Ein kleiner Rückblick auf neun Versionen Pandemie-Modell: Bringen Modelle Erkenntnisgewinn?

Im Rückblick auf die letzten 4 Monate habe ich die Inzidenzverläufe von 9 Modellversionen mit dem tatsächlichen Verlauf verglichen.

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dirkpaessler.blog/2021/07/11/ruc…
Seit März entwickle ich ein Berechnungsmodell, das versucht, den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie für einige Wochen in die Zukunft abzuschätzen und das inzwischen in Version 11 vorliegt.
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Die Quelldateien des sich ständig verändernden Berechnungsmodells stelle ich als Google Sheet hier in diesem Blog zur Einsicht zur Verfügung.
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Die ständige Veränderung entsteht zum Einen durch das Einpflegen von ständig neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und zum Anderen durch einen ständigen Lernvorgang durch den allwöchentlichen Abgleich der Prognosewerte mit den einlaufenden neuen Realwerten.
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Im Rückblick auf die letzten 4 Monate habe ich die Inzidenzverläufe aus den öffentlichen Dateien der letzten 9 Modellversionen in eine Grafik gezeichnet, sodass man sie mit dem tatsächlichen Verlauf vergleichen kann.

Bei einer Analyse kann man folgendes feststellen:
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1. Die Zeitpunkte der beiden Schlüsselaugenblicke der letzten 3 Monate, nämlich den Knick nach unten im April sowie den Knick nach oben Ende Juni, wurden zeitlich ziemlich genau vorausberechnet.
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2. Jeweils für die kommenden 6-8 Wochen liegen meine Modellberechnungen gut in der Nähe des sich dann tatsächlich ergebenden Verlaufs — insb. wenn man bedenkt, dass wir hier von einem Amateur-Modell sprechen.
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3. Mit einer Ausnahme: Der Absturz der Inzidenz ab Ende Mai und im Juni wurde nicht korrekt berechnet – und damit auch die Inzidenzen im Juni. Aber da bin ich in guter Gesellschaft, auch viele Profi-Modelle hatten das nicht korrekt vorhergesagt.
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4. Inzwischen habe ich meine Modellparameter entsprechend neu getrimmt (u.a. die Wirkung der Saisonalität auf 30% und Wirkung von Schnelltests auf 8%), sodass das Modell jetzt einen korrekteren Verlauf berechnet.
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5. Der Anstieg einer Welle ist anscheinend leichter zu berechnen als der Abstieg.
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Was hier deutlich wird: Die Pandemie ist durchaus berechenbar. Es ist mit genügend Genauigkeit möglich aus der aktuellen Situation unter Betrachtung der wahrscheinlichen Verhaltensänderungen der Bevölkerung den weiteren Verlauf für einige Wochen abzusehen.
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Wenn mein Modell daneben lag, dann eher zu unseren Gunsten, dann wurde die Situation viel besser als berechnet. Die Worst Case Abschätzung des Modells funktionierte besser als die Best Case Abschätzung.
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Oder anders gesagt: Wir stehen dem Verlauf der Pandemie nicht schutzlos gegenüber: Durch Modellberechnungen kann man absehen, welche Auswirkung Verschärfungen oder Lockerungen haben und wann man lockern darf oder verschärfen muss.

Wenn man will.
#irgendwelchekurven
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Zitat Modellierer @DirkBrockmann: “Jedes Szenario, das aber länger als drei bis vier Wochen versuche in die Zukunft zu schauen, sei im Grunde zum Scheitern verurteilt.”
Damit dürfte er recht haben. Und doch sind Modellrechnungen besser als raten oder hoffen&abwarten.
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12 Jul
Müssen wir uns evtl. mit dem Gedanken anfreunden, dass die Rate der schweren Verläufe und Verstorbenen pro Fall bei einer Delta-Infektion deutlich höher ist als mit Alpha?
Ich meine 2-4 mal so hoch? Was einen Großteil der statist. Impfwirkung zunichte machen würde?
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Von vorne: Mir war aufgefallen, dass mein Modell in den letzten Wochen die ITS-Belegung und die Sterbezahlen immer mehr untertrieben hat, d.h. zu gute Werte berechnet hat. DIVI meldete viel mehr Fälle als mein Modell.
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Der Unterschied wurde immer größer je größer der Delta-Anteil an den Infektionen wurde. Erst als ich die mit-delta-infizierten ITS-Patienten mit einer um den Faktor 4 höheren ITS-Quote berechnet habe (also 4x der Quote von Alpha), passten die Zahlen zueinander.
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5 Jul
Das RKI hat Modellrechnungen für die Delta-Welle veröffentlicht, die zu bemerkenswert ähnlichen Ergebnissen wie meine Amateur-Modellrechnungen vom Wochenende kommen.

