Die Ökonomen @WielandVolker @HansGruener @FuestClemens haben ein orthodoxes Pamphlet gegen umweltfreundliche Geldpolitik geschrieben. Fazit vorab: Es ist uninformiert, bleibt oberflächlich und ignoriert entscheidenden Streitpunkt. Zur Aufklärung ein Thread zeitung.faz.net/faz/wirtschaft…
Weltweit wollen Notenbanken ihre Geldpolitik klimafreundlich ausrichten. Seit Dez gehört auch die Fed zum Netzwerk, das operative Optionen auslotet. Speziell auf den Klimaschutz ausgerichtete Programme, wie sie Aktivisten fordern, sind nicht vorgesehen. ngfs.net/en
«Nicht zu handeln, ist keine Option», sagt Sabine Mauderer vom @Bundesbank Vorstand. Der EZB-Rat ist sich einig (inklusive der Deutschen), dass er keine eigenständige Klimapolitik betreiben oder den Klimawandel steuern will, wie die Ökonomen suggerieren. fuw.ch/article/aktion…
Tatsächlich stellt sich die @ecb vor die Wahl, ob sie ein Beitrag im Kampf gegen Klimawandel leistet: Wird sie umweltfreundlicher oder behält sie umweltfeindliche Praktiken bei. Unberührt davon, wie konkret sie quantifizieren kann, dass der Klimawandel die Preise beeinflusst.
Die Öffentlichkeit würde von der EZB auch eine Anpassung der Geldpolitik fordern, wenn sie ihr Mandat (Preisstabilität) unsozial oder diskriminierend umsetzt. Denn die EZB darf die Wirtschaftspolitik der EU nicht konterkarieren sondern muss sie laut den EU-Verträgen unterstützen.
Der EZB geht es nicht um Risiken für Preise und Finanzsystem, die aus anderen Politikbereichen entstehen, von der sie ihre Geldpolitik abgrenzen müsste. Hier liegt ein zentraler "Denkfehler" der Ökonomen: Es geht um die Risiken der Klimawandels, der ist keine Politik.
Jede Politik beeinflusst aber immer Preise und das Finanzsystem. Umgekehrt versuchen Notenbanker auch die Politik zu beeinflussen (z.B. Fiskal). Ein strikte Abgrenzung gibt es nicht. Sollte die EZB Handel- oder Aussenpolitik behindern, würde es eine Debatte geben. Keine Sorge.
Die EZB darf den Übergang zur kohlenstoffneutralen Wirtschaft nicht verlangsamen/behindern. Klimafreundliche Geldpolitik kann sie nicht zu einer unabhängigen Akteurin machen: Sie agiert nie unabhängig, auch wenn gewählte Politiker nicht ins Tagesgeschäft eingreifen dürfen.
Konkret heisst das: EZB-Rat und Bundesbank sind sich einem Punkt einig, in einem anderen nicht. Komplett unstrittig auch unter konservativen Währungshütern: EZB kann dabei helfen, dass die Unternehmen am Anleihemarkt ihre Klimarisiken besser offenlegen.
Argument der drei Orthodoxen aus Deutschland, die EZB wolle Klimarisiken selber identifizieren ist sogar falsch und bewusst irreführend. Es geht schliesslich darum, dass in erster Linie die Marktteilnehmer und Politik die Offenlegung der Risiken von den Unternehmen verlangen.
Niemand will die EZB zur Umweltagentur ausbauen. Gleichwohl müssen die Standards für die Offenlegung sich noch weiter etablieren. Doch hat niemand den Anspruch, dass diese Standards von der EZB aufgestellt werden. Das ist frei erfunden von drei Orthodoxen aus Deutschland.
Dazu hat EZB-Rat Fabio Panetta in seinem jüngsten Blogbeitrag geschrieben, dass die EU und die Länder die Standards und Klassifkationen finden müssen und können... ecb.europa.eu/press/blog/dat…
Auch heute passt sich die EZB an Marktstandards an, in dem sich ihre Geldpolitik an der Bonitätsbewertung von privaten Ratingagenturen ausrichtet. Bereits heute überlässt es die EZB dem Markt die Kreditwürdigkeit von Unternehmen einzuschätzen.
