Es gibt tatsächlich keine Entkopplung der Belastung der Krankenhäuser von der Inzidenz. Die Quoten für Hospitalisierungen, ITS-Patienten und Sterbefälle sind zwar durch die Impfungen verändert im Vergleich zur 2/3. Welle, aber nur um den Faktor ca. 2-5.
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Wenn man nur genügend Neuinfektionen zulässt (und das geht im exponentiellen Wachstum sehr schnell), erreicht man auch wieder jede beliebige Kliniküberlastung.
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Die folgende Grafik zeigt die Fall-Quoten für Hospitalisierung und Sterbefälle seit März, man kann gut sehen, dass die Werte bis Mai durch die Impfungen alle gesunken sind.
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Im Mai und Juni sieht das alles etwas unstetig aus, da hat es m.E. Melde-Probleme und größere Dunkelziffern gegeben. Aber seit dem die Fallzahlen wieder steigen und damit die Zahlenbasis besser wird, finden die Quoten wieder zusammen.
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Die gestrichelten Linien sind die Quoten, mit denen mein Modell rechnet und man kann in der Grafik sehen, dass diese ganz gut zu den tatsächlichen Werten passen (genaueres wissen wir erst mit mehr Daten in 2-3 Wochen). 6/x
Nach meinem Modell werden aktuell ca. 4% der Fälle hospitalisiert und 0,7% versterben (wobei mein Modell altersgruppen-basiert und die Impfrate beachtend viel detaillierter rechnet als hier vereinfachend gezeigt).
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Da unsere Impfkampagne arg ins Stottern gekommen ist, werden sich diese Werte in den nächsten 2 Monaten nicht mehr nennenswert verbessern, eher durch Nachlassen der Impfwirkung sogar verschlechtern.
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Wer heute geimpft wird, hilft erst in 8 Wochen mit beim Bremsen, somit werden weitere kurzfristige Impf-Fortschritte beim jetzt anstehenden Anstieg in die 4. Welle kaum mehr Einfluss nehmen.
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Wir werden weiter unten sehen, dass es für die Gesamtentwicklung keinen großen Unterschied macht, wenn ich Quoten-Werte um z.B. den Faktor 2 falsch einschätzen würde, denn bei einer Verdopplungszeit von 10-14 Tagen wäre dieser Unterschied bereits +/- 2 Wochen ausgeglichen.
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Da es diese feste Kopplung zwischen Fallzahl und Klinik-Belastung gibt, hat die Inzidenz eben nicht ausgedient als Indikator, auch wenn wir uns höhere Inzidenzen “leisten” können, ohne die Kliniken gleich zu überlasten.
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Im Folgenden habe ich mit 4 Szenarien gerechnet, die ich erstmal ohne Blick auf politische Machbarkeit ausgesucht habe: 12/x
Insgesamt denke ich, dass ein mehr oder weniger erfolgreiches Pandemie-Management an den Schulen, wo noch für Monate die meisten ungeimpften Menschen lange in Innenräumen zusammensitzen, mitentscheidend dafür sein wird, wie schlimm es wird im Herbst. Pessimismus!
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Die Inzidenzkurven dazu sehen so aus: Wie man sieht spannt sich der “Raum der Möglichkeiten” für den Herbst auf von Inzidenz 200 bis zu einer Spitzeninzidenz von fast 2000. 14/x
Die gepunkteten Linien zeigen alle meine seit Anfang Juli veröffentlichten Modellrechnungen, man sieht dass wir uns bei den Szenarien 1-3 am oberen Ende der bisherigen Modellrechnungen bewegen, hoffentlich stoppt dieser Trend und meine Modelle sind pessimistisch genug.
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Beim Betrachten von Inzidenzen von mehreren Hundert müssen wir auch im Hinterkopf behalten, dass wir in Deutschland – zumindest beim aktuellen Testkonzept – kaum Inzidenzen über 200 messen können.
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Diesbezüglich dürften die Zahlen meiner Modelle von den RKI-Meldungen kaum erreicht werden, und sind trotzdem da (gigantische Dunkelziffer) und haben trotzdem Folgen.
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Was sind die Folgen der hohen Inzidenzen? 18/x
Als ersten Eindruck schauen wir auf ITS-Bettenbelegung mit COVID-Patienten, die sich aus oben gezeigten Inzidenzen ergeben würde. Wir sehen, dass wir ohne Bremsen in irgendeiner Form zur Bundestagswahl eine ITS-Belegung hätten wir in der Spitze der letzten Welle im April. 19/x
Übrigens würden geimpfte Personen im Herbst etwa ein Drittel der ITS-Patienten ausmachen in meiner Modellrechnung. Etwa 50% der Hospitalisierungen im Herbst sind laut meiner Modellrechnung Geimpfte (also ähnlich wie wir das in Israel sehen).
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Hier die Folgen der 4 Szenarien im Überblick 21/x
Fazit: Auch nach längerem Herumspielen mit weiteren Szenarien kann ich mit meinen Modellrechnungen keine Variante außer dem oben gezeigten Szenario 4 (=sofortige Einschränkungen) finden, die ohne klare Verschärfung von Maßnahmen Überlastung des Gesundheitssystems vermeidet.
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Je später diese Maßnahmen ergriffen werden, umso heftiger müssen sie ausfallen. Und dabei sind die oben angesprochenen anderen Schäden und Folgen von hohen Inzidenzen noch gar nicht betrachtet, weil sie zahlenmäßig schwer zu greifen sind.
