Psychische Störungen haben lebensgeschichtlich ihr Debüt in der Adoleszenz. Aber warum ist das so? Eine Antwort bieten uns – wieder einmal – Entwicklungsprozesse und -aufgaben! 1/10
In der frühen Jugendphase kommt es einerseits zu starken neurobiologischen Veränderungen, aber auch der soziale Kontext ändert sich. Peer-Beziehungen werden immer wichtiger/intensiver, und es kommt häufiger zu Reibereien mit anderen. 2/10
Insbesondere bei heranwachsenden Mädchen beobachten wir eine Zunahme interpersoneller Stressoren. Mit diesen „sozio-affektiven“ Herausforderungen geht eine erhöhte neuronale Empfindlichkeit gegenüber der Ausgrenzung durch Gleichaltrige einher. 3/10
Aber: Eine erhöhte Sensibilität für soziale Ausgrenzung & Ablehnung ist bis zu einem gewissen Grad normal & nicht alle Heranwachsenden entwickeln eine behandlungsbedürftige Störung. 4/10
Aus diesem Grund ist es wichtig, individuelle Unterschiede zu identifizieren, die die emotionale Reaktion von Jugendlichen auf soziale Ausgrenzung modulieren.
Diese Fragen bilden den Kern meiner wissenschaftlichen Arbeit. 5/10
Eine Methode zur Erfassung dieser Prozesse bildet das sog. „ambulatory assessment“. Dabei bekommen die Kids ein Studiensmartphone, über welches sie mehrfach am Tag – außerhalb der Schulzeit natürlich – Fragen zu ihrem Alltag beantworten. 6/10
In einer aktuellen Studie haben wir 129 Mädchen im Alter von 11 und 13 Jahren gebeten, 16 Tage lang zu berichten, wie sie sich in Situationen mit Peers gefühlt haben. Haben Sie sich verbunden gefühlt? Ausgeschlossen? Welche Gefühle haben sie erlebt? 7/10
Mädchen, die sich selbst als sozial ängstlich beschrieben reagierten im Alltag viel intensiver auf ihre Peers. Ohne, dass sie einen Streit berichteten, gaben sie öfter an, sich weniger stark verbunden zu fühlen & berichteten öfter Zustände der Niedergeschlagenheit. 8/10
Mit dieser Studie konnten wir also verdeutlichen, wie sich ein Risikofaktor (soziale Ängstlichkeit) im Alltag bemerkbar macht.
In Abh. der Entwicklungsphase spielen also ganz spezifische Umweltbedingungen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung psychischer Störungen. 9/10
Dieser Artikel beschäftigt mich sehr! Eine Abbildung, über die ich gestern lange mit einer Kollegin diskutiert habe, ist diese hier. Warum? Weil wir in der Praxis häufig beobachten, dass mildere Ausprägungen sog. „Persönlichkeitsstörungen“ auch vor dem 20. Lj. auftreten. 1/16
Ein gutes Beispiel hierfür: Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Sie bezeichnet eine Störungsgruppe, die durch eine massive affektive Instabilität und Dysregulation gekennzeichnet ist. 2/16
Betroffene berichten meist von einer einschießenden, starken Spannung, die als äußerst aversiv erlebt wird und keiner klaren, handlungsweisenden Emotion zugeordnet werden kann. 3/16
Schüchternheit ist ein Temperamentsmerkmal und insgesamt ist es so, dass schüchterne Kinder ein höheres Risiko haben, später eine Angststörung zu entwickeln. Wichtig ist aber, dass die Größe dieses Einflusses verhältnismäßig klein ist. Dazu gibt es ein ganz wunderbares Paper. 1/7
Das bedeutet, dass die meisten schüchternen Kindern später keine Angststörung entwickeln. Zudem ist es auch so, dass Kinder und Jugendlichen mit einer Angststörung oft berichten, früher nicht besonders schüchtern gewesen zu sein. 2/7
Ein relevanteres Konstrukt ist die Verhaltenshemmung. Sie ist charakterisiert durch Schüchternheit, emotionale Zurückhaltung und Vermeidung unbekannter Menschen oder unvertrauter Situationen. Hier ein Beispiel:
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Symptome der Schlaflosigkeit sind keine Seltenheit im Kindes- und Jugendlater. Doch, wie persistent sind diese Symptome und wie wirken Sie sich auf das psychische Wohlbefinden der Kinder aus? 1/4 sciencedaily.com/releases/2021/…
Wissenschaftler:innen des @PSHResearch sind diesen Fragen anhand von Daten von 700 Kindern über einen Zeitraum von 15 Jahren nachgegangen (insgesamt gab es drei Befragungszeitpunkte (9. Lj. - 16. Lj. -24 Lj.) 2/4
Bei ca 40% (!!) der Kinder blieben die Schlafprobleme während der Adoleszenz (16) bis ins junge Erwachsenenalter (24) bestehen. Diese Proband:innen hatten gleichzeitig ein deutlich erhöhtes Risiko eine psychische Störung zu entwickeln. 3/4
Was sind Risikofaktoren für psychische Störungen? Spezifische Ursachen sind bisher kaum bekannt. Risikofaktoren sind meist „konfundiert“ (also miteinander verworren) – so wie z.B. Schwangerschaftskomplikationen und psychosoziale Umstände. 1/14
Das macht es unmöglich von kausalen Wirkungen auf die Entwicklung zu sprechen. Wie gehen Wissenschaftler:innen mit diesem Problem um? Grundsätzlich ist eine komplexe Herangehensweise notwendig, in der mehrere Faktoren gleichzeitig in ihrer Interaktion, ... 2/14
... in ihren Auswirkungen und im Längsschnitt (am besten von Geburt an bis ins Erwachsenenalter) untersucht werden.
Manchmal aber kommt es auch auf den Zufall an, wie z.B. in dieser Studie: onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.100…
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Alles ist Entwicklung! Das Schwierige (und Faszinierende) an der Klinischen Psychologie des Kindes- und Jugendalters ist, dass wir immer im Hinterkopf behalten müssen, vor welchen Entwicklungsherausforderungen die Kids stehen. 1/11
Das bedeutet, dass wir für die Einschätzung der klinischen Relevanz bestimmter Schwierigkeiten ein gutes Verständnis typischer Entwicklungsphänomene benötigen. Wir sind also zugleich Entwicklungspsycholog:innen. 2/11
Warum? Nur so kann die Bedeutung eines spezifischen Verhaltens adäquat beurteilt werden. So sind z. B. Trennungsängste weit verbreitet, für bestimmte Entwicklungsphasen aber nicht weiter bedenklich. Weniger eindeutig ist es bei den sozialen Ängsten. 3/11
Diese Abbildung beschäftigt mich seit einiger Zeit. Sie stammt aus einer Metaanalyse, in der das weltweit durchschnittliche Lebensalter ermittelt wurde, in dem psychische Erkrankungen zum ersten Mal auftreten. 1/8
Auf Basis von 192 epidemiologischen Studien (also Daten von 708,561 (!!) Proband:innen, bei denen eine psychische Störung diagnostiziert wurde), fanden die Autor:innen, dass das mittlere Alter über alle psychischen Störungen hinweg bei 14,5 Jahren lag. 2/8
Die rosa Schattierung bildet dabei das Konfidenzintervall ab – den Bereich, der mit einer 95%igen Wahrscheinlichkeit den wahren Wert einschließt. 3/8