemfert und Niko Paech ein Gespräch über Wachstum geführt. Es ist ein Streitgespräch geworden – gerade weil sich beide einig sind, dass sich etwas an der Fixierung auf Wachstum ändern muss: krautreporter.de/3385-ist-eine-…
In der Breite wurde bisher nur diskutiert, ob wir noch Wachstum brauchen, in meinen Augen schiebt sich die Debatte gerade weiter, endlich. Sie wird differenzierter: Welches Wachstum? Wo? Was sind die Voraussetzungen dafür?
Deswegen wollte ich mit diesen Beiden sprechen, und nicht etwa plakativ einem Umweltschützer einen FDP-Mann gegenüber setzen. Das wäre die gleiche Debatte gewesen, die wir seit einem Jahrzehnt fruchtlos führen. Wir müssen mal vorankommen, also: tiefer einsteigen.
1/ Es gibt einen Satz, der in Artikeln über Klimaforschung immer öfter vorzukommen scheint: Veränderungen geschehen "schneller als die Wissenschaftler geglaubt hatten." Ihr wisst, was das heißt?
2/ Schon heute Hitzewellen, die erst für die Mitte des Jahrhunderts vorhergesagt wurden: nzzl.us/35mLEzG
3/ Meeresspiegel steigt schneller als bisher gedacht: nzzl.us/DUf8HjN
Krank kann jeder werden. Aber trotzdem sind die Folgen der Corona-Pandemie nicht für alle gleich. Corona ist das Ungleichvirus, das die Gräben in unserer Gesellschaft noch vertieft. Neun Beispiele in diesem Text und in 1 Thread: krautreporter.de/3288-das-ungle…
Dieser Text und Thread soll ein Scheinwerfer sein, aber auch ein Merkzettel für die Zeit nach der Pandemie, wenn der medizinische Notstand beendet ist und die sozialen und wirtschaftlichen Folgen stärker in den Blick geraten.
.@martingommel über depressive Menschen: "In Zeiten von Corona tun Depressive genau das, was sie eigentlich nicht tun sollten: sich isolieren."
Die CO2-Abgabe der Bundesregierung ist weniger ambitioniert als die Forderungen der US-Ölindustrie. Die lobbyiert für 36 Euro (40$). Die Bundesregierung beschließt: 35 Euro. Aber auch erst im Jahr 2026.
Wir beginnen bei @krautreporter heute einen Schwerpunkt zu "Wachstum und Klima". Das überrascht mich auf eine gewisse Weise selbst. War aber logisch. THREAD mit 5 WTF-Fakten 👇
Lange hielt ich "Wachstumskritik" für ein "nice-to-have". Ich hatte sie wahr genommen, aber nicht Ernst genommen. Das hat sich geändert, als ich begann über die Klimakrise zu schreiben.
Je mehr ich über das Klimathema erfuhr, desto grundsätzlicher wurden meine Fragen zu unserer Gesellschaft. Und am Ende landete ich immer wieder bei einem Widerspruch: "Wachstum in einer endlichen Welt"