Dazu Jens Weidmann von der @Bundesbank, der als konservativer Währungshüter gilt und dennoch einen potentiellen Beitrag der EZB zu einer umweltfreundlichen Geldpolitik erkennt... bundesbank.de/de/presse/rede…
Die drei Ökonomen tun arg uninformiert so, als wäre die Bevorzugung grüner Anleihen das einzige Mittel umweltfreundlicher Geldpolitik. Sie ist aber eine von vielen operativen Optionen, die aktuell bei der EZB aber keine zentrale Rolle in der Diskussion spielt.
Aktuell gibt es zu wenige grüne Anleihen, wie die Währungshüter immer wieder selber betonen. Hier eine Übersicht zu allen operativen Optionen des erwähnten Netzwerks Greening the Financial System (NGFS) von 90 Notenbanken und Aufsichtsbehörden. (pdf) ngfs.net/en/adapting-ce…
Die Bevorzugung grüner Anleihen hätte allerdings Vor- und Nachteile wie jedes geldpolitische Instrument. Die drei Ökonomen aus Deutschland unterlassen so eine Abwägung, sie bewegen sich oberflächlich eh auf einem Nebenschauplatz, das ist nicht der Hauptstreitpunkt im EZB-Rat.
Eine Option wäre zum Beispiel der Ausschluss bestimmter Anleihen wie EZB-Rätin @IsabelSchnabel im September vorgeschlagen hat. ecb.europa.eu/press/key/date… Schon damals hat sie angedeutet, dass es dafür bisher zu wenige grüne Anleihen gibt, die zudem noch unzuverlässig eingestuft sind
Wenn es im EZB-Rat unstrittig ist, dass die Notenbank die Offenlegung von Klimarisiken der Unternehmen forcieren kann, ist ein zentraler Streitpunkt die Frage der Marktneutralität, die die @Bundesbank bislang um keinen Millimeter aufweichen will. Weidmann: bundesbank.de/de/aufgaben/th…
Diesen Streitpunkt ignorieren die drei Ökonomen komplett. Marktneutralität meint, nach welchen Kriterien die EZB Unternehmensanleihen kauft. Anders als bei Staatsanleihen richtet sich hier die Marktneutralität der EZB aktuell nach dem ausstehenden Volumen der Anleihen.
Übertragen auf den Markt der Staatspapiere würde dies bedeuten, dass die EZB verstärkt italienische Anleihen kaufen müsste, nur weil Rom absolut mehr Schulden als Deutschland und die andern Euro-Länder aufgenommen hat.
Denn bei Staatsanleihen richtet sich die Marktneutralität der EZB bei den Anleihekäufen nach dem Kapitalschlüssel, der sich jeweils zur Hälfte an der Bevölkerungszahl und am Bruttoinlandsprodukt eines Landes ausrichtet.
Nun hat @IsabelSchnabel kürzlich Studienergebnisse gezeigt, wonach beim Kauf von Unternehmensanleihen eine Neudefinition der Marktneutralität (gemessen am Kapitaleinkommen) zu einem umweltfreundlicheren Kaufverhalten der EZB führen würde. ecb.europa.eu/press/key/date…
Denn aktuell bevorzugt die EZB Papiere von Industrieunternehmen, nur weil die mehr Schulden haben. Aber nach dem Kapitaleinkommen müsste sie verstärkt Anleihen von Dienstleistern kaufen, die viel weniger Schadstoffe emittieren als die Industrie.
Es geht nicht um Abschaffung der Marktneutralität, denn sie soll so angepasst werden, dass sie umweltfreundlicher wäre als die aktuelle Praxis. Auf diese strittige Frage finden die drei Ökonomen keine Antwort, weil auch hier keine Überdehnung des EZB-Mandats ersichtlich ist. /end

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