Was sind Risikofaktoren für psychische Störungen? Spezifische Ursachen sind bisher kaum bekannt. Risikofaktoren sind meist „konfundiert“ (also miteinander verworren) – so wie z.B. Schwangerschaftskomplikationen und psychosoziale Umstände. 1/14
Das macht es unmöglich von kausalen Wirkungen auf die Entwicklung zu sprechen. Wie gehen Wissenschaftler:innen mit diesem Problem um? Grundsätzlich ist eine komplexe Herangehensweise notwendig, in der mehrere Faktoren gleichzeitig in ihrer Interaktion, ... 2/14
... in ihren Auswirkungen und im Längsschnitt (am besten von Geburt an bis ins Erwachsenenalter) untersucht werden.
Manchmal aber kommt es auch auf den Zufall an, wie z.B. in dieser Studie: onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.100…
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2013, explodierten zwei in Rucksäcken versteckte Sprengsätze auf der Zielgeraden des Boston-Marathons, der jährlich am Patriots’ Day stattfindet. Durch die Explosionen wurden drei Menschen getötet und mehrere Hundert verletzt. de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_…
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Von einigen Jugendlichen, die diesem Anschlag ausgesetzt waren, lagen aus einer vorherigen Studie bereits Daten vor. Diese Daten konnten so zur Vorhersage spezifischer Symptome 4 Wochen *nach* dem Anschlag herangezogen werden. 5/14
Mit anderen Worten: Es gibt einen zeitlich vorausgehenden Faktor (Anschlag), der *sehr wahrscheinlich* auf den Störungsbeginn wirkt. Wir wissen auch, dass sich die Jugendlichen bzgl. eines Risikofaktors unterschieden haben (hier die Weise, wie sie ihre Emotionen regulieren). 6/14
Die Studie zeigte, u.a., dass Jugendliche, die vor dem Anschlag zu Schwierigkeiten in der Regulation von Emotionen neigten, infolge des Anschlags mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung entwickelten. 7/14
Die Autor:innen sprechen hier von einem „transdiagnostisch“ relevanten Risikofaktor, also einem Faktor, der über viele unterschiedliche Störungsbilder hinweg eine Relevanz hat. 8/14
Die Studie hat eindeutige methodische Mängel, wie z.B. dass die Stichprobe vergleichsweise klein war (was die Genauigkeit/Zuverlässigkeit der statistischen Analysen beeinträchtigt). 9/14
Auch ist fraglich, ob ein Zeitraum von 4 Wochen ausreicht, um die Entwicklung spezifischer Symptome nachvollziehen zu können. Was aber am wichtigsten ist: 10/14
Der Großteil der Stichprobe war dem Angriff indirekt ausgesetzt (z.B. Nachrichten). Es ist fraglich, wie valide Verallgemeinerungen darüber sind, welche Wirkung die identifizierten Risikofaktoren im Rahmen einer *direkten* Traumaexposition entfalten (z.B. Verletzung). 11/14
Trotz dieser Mängel finde ich die Studie sehr hilfreich, um zu illustrieren vor welchen besonderen Herausforderungen wir in der Erforschung psychischer Störung und ihrer Entwicklung stehen. 12/14
Und bei der Posttraumatischen Belastungsstörung ist es vergleichsweise einfach, einen konkreten Auslöser zu finden (wobei das bei Kindern nicht immer so einfach zu explorieren ist, s. Thread von @Traumaimpuls). Aber, was sind Auslöser einer Depression oder Essstörung? 13/14
Wie interagieren sie mit Eigenschaften des Kindes/Jugendlichen, wie mit dem Entwicklungsstand? Es ist komplex! Nachher zeige ich Euch an einem Bsp. aus meiner eigenen Forschung, wie wir diese Zusammenhänge zu entschlüsseln versuchen. 14/14
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Psychische Störungen haben lebensgeschichtlich ihr Debüt in der Adoleszenz. Aber warum ist das so? Eine Antwort bieten uns – wieder einmal – Entwicklungsprozesse und -aufgaben! 1/10