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Unser Impffortschritt ist mit “60% und ein bisschen” einfach noch sehr weit davon entfernt, dass wir die Pandemie ohne nicht-pharmazeutische Maßnahmen beherrschen können. Wir müssen die Spitze der 4. Welle ausbremsen und parallel dazu impfen was das Zeug hält.
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Im Blog Artikel wird das alles ausführlich und übersichtlich beschrieben und auch das Modell nochmal kurz beschrieben. 26/x dirkpaessler.blog/2021/08/23/wir…
PS: 50 und 4 mal verdoppeln sind natürlich 800, nicht 400. Danke für die Hinweise. 🥴
Der Inzidenz-Verlauf im Juli und August waren aus Modellierer-Sicht “einfach”. Jeweils am Monatsanfang konnte man die Inzidenz für das Monatsende mit sehr guter Genauigkeit vorhersagen, hier z.B. das Ergebnis des Vorhersagewettbewerbs für August:
Jetzt im September staunen wir alle darüber, dass das Inzidenzwachstum eine Pause macht. Im September-Vorhersage-Wettbewerb liegen die meisten Teilnehmer mit ihren Vorhersagen zwischen 200 und 350, und damit dürften wir alle deutlich zu hoch liegen
Im Herbst haben wir eine Serie von ungünstigen Entwicklungen, die in ihrer Kombination eine starke Ausbreitung von Delta und damit ein schnelles Anwachsen der Fallzahlen produzieren werden.
Eine Aufzählung der pessimistischen Perspektiven, auf die wir achten müssen!
Thread
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Treiber #1: fast 40% der Deutschen sind nicht geimpft. Selbst wenn sich jemand gleich heute noch impfen lässt, wird seine Impfung nicht mehr gegen den Anstieg der 4. Welle helfen, weil die Wirkung erst in 6-8 Wochen einsetzt. Das haben wir vergeigt.
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Treiber #2: Die handlungsunfähige/unwillige Politik scheint noch 2 Monate den Inzidenzen beim Wachsen zuschauen zu wollen. Wir wissen, dass es dann mindestens so lange dauert die Inzidenz wieder abzusenken und dass dies härtere Maßnahmen erfordert als das Bremsen. Unklug!
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Für nächste 6-8 Wochen ist das gar nicht mal so schwer, denn es geht wohl einfach weiter wie in den letzten 6 Wochen. Fast alle anderen Schlüsselzahlen (Hospitalisierungen, ITS-Betten, Sterbefälle, LongCovid-Fälle) hängen – durch mathematische Regeln bzw. Quoten festgelegt...
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... – in Abhängigkeit von der Impfquote mehr oder weniger fix an diesen beiden Werten. Da gibt es zwar hier und da Unsicherheiten um den Faktor 2, aber bei einer Verdopplung alle 2-3 Wochen bedeutet das nur eine Verschiebung vom 2-3 Wochen hin oder her.
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Wenn man von vielen Impfdurchbrüchen liest könnte man auf den Gedanken kommen, dass die Impfungen doch gar nix bringen. Aber da täuscht man sich gewaltig, wie die folgenden Grafiken aus meinem Modell zeigen.
Thread/Blog
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Anmerkung: Das ist noch ein experimentelles neues Feature des Modells zu dem mir noch externe Daten zur Verifizierung der Zahlen fehlen – in 4 Wochen haben wir diese Daten aber.
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Um zu berechnen, welche Inzidenz wir uns "leisten" könnten, braucht man Hospitalisierungsrate und CFR, die auf Fallzahlen basiert. Diese Daten sind seit 6 Wochen sehr seltsam. Beim Vergleich verschiedener Quellen liegen die Quoten um Faktor 2 und 4 auseinander (!).
THREAD 1/x
Zur Hospitalisierungsrate und zur Case-Fatality-Rate (CFR) habe ich Daten aus 2 Quellen zusammengestellt, einmal die Standard-Zahlen vom RKI und dazu die wöchentlichen Sterbefälle von @risklayer und die wöchentlichen Hospitalisierungen der @DieDgina Notaufnahme Ampel.
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Neu seit 19.7. gibt es die Hospitalisierungen aus dem RKI Tagesbericht. Hinzu kommen dann noch die Quoten aus meinem Prognose-Modell, das so getrimmt ist, dass es die offiziellen und bisher verfügbaren Zahlen möglichst gut "nachfährt".
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Auch neue Daten aus dieser Woche machen nur noch deutlicher, dass um grau markierten Bereich die Zahlen "stinken". Entweder unsere Fallzahlen in Deutschland sind um ca. 50% zu niedrig, oder die Delta-Variante macht 100% kränker.
Einige Beobachtungen: Thread 1/x
Seit Montag meldet das RKI im Tagesbericht die Hospitalisierungen, wenn ich die Summe der vergangenen 5 Tage auf 7 Tage hochrechne (x/5*7, oranger Knubbel im Graph), liegt dieser Wert genau auf meiner Modell-Hospitalisierungsrate für die aktuelle Kalenderwoche.
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Ich habe in Grafik zusätzlich als neue Datenquelle "Anzahl der Hospitalisierungen" der @DieDgina Notaufnahme Ampel mit reingenommen (rote Linie), eine Metrik die tägliche tagesaktuell von den teilnehmenden Kliniken abgefragt wird (hochgerechnet auf ganz D).
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