Thread by @AndreasHoev

Heute ist meine neue Studie mit einem Update zur Verbreitung von Corona-Skepsis und Verschwörungsmythen in der aktuellen @boeckler_de @WSIInstitut Erwerbspersonenbefragung mit Daten von Mitte Juli erschienen. Hier im längeren Thread zusammenfassende Details zur Studie 👇

Ich fokussiere im Folgenden auf 6 Aussagen; einige mit eindeutig konspirativen Elementen, andere zielen eher auf Corona-Skepsis u Zweifel ab. Interessant und wichtig: Befragte stimmen tendenziell allen Aussagen zu oder lehnen alle ab, sodass man Aussagen gut zusammenfassen kann.

Die Zustimmungswerte sind dabei beträchtlich (Stand: Juli '21): 20% können sich vorstellen, "dass hinter der Pandemie eine Elite steht, die eine neue Weltordnung schaffen will", 27% glauben nicht, "dass das Coronavirus so gefährlich ist, wie es häufig behauptet wird."

Diese Aussagen haben dieselben Befragten auch schon in früheren Befragungen bewertet. Die Entwicklungen sind recht eindeutig: die Zweifel und die Zustimmung zu den Mythen steigen im Zeitverlauf an. Lediglich die Zweifel an der Gefährlichkeit des Virus gehen im Zeitverlauf zurück.

Im Folgenden unterteile ich die Befragten in 3 Gruppen:

Befragte, die den 6 Aussagen...
im Schnitt zustimmen "hohes Ausmaß",
im Schnitt ähnlich häufig zustimmen, wie ablehnen "mittleres Ausmaß",
im Schnitt ablehnen "geringes Ausmaß"

...an Zweifeln & Verschwörungsmythen.

Wichtig zu bedenken, da oft missverstanden: es geht also nicht um Antwort auf 1 Aussage, sondern um *kombiniertes* Antwortverhalten. Zustimmung zu einer Aussage heißt erstmal noch nichts. Um hohes Ausmaß zugeordnet zu bekommen, muss im Schnitt allen 6 Aussagen zugestimmt werden.

Wenn die Befragten nun so zugeordnet werden, teilen 57% der Erwerbspersonen ein geringes, 24% ein mittleres und 18% ein hohes Ausmaß an Zweifeln und Mythen. Oder in anderen Worten: 18% der Erwerbspersonen in Deutschland stimmen allen 6 Aussagen im Schnitt zu.

Wer stimmt nun aber auffällig häufig zu? Dazu vergleiche ich im Folgenden einige Gruppen in ihrem Zustimmungsausmaß. Die Differenzen sind teilweise beträchtlich und im Zeitverlauf sehr stabil, sodass diese Gruppen bereits im letzten Sommer mit höheren Werten auffielen.

Männer und Frauen unterscheiden sich nicht. Wohl aber zeigen sich regionale Differenzen: Erwerbspersonen im Osten stimmen deutlich häufiger zu als im Westen. Im Osten mehr als jedeR 4. mit hohem Ausmaß! Zudem ein Alterseffekt: deutlich geringere Werte bei Älteren (>56 Jahren).

Deutliche Differenzen dann auch wenn Haushaltseinkommen u höchster Schulabschluss betrachtet werden: Größter Zuspruch zu Mythen unter Geringverdienenden u Erwerbspersonen mit Hauptschulabschluss. Zur Einordnung: