Die “indische Mutation” könnte auch bei uns Probleme machen. Das wird insbesondere davon abhängen, wieviel ansteckender B.1.617.2 ist.

Aber… Sind +10% schlimm, oder +30%? Oder erst +50% mehr?

Eine Modellrechnung muss her!

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dirkpaessler.blog/2021/05/16/mod…
Um sich solchen Fragen zu nähern verwendet man Modellrechnungen, und das machen wir jetzt mal, basierend auf meinem Pandemie-Modell.
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Vorab ein Hinweis an alle diejenigen, die Verständnisprobleme mit Modellrechnungen haben (und da gibt es eine ganze Menge): Wir berechnen jetzt hier nicht die Zukunft, es ist nahezu sicher, dass die Zukunft nicht so aussehen wird wie einer meiner Szenarien, weil...
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... noch z.Zt. unvorhersehbare Dinge passieren werden. Aber wir werden anhand der Szenarien lernen, wie die weitere Entwicklung aussehen könnte, und dabei können wir lernen, ob/wann wir Gegenmaßnahmen starten müssen/sollten, damit uns die Lage gerade eben nicht so eskaliert.
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Ich wünsche mir wie jeder andere auch, dass es nicht so kommt, wie in den folgenden Grafiken gezeigt. Aber das werden wir wohl nicht ohne etwas Einsatz unsererseits bekommen!
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Wir haben vielleicht die gleiche Situation wie im März: Eine neue, wahrscheinlich ansteckendere Mutation ist bereits in nennenswerter Zahl im Land, und wir lockern und öffnen, weil ja die Zahlen runtergehen.
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Im schlimmsten Fall passiert jetzt genau das gleiche wie im März: Durch weitere Lockerungen befeuern wir die Ausbreitung der neuen Mutation, die uns dann mit etwas Zeitverzögerung überholt.
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Haben wir aus der Vergangenheit gelernt und gehen diesmal präventiv vor, anstatt “erstmal zu schauen” und dann in 8 Wochen der Situation wieder hinterherzulaufen?
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Im Blog leite ich die Annahmen und Ausgangswerte für die folgenden Berechnungen her, bitte dort nachlesen.
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dirkpaessler.blog/2021/05/16/mod…
So könnte der weitere Verlauf aussehen, wenn es zu keinem Ausbruch von Mutationen kommt, die ansteckender sind. Die drei Grafiken unterscheiden sich in der Annahme der R-Werts, der unterhalb Inzidenz 100 stattfindet, wenn keine “Bundesnotbremse” aktiv ist:
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Hier sieht man, dass unser Spielraum für Lockerungen sehr klein ist. Wir sollten auch schon ohne Mutation nur behutsame Öffnungsschritte machen (öffnen+abwarten, usw.), weil es schnell passieren kann, dass wir ins Wachstum kommen – und dass fällt uns im Herbst auf die Füße.
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Und jetzt nehmen wir mal die Mutation B.1.617.2 dazu, mit hypothetisch 10% höheren Ansteckung, die Anfang Mai bei 2% der Fälle startet:
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So wie B.1.1.7 zwischen Januar und März das Infektionsgeschehen übernommen hat, würde nun die Mutation das Geschehen übernehmen bis Ende des Sommers.
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Wenn wir uns mit Lockerungen klar zurückhalten über den Sommer könnten wir noch gut durch den Herbst/Winter kommen, mit nur kleinen zusätzlichen Maßnahmen könnten wir sogar die blaue Welle noch knacken.
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Aber ab einem RWild von 1,3 ginge es Ende August steil bergauf bis zum Jojo-Lockdown der Notbremse. Immerhin wäre die Notbremse noch stark genug um das Geschehen um Inzidenz 100 schwingen zu lassen.
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Sollte die Mutation 30% ansteckender sein, dann reichen die Maßnahmen der Notbremse kaum mehr um das Ansteigen der Inzidenzen zu stoppen. Das Absinken der Inzidenzen würde bereits im Juni stoppen.
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Als schlechtestes Szenario zeige ich noch wie es aussehen würde mit einer Mutation, die 50% ansteckender wäre als B.1.1.7. – was ich allerdings nicht für sehr wahrscheinlich halte. In keinem Szenario wäre die Notbremse in der Lage, das Wachstum bis fast 400 aufzuhalten.
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Hier der Vergleich von 10%, 30% und 50% ansteckenderer Variante bei 20% Immun-Escape (d.h. die Impfung schützt um 20% weniger vor Ansteckung).
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Zum Schluss die gute Nachricht! Außer im extremen Szenario würden die Zahlen der Intensivpatienten durch die Notbremse überschaubare bleiben. Zahl der Verstorbenen sieht ähnlich aus. Und ich in diesem extremen Fall könnten wir das mit verschärften Maßnahmen noch vermeiden.
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Zusammenfassung: Die direkten Probleme durch die Infektionen (Krankenstand, Quarantäne, usw.) und die Folgeprobleme (7-12% der Infizierten bekommen LongCovid) bleiben bestehen, und erreichen in eigentlich allen hier gezeigten Szenarien schwierige Dimensionen...
20/x
... außer wir halten uns mit den Lockerungen klar zurück (zumindest müssen wir in kleinen Schritten lockern, und immer wieder schauen, was dann passiert) und die ansteckendere Mutation bleibt aus oder liegt unter +10% Ansteckung .
21/x
So oft wie man gerade in den Medien das Wort “Lockerungen” hört&liest scheint es mir aber so zu sein, dass uns selbst eine nur um 10% mehr ansteckende Mutation mindestens den Herbst versaut, und auch den Sommer könnte es noch empfindlich treffen.
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Man kann natürlich auch einfach hoffen, dass Deutschland mit einem blauen Auge davon kommt, dass wir von B.1.617.2 nicht so arg getroffen werden wie andere Länder, und einfach weiter lockern. Vernünftig scheint mir diese Strategie allerdings nicht.
23/x
Jetzt bei Öffnungen noch etwas Zurückhaltung zu üben – für 3-6 Wochen, bis wir mehr Informationen über die Mutation haben – würde uns m.E. viel mehr Handlungsoptionen für die Zukunft offen halten UND könnte uns gleichzeitig in den Niedrig-Inzidenz-Bereich bringen.
24/25
Alles ausführlich im Blog geschrieben
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dirkpaessler.blog/2021/05/16/mod…

