Mein Outing im persönlichen Umfeld habe ich ja soweit abgeschlossen. Ich ziehe mal Bilanz.
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Zuerst habe ich meine beste Freundin eingeweiht und das lief unspektakulär ab. Nicht, dass sie es schulterzuckend zur Kenntnis genommen hätte, aber mehr als ein paar interessierte Fragen und Sorgen um meine Sicherheit waren da nicht.
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Später, im Freundeskreis war das nicht ganz so. Zwar kamen die meisten auch gut klar damit, aber eben nicht alle. Zwei brachen den Kontakt mehr oder weniger ab, interessanterweise die, bei denen ich es nicht erwartet hatte.
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Dafür waren andere sehr aufgeschlossen, bei denen ich eigentlich Bedenken hatte. Anfangs war ich oft Gesprächsthema wenn wir uns trafen, aber mit der Zeit wurde mein (damaliges) Hobby doch langsam alltäglich und weniger interessant.
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So ging das eine ganze Weile bis ich mir sagte, dass meine Eltern es doch besser wissen sollten. Zwingend nötig war es nicht, da wir in verschiedenen Städten leben. Aber ich wollte nicht immer aufpassen müssen, dass ich mich nicht verplappere.
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Und außerdem: Ich fordere immer ein, das Stigma abzubauen und mache gleichzeitig meinen Eltern was vor? Das passte nicht zusammen für mich.
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Zuerst erfuhr es meine Mama, als sie mich besuchte. Darüber habe ich ja damals getwittert, deshalb wiederhole ich es nicht alles nochmal. Sie hatte eine Menge Fragen und auch etwas Bauchschmerzen, aber über die Zeit hat sich das toll entwickelt.
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Sie steht voll hinter mir und wenn ihr manchmal etwas unwohl ist, dann ist das nachvollziehbar. Nicht aus moralischen Gründen, sondern weil eine hundertprozentige Absicherung einfach nie möglich ist, wie überall.
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Dann wollte ich auch meinen Papa einweihen, aber mir kam der Lockdown in die Quere. Das geplante Treffen platzte und es war nicht absehbar, wann man sich endlich wieder besuchen kann. Irgendwann spürte ich, dass ich nicht endlos warten kann.
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Also schrieb ich ihm einen Brief mit meiner "Beichte" und Erklärungen dafür. Ich hätte mir das anders gewünscht, denn es wäre besser gewesen, sich dabei in die Augen zu schauen. Aber es war wie es war.
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Kurz drauf kam seine Antwort, ebenfalls als klassischer Brief. Er akzeptierte die Entscheidung, schrieb aber auch offen, dass er damit Probleme hat und nicht weiß, wie er damit umgehen soll. In der Folge sprachen wir einige Male über das Thema.
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Jetzt mit moderneren und schnelleren Kommunikationsmitteln. Er hatte zahlreiche Fragen, manche wirkten seltsam, manche grundsätzlich. Insgesamt, tja. Ich habe mich in seinen Augen falsch entschieden, aber ich bin erwachsen und er respektiert das.
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Das ist okay, denke ich.
Gemischte Erfahrungen habe ich mit Ärzt*innen gesammelt. Es kam vor, dass ein Arzt mir Respekt erklärte für den nicht immer einfachen Beruf. Genauso spürte ich oft aber auch deutliche Ablehnung. Schade, aber that's life.
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Fazit? Eigentlich eher positiv. Die Menschen, die mir wichtig sind, stehen zu mir und akzeptieren mich. Und auch bei Twitter kommen auf jeden Sexworkgegner 1.000 aufgeschlossene und offene Leute. Das ist schön.
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Stellt euch noch mal vor, es ist kein Corona, ich bin wieder die Vanessa, hab einen Freund und ein kleines Kind und ich möchte ins Sexwork einsteigen. Diesmal in einem Land mit „nordischem Modell“. 1/14
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Ich bin gesetzestreu und das ist erstmal einfacher als in Deutschland, denn anmelden muss ich mich nicht. Sex verkaufen darf ich, blöd ist nur, dass es für den Kunden strafbar ist, das Angebot anzunehmen.
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Aber ist ja sein Problem, denke ich mir und Nachfrage gibt es ja immer. Also, dann kanns losgehen. Wieder fragt sich, wo und wie. Ein Bordell? Nein, gibt es nicht legal, das fällt ja unter das Verbot.
Stellt euch mal vor, es ist kein Corona, ich bin jetzt die Vanessa, hab einen Freund und ein kleines Kind und ich möchte ins Sexwork einsteigen. Okay? Gut. 1/15
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Ich halte mich an die Gesetze, deshalb besorg ich mir erstmal einen Termin auf dem Amt. Dort gibt es zwei Gespräche, bei denen ich allein erscheinen muss, mein Freund darf nicht mit.
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Im ersten geht es darum, ob ich es freiwillig mache, ob ich weiß was mich so erwartet und welche Rechte und Pflichten so bestehen. Wenn ich Glück habe, ist der Mitarbeiter kompetent, mit Pech wurde er vom Chef dazu verdonnert und hat wenig Bock darauf.
Ich will mal noch was zum Thema #lovemobil sagen. Wer es nicht mitbekommen hat, das ist eine Doku, in der Prostituierte im Wohnwagen porträtiert und begleitet werden und die vor allem von Abolis gern empfohlen wurde. 1/15
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War halt alles drin, Elend, unangenehme Freier, Zuhälterin, Osteuropa und Afrika... Die Doku wurde mehrfach ausgezeichnet und gerade für den Grimmepreis nominiert. Dummerweise waren die Mitwirkenden aber großteils Darsteller und sehr vieles inszeniert.
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Wenn sich bei RTL2 eine vermeintliche Doku als scripted reality herausstellt, dann wundert man sich kaum. Aber wenn wie hier der NDR dahintersteht, dann schon. Das stört mich mit am meisten, denn das ist manipulativ. Als gäbe es nicht schon genug Klischees über uns.
Heute mal ein paar Sätze zu einem beruflichen Thema, mit dem ich weniger zu tun habe, aber das ich natürlich auch mitbekomme: Partnerschaft und damit verbundene Probleme. 1/14
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Ich bin recht gerne Single und vermisse nichts. Familie ist trotzdem eine Option später. Und das kann dann problematisch werden, auch wegen dem Stigma, welches Sexwork immer noch in großen Teilen der Gesellschaft hat.
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Denn das bezieht sich nicht allein auf die SexworkerInnen, sondern auch auf die Familie. Da schwebt immer die Gefahr mit, dass etwa das Jugendamt einen Hinweis bekommt und das Wohl der Kinder gefährdet sieht und sie im schlimmsten Fall entzieht.
3/4 Tweepsmap scheint zwar relativ seriös zu sein, aber letztlich gibt es nur diese schwammige Erklärung in der FAQ (zum besseren Verständnis übersetzt):