Zwei Sätze zu Lukaschenko, Belarus und Protasevich.
Diejenigen, die gerade über "Staatsterror", "Flugzeugentführung", "Terrorismus" und ähnliches twittern, haben Recht. Vielleicht nicht Alle und möglicherweise nicht immer. Aber das Allermeiste ist richtig und angemessen.
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Was gerade in Belarus unter der Herrschaft eines Diktators passiert ist eine weitere inakzeptable Grenzüberschreitung. Seit Jahrzehnten werden die Menschen in Belarus unterdrückt. Ihnen wird ihre Freiheit genommen und ihr Wunsch nach Demokratie wird blutig niedergeschlagen.
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Deutschland und die EU haben nun die Aufgabe jede Art von Sanktion gegen die Machthaber zu überprüfen und diplomatische Wege auszuloten, um das Leben der Regimegegner zu retten.
Wer dort aufbegehrt wird gefoltert und getötet. Und das Mitten in Europa.
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Wer nun allerdings von einem "Präzedenzfall" spricht, von einem "beispiellosen Vorfall", der irrt. Mein erster Impuls als ich diese Nachricht gelesen habe, war eine Erinnerung an die Behandlung von Evo Morales, der in Österreich landen musste.
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Warum eigentlich? Nun, weil mehrere europäische Staaten auf Geheiß der USA ihren Luftraum für die Präsidentenmaschine gesperrt hatten. Es ging in Sicherheitskreisen das Gerücht um, Morales hätte Edward Snowden in Moskau aufgenommen. Das Gerücht bestätigte sich nicht.
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Beide Vorfälle lassen sich natürlich nicht zu 100% vergleichen. Und doch springt die Morales-Geschichte ins Auge, wenn nun über Lukaschenko diskutiert wird. Und auch wenn Einzelheiten unterschiedlich sein mögen, die Grundaspekte sind nahezu identisch.
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„Flugzeug wird umgelenkt, damit ein Staat seinen Regimekritiker verfolgen kann, dem er mit Todesstrafe droht“ ist in beiden Fällen zumindest nicht gänzlich von der Hand zu weisen.
In diplomatischer Hinsicht ist die Behandlung Morales sogar ein deutlich schlimmerer Verstoß.
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In seinem Fall wurde in die internationale Immunität eines amtierenden Staatspräsidenten eingegriffen, wurde der Luftraum zu seinem Weiterflug gesperrt, wurde rechtswidrig dessen Flugzeug durchsucht.
Das waren gleich mehrere Verstöße gegen geltendes Völkerrecht.
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Im Falle Lukaschenkos soll eine Militärmaschine ein vollbesetztes Passagierflugzeug "begleitet" haben, sollen Geheimdienstler die Sicherheit an Board gefährdet haben.
In diesem Fall war die Gefahrenlage zweifelsohne bedeutend höher. Für eine Vielzahl von Menschen.
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Was mit Protasevich nun geschehen wird, weiß niemand. Möglicherweise wird er gefoltert, möglicherweise wird er getötet, möglicherweise wird seine Familie bedroht.
Es ist Schlimmes zu befürchten.
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Unter 100xsolidaritaet.de schildern viele mutige Menschen, wie das Lukaschenko-Regime mit Kritikern und Gegnern verfährt. Die Schilderungen sind zuweilen nicht auszuhalten. Und dennoch, oder gerade deswegen, ist es so wichtig, dass wir von ihnen hören.
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Ein Präzedenzfall ist diese Flugzeugentführung in Belarus allerdings nicht. Beispiellos auch nicht. Wer so etwas behauptet irrt, wer es ungeprüft und unwidersprochen aufnimmt und aufschreibt ebenfalls.
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Warum ist das wichtig? Aus journalistischer Perspektive, weil eine solche Wortwahl falsch ist, sie falsches suggeriert, weil ein solcher Vorwurf in keiner Hinsicht den weltpolitischen Geschehnissen gerecht wird.
Nun funktionieren Eilmeldungen anders als Leitartikel.
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Es steht aber zu befürchten, dass auch in den Leitartikel vergessen werden wird, dass es nicht Weißrussland, sondern die USA waren, die in mehreren hundert Fällen (!) Menschen in Flugzeugen entführen ließen, um sie anschließend zu foltern.
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Diese Erwähnungen und Berichte machen die Menschenrechtsverstöße in Belarus in keiner Weise besser. Sie gehören aber zur Wahrheit dazu. Sie gehören dazu, wenn Menschen sich in Sachen "Folter" und "staatlicher Flugzeugentführung" eine Meinung bilden sollen.