In der frühen Jugendphase kommt es einerseits zu starken neurobiologischen Veränderungen, aber auch der soziale Kontext ändert sich. Peer-Beziehungen werden immer wichtiger/intensiver, und es kommt häufiger zu Reibereien mit anderen. 2/10
Insbesondere bei heranwachsenden Mädchen beobachten wir eine Zunahme interpersoneller Stressoren. Mit diesen „sozio-affektiven“ Herausforderungen geht eine erhöhte neuronale Empfindlichkeit gegenüber der Ausgrenzung durch Gleichaltrige einher. 3/10
Symptome der Schlaflosigkeit sind keine Seltenheit im Kindes- und Jugendlater. Doch, wie persistent sind diese Symptome und wie wirken Sie sich auf das psychische Wohlbefinden der Kinder aus? 1/4 sciencedaily.com/releases/2021/…
Wissenschaftler:innen des @PSHResearch sind diesen Fragen anhand von Daten von 700 Kindern über einen Zeitraum von 15 Jahren nachgegangen (insgesamt gab es drei Befragungszeitpunkte (9. Lj. - 16. Lj. -24 Lj.) 2/4
Bei ca 40% (!!) der Kinder blieben die Schlafprobleme während der Adoleszenz (16) bis ins junge Erwachsenenalter (24) bestehen. Diese Proband:innen hatten gleichzeitig ein deutlich erhöhtes Risiko eine psychische Störung zu entwickeln. 3/4
Alles ist Entwicklung! Das Schwierige (und Faszinierende) an der Klinischen Psychologie des Kindes- und Jugendalters ist, dass wir immer im Hinterkopf behalten müssen, vor welchen Entwicklungsherausforderungen die Kids stehen. 1/11
Das bedeutet, dass wir für die Einschätzung der klinischen Relevanz bestimmter Schwierigkeiten ein gutes Verständnis typischer Entwicklungsphänomene benötigen. Wir sind also zugleich Entwicklungspsycholog:innen. 2/11
Warum? Nur so kann die Bedeutung eines spezifischen Verhaltens adäquat beurteilt werden. So sind z. B. Trennungsängste weit verbreitet, für bestimmte Entwicklungsphasen aber nicht weiter bedenklich. Weniger eindeutig ist es bei den sozialen Ängsten. 3/11
Diese Abbildung beschäftigt mich seit einiger Zeit. Sie stammt aus einer Metaanalyse, in der das weltweit durchschnittliche Lebensalter ermittelt wurde, in dem psychische Erkrankungen zum ersten Mal auftreten. 1/8
Auf Basis von 192 epidemiologischen Studien (also Daten von 708,561 (!!) Proband:innen, bei denen eine psychische Störung diagnostiziert wurde), fanden die Autor:innen, dass das mittlere Alter über alle psychischen Störungen hinweg bei 14,5 Jahren lag. 2/8
Die rosa Schattierung bildet dabei das Konfidenzintervall ab – den Bereich, der mit einer 95%igen Wahrscheinlichkeit den wahren Wert einschließt. 3/8
Heute ist der letzte Tag meiner Twitterübernahme und ich möchte euch noch ein paar gute Empfehlungen mitgeben🧵
Der Film "Zeit des Erwachens" basiert auf wahren Begebenheiten, die der britische Arzt Oliver Sacks in den 1960ern erlebte. Sayer erfährt von einem Medikament namens Levodopa, mit dem die Parkinson-Krankheit behandelt wird. ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️/5 Filmempfehlungssternen
Der Film "Love and other drugs - Nebenwirkungen inklusive" handelt von Jamie und Maggie. Jamie arbeitet als Pharmavertreter und trifft Maggie. Maggie ist jung und schön und Maggie hat Parkinson.
⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️/5 Filmempfehlungssternen
Vor- und Nachteile des Studierens/Promovierens (wie ich sie empfinde) 🧵
Vorteile: für mich war die kreative Entfaltung ein riesiges plus. Projekte frei gestalten und Ideen einbringen, sich dabei weiterentwickeln. Man lernt immer tolle neue Leute kennen, nochmal etwas internationaler, wenn man ins Ausland geht.
Vorteile Teil 2: Speziell in der Datenanalyse/Bioinformatik gibt es gute Jobchancen und idR gutes Gehalt. Man lernt seine Grenzen kennen, aber auch schätzen. Ich habe das Gefühl, dadurch bin ich stressresistenter geworden.