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6 May
Der Pandemie-Tanz am Abgrund: Was wir über den Sommer tun entscheidet wie unser Herbst wird!

Man kann das nicht oft genug sagen: Egal wie der Sommer wird, wir müssen uns drauf einstellen, dass ab etwa September die Inzidenzen wieder hochgehen werden.

Was tun?

Threat/Blog
1/25
Die Pandemie geht nicht einfach weg.

Und zwar aus vier Gründen:

1. Im September läuft die “Saisonalität” aus, die uns im Sommer eine abgesenkte Ansteckungsrate schenkt (siehe Lexikon der Pandemie: “Saisonalität”).
dirkpaessler.blog/2021/05/02/lex…
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2. Zu Schulbeginn treffen Millionen von ungeimpften U16 aufeinander (bis dahin ist keiner unter 16 wirksam geimpft), das sind ca. 20% der Bevölkerung!

3. 40-50% der Erwachsenen unter 50 wollen sich (zumindest z.Zt.) nicht impfen lassen.

3/x
Read 25 tweets
6 May
Was man sich klar machen muss: Wenn die Erwachsenen im Herbst zu 60-70% geimpft sind, dann sind die Kinder und Jugendlichen die letzte homogene Gruppe, die normalerweise viele soziale Interaktionen hat und dabei immer noch immun-naiv sind.
Threat
1/x
Da könnte das Virus so richtig loslegen – Corona-Party im Klassenzimmer. In meinem Modell ergeben sich in versch. Szenarien Inzidenzen von 500-700 für die Gruppe der unter-12-Jährigen (die 12-16 Jährigen würden in meinem Modell ab August geimpft).
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Bei Inzidenz von 700 ist an keinen normalen Unterricht zu denken, denn ständig sind Klassen in Quarantäne/Isolation.
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Read 10 tweets
2 May
Zeit sich mit der Saisonalität zu beschäftigen: Ein Threat.