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Aus der politischen Perspektive ist die Sache deutlich gravierender.
Auch wenn gerade viele Journalistinnen und Politiker den Vorwurf der Doppelmoral verneinen: Warum hat Deutschland nicht eingegriffen als die USA Menschen per Flugzeug entführt und gefoltert haben?
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Darunter deutsche Staatsangehörige?
Und was Belarus betrifft: Wie kann es sein, dass Deutschland, dessen Repräsentanten nun Lukaschenko Staatsterror und ähnliches vorwerfen, seine Polizei abstellte, damit diese Lukaschenkos Milizen ausbilden?
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Deutschlands Umgang mit Belarus und seine "Sicherheitspolitik" mit den USA haben nachhaltige Schäden angerichtet und viel politische Glaubwürdigkeit gekostet. Und diejenigen, die sich auf Twitter Gratismut antrinken, sollten wissen, dass wir um deren Verfehlungen wissen.
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Vielleicht sollten die Politiker:innen, die gerade laut tönen genau das im Hinterkopf behalten. Dass es in der Politik kaum ein höheres Gut gibt als die eigene Glaubwürdigkeit. Dass politische Entscheidungen auch Jahre später noch wiederkehren und Schaden anrichten können.
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Bleibt nur zu hoffen, dass die Menschen in Belarus heil aus dieser Sache herauskommen mögen.
Außerdem ist heute Pfingsten. Vielleicht helfen ja Gebete.
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Weil sich gerade alle Welt über Lukaschenko und die Umleitung eines Flugzeuges über dem belarussischen Luftraum erregt, möchte ich gerne an diesen Vorfall erinnern.
Wer mag, kann mir ja mal den Unterschied erklären.
Wer die Einwanderung in dieses Land für eine „orchestrierte Maßnahme“ hält, die der „Zersetzung unserer Gesellschaften“ diene, als „Teil einer perfiden Strategie, zu der auch die „Auflösung familiärer und lokaler Zusammenhalte“, die „Entwurzelung“ von Menschen …“
"Das Leben von Jüdinnen und Juden in diesem Land ist gefährdet. Und auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen, scheitern wir als Gesellschaft regelmäßig daran, das Leben und die körperliche Unversehrtheit unserer jüdischen Mitmenschen zu schützen.
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Solange jüdische Kinder in Hochsicherheitsgebäuden zur Schule gehen müssen, solange nicht die deutsche Polizei, sondern eine einfache Holztür den Schutz jüdischer Gemeindemitglieder gewährleistet, solange scheitern wir daran, das jüdische Leben in diesem Land zu schützen.
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Und solange wir den Antisemitismus in diesem Land nur dann anprangern, wenn er in unsere politische Agenda hineinpasst, wenn wir ihn zu rassistischen Kampagnen ummünzen, weil er Klicks bringt und Auflage, weil sich damit Wählerstimmen kaufen lassen, ...
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In derselben "Dalli Dalli"-Sendung saß auch Jürgen von der Lippe, der mir bei "hart aber fair" erzählt, dass man nichts mehr sagen dürfe, dass er mundtot gemacht würde. Dass das N-Wort wirklich nicht schlimm sei.
Schlimm sei vielmehr die "Cancel Culture". Schlimmschlimmschlimm.
Oder Wolfgang Thierse, der ebenfalls gecancelt wurde und nun in allen Talkshows sitzt. Für den das ZDF eigens öffentlich finanzierte Sondersendungen produziert, in denen er nun regelmäßig vor einer Gefahr für die Meinungsfreiheit warnen darf. Er. Wolfgang Thierse.
Geäußert haben sich mittlerweile (kein Scherz!) auch der Handballspieler Stefan Kretzschmer, die Eiskunstläuferin Kati Witt und (festhalten!) der Frontmann von Scooter, H.P. Baxxter. Allesamt warnen vor einer Verrohung des Diskurses und dass man nichts mehr sagen dürfe.
Das ist also der aktuelle Stand in der politischen Auseinandersetzung.
Kampagnen gegen Linke, Kampagnen gegen Liberale, Verleumdungen, Diffamierungen, auffallend häufig gegenüber Frauen. Mit dem Ziel die Reputation und die wirtschaftliche Existenz zu zerstören.
Hier machen sich Unbekannte an der Gedenkseite des verstorbenen Vaters zu schaffen. Auch hier schließen sich Beleidigungen, Bedrohungen an. Mit dem klaren Ziel eine Politikwissenschaftlerin fertig zu machen und sie zum Schweigen zu bringen.