Key Learning: Wir müssen mehr Leute dazu bringen sich impfen zu lassen!!!

Kurzer Vergleichs-Thread

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Im Basisszenario rechnet RKI mit 90% Impfquote bei den ≥60-Jährigen, 65% Impfquote bei den 12–59-Jährigen, Dominanz der Delta-Variante und Verhaltensänderung bei steigender ITS-Auslastung. Ergebnis: maximale Inzidenz von ca. 400 und maximale ITS-Auslastung von ca. 6.000.
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Das entspricht fast exakt allen Eingangsparametern meines Szenario A (leider das "aggressivsten" Szenario), das als höchste Inzidenz 340 und einen Bedarf von 11.000 ITS Betten berechnet, allerdings tritt diese Spitze bei mir 2 Monate früher ein als beim RKI.
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Read 13 tweets
4 Jul
In einem neuen Blog-Artikel nähere ich mich mit Modellrechnungen der Beantwortung von 7 wichtigen Fragen zur Delta-Welle.

Ausführlich im Blog-Artikel dirkpaessler.blog/2021/07/04/8-f…, hier im Thread nur einige Auszüge
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Unser Problem: Datenbasis zu Delta sehr schlecht im Moment. Es bleibt m.E. vorerst noch für mind. 1-3 Wochen unklar, was aktueller Stand von Ausbreitung und Ausbreitungsgeschwindigkeit ist - das wäre aber die Voraussetzung, um das zuverlässig weiter zu schreiben.
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Sechs Szenarien mit leicht unterschiedlichen Delta-R0 und Lockerungsstrategien zeigen, dass noch fast alles möglich ist, inklusive ein Ausbleiben der Welle, wenn wir uns entscheiden würden, gegen den Anstieg was zu machen. Es wäre gar nicht mal so viel nötig!
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Read 17 tweets
4 Jul
Ist uns allen klar, dass wir den Gewinn an Schutz durch die Impfung von 80-90% zum Teil wieder zunichte machen, weil wir Geimpften viele Freiheiten einräumen bzw. weil sich Geimpfte wieder viele Dinge erlauben, die ihr persönliches Risiko wieder hochtreiben?
Hier die Case-Fatality-Rate verschiedener Länder, inklusive derer, die die höchsten Impfraten haben:

Die Wahrscheinlichkeit an einer Infektion zu sterben hat sich im Jahresverlauf durch das Impfen nicht fundamental verändert.
In UK ist in Delta-Welle die Hospitalisierungsrate wieder hoch gegangen von 0,5% auf 1% der Fälle. Hier vereinfacht dargestellt mit 2 Grafiken, die ich von @BristOliver
geklaut habe. Würden die Impfungen eine erheblich Wirkung auf diese Rate haben, müsste man das m.E. hier sehen
Read 4 tweets
29 Jun
Wenn im Spätsommer oder Herbst mit Delta die 4. Welle durch Deutschland läuft wird vieles anders sein als in Welle 2 und 3. Und zwar in 4 Bereichen:

1.Mehr Dynamik
2.Weniger Tote/Intensivpatienten
3.Massive Ausfälle durch Quarantänewellen
4.Noch spätere Gegenmaßnahmen

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Im Folgenden werde ich einfach mal laut denken und ein mögliches Szenario für den Herbst zu beschreiben, um dann zu erklären, was wir tun könnten um dieses zu vermeiden oder zumindest massiv zu zähmen.

Fangen wir mit den Basisfakten an:
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A: Delta breitet sich mit einem R0 von ~6 viel dynamischer aus als Alpha. Sowas kennen wir hier noch nicht. Nicht einmal Impfweltmeister Israel ist gegen ein Ansteigen gefeit. Wenn es losgeht, geht es schnell.
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17 Jun
Aus den #DeltaVariante Daten vom RKI von gestern könnte man herauslesen, dass es zu keiner Eskalation mit Delta kommt, denn die absoluten Zahlen steigen nicht so schnell wie befürchtet.

Aber... Was ist mit der Wirkung der Lockerungen?

Thread
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Die stabileren Zahlen, die das RKI uns aktuell liefert gehen nur bis KW 20 (17.5.), das ist ein Monat her. Diese Fälle haben sich nochmal eine Woche vorher angesteckt, also KW19. Da hatte die Notbremse gerade mal angefangen zu wirken.
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Wenn wir annehmen, dass es zu keinen Lockerungen kommt, und damit der R für B.1.1.7/Alpha jede Woche um 2% sinkt (Impfung) und der R-Wert Abstand zu Delta konstant ist, könnte der weitere Verlauf bis August so aussehen. Prima!
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