Die Saisonalität kann eine erheblichen Verlauf auf die Fallzahlenentwicklung der Pandemie haben — aber nur dann, wenn der durch das Verhalten bzw. die Maßnahmen „erzeugte“ R-Wert bereits im Bereich um 1 liegt: ...

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...dann können im Frühling aus steigenden Zahlen wie von Geisterhand sinkende Zahlen entstehen, ohne dass sich das Verhalten geändert hat. Wir laufen seit Monaten beim R-Wert um die eins herum.
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Jetzt sinken die Zahlen schneller als die Impfungen das alleine geschafft hätten, und im blödesten Fall entsteht bei den Entscheidern der Eindruck: ach, guck mal, die Pandemie läuft aus…. Oder – noch schlimmer – man öffnet auch noch dies&das.
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Read 19 tweets
30 Apr
Auf Basis meines Landkreis-Pandemie-Prognose-Modells habe ich für die Region Nürnberg Vorhersagen für die nächsten Wochen erstellt.

Hier der Vergleich der Prognose-Kurven.

@stadtfuerth @nuernberg_de @erlangen_de @LRA_ERH @landkreisfuerth

THREAD
1/x Image
@erlangen_de rutscht gerade in diesen Tagen nochmal unter die 100, das würde in meinem Modell die Notbremse nochmal öffnen, und zwar zu früh (die Impfungen und die Saisonalität können das nicht auffangen), sodass dann nochmal die Inzidenz ansteigen müsste...
2/x
... und der Peak erst im Mai erreicht wird. Alle anderen sind noch über 100 und haben ihren Peak jetzt oder gerade gehabt.

Über den Sommer liegen die Landkreise und Städte zwischen 25 und 50 und am Ende des Sommers laufen alle in einen Jojolockdown.

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Read 9 tweets
30 Apr
Neue Version meines Pandemie-Prognose-Modells mit div. Verbesserungen!

Good News: Absinken ab dieser Woche. Mit Bundesnotbremse bleibt die 3. Welle in den ITS auf Niveau der 2. Welle

Bad News: Im Sommer Inzidenz um 50, im Herbst Jojo-Lockdown mit U16/Kinder-Welle

THREAD 1/x
Ich habe die maximalen Impfquoten pro Altersgruppe aktualisiert und habe - hoffnungsvoll - Impfungen für 12-16 ab August und für Jüngere ab November eingebaut.

Quelle Quoten:
2/x
Damit ergibt sich aktuell (26.4.2021) in den nächsten Wochen mit Bundes-Notbremse und sonst keinen Änderungen an unserem Verhalten bzw. den Maßnahmen (weder Lockerungen noch Verschärfungen) folgender Verlauf der Fallzahlen:
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Read 10 tweets
26 Apr
Willst Du besser verstehen, wie verschiedene Parameter der Pandemie ineinandergreifen? Mehr R, weniger Saisonalität, schnelleres Impfen, Notbremse bei 100, 50 oder 10? #nocovid oder aufmachen?

Hier kommt ein Modell zum interaktiven Lernen
THREAD
1/x

dirkpaessler.blog/2021/04/26/spi…
Welche Möglichkeiten haben wir denn, um die Pandemie zu steuern? Mit meinem Modell kannst Du spielerisch die Wirkung dieser Parameter kennenlernen. Und das auch noch mit den Zahlen von Deinem Landkreis.
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Im Video stelle ich das Modell vor und zeige, wie sich da Verändern der Parameter auf den weiteren Verlauf auswirkt:

3/x
Read 14 tweets

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