Thread by @narkosedoc

CN Kind / Tod

In Norddeutschland stirbt ein kleines Kind bei einer notfallmedizinischen Behandlung.
Das ist furchtbar, die schlimmste, anzunehmende Katastrophe.
Den Eltern gilt mein ausdrückliches und tief empfundenes Beileid.

ndr.de/nachrichten/sc…

Allen besorgten Eltern sei gesagt - ein echter Kindernotfall ist extrem selten. Ein fataler Ausgang wie hier ist noch viel seltener.
Hier kam alles zusammen was schief gehen kann. Trotzdem weist dieser Vorfall erneut auf ein Problem im deutschen Rettungsdienst hin.

Wir brauchen regelmäßige Wissens- und Leistungsüberprüfungen von Notärztinnen und Notärzten.
Ich gehe weiter und fordere, dass diese Zertifzierungen nicht nur einen Alibi-Charakter erfüllen dürfen, sondern ein Nicht-Bestehen Konsequenzen hat, wie z.B. den Verlust der Fachkunde.

Das wird nie passieren, würde es de facto doch bedeuten, dass ein erheblicher Anteil der aktuell aktiven Notärztinnen und Notärzte ausgeschlossen werden würden. Dabei klaffen jetzt schon in den meisten Dienstplänen erhebliche Lücken.

Aber darf man eine Lücke im Dienstplan mit einer Person auffüllen, die die Qualifikation nicht erfüllt?

Notfallmedizin ist kein Hobby.
Wir brauchen keine NotärztInnen für ärztlich begleitete Taxifahrten.

Wir brauchen NotfallmedizinerInnen, die den PatientInnen einen echten Benefit bringen. Dafür bedarf es technischer Skills und sozialer Kompetenzen und die erworbenen Fähigkeiten müssen geübt und das notfallmedizinische Fachwissen aktuell gehalten werden.
Das ist teuer.

Das ist nicht umsetzbar, weil wie überall das Geld fehlt.
Es fehlt schlicht an gut qualifiziertem Personal was diese hohen Anforderungen erfüllt. Also nimmt man die Notärztinnen und Notärzte die da sind und akzeptiert die damit einhergehenden Defizite in der Versorgung.

Wenn wir das ändern wollten, bräuchten wir eine tiefgreifende, echte Reform des Notarztsystems. Mit mehr Kompetenzen für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter und weniger aber dafür höher qualifizierten Notarztstandorten.

Die dort eingesetzten NotfallmedizinerInnen müssen echte ExpertInnen in ihrem Gebiet sein. Der Facharztstatus wäre das absolute Mindestmaß für das Anforderungsprofil der Notfallmedizin. Unter Stress müssen selbständige Entscheidungen getroffen werden mit begrenzten Ressourcen.

In der Klinik gibt es dafür Oberärztinnen und Oberärzte, die BerufsanfängerInnen unterstützend zur Seite stehen. Kein Weiterbildungsassistent darf ohne Supervision eines Facharztes/einer Fachärztin Notfallnarkosen machen.
"Draußen" ist es dann okay, warum eigentlich?

Zusätzlich müssen Notärztinnen und Notärzte regelmäßige Traumaversorgung-/Kindernotfallkurse absolvieren, klinische Praxis in der Narkoseführung auch bei kritisch kranken PatientInnen sammeln.
Ein Teamleitungstraining und Kommunikationstraining zur Ausbildung der SoftSkills.

Und vor allem - eine echte, jährliche Rezertifizierung die diesen Namen auch verdient und die nicht nur abgesessen wird.
Das wäre was.
Bis sich das geändert hat, wird es immer wieder solche und ähnliche Vorfälle geben.

Die verantwortlichen Verbände müssen das ändern, sonst wird das System immer wieder solche fatalen Katastrophen produzieren.
Wer den Eltern sein Beileid ausspricht um danach schulterzuckend zum Tagesgeschäft zurück zu gehen, hat eine Mitschuld an zukünftigen Toten.

PS:
Fachlicher Nachschub darüber wie man sich auf Kindernotfälle vorbereiten kann und ein bißchen was über Cognitive Aids (für Fachpublikum) ganz frisch unter pin-up-docs.de/2021/09/26/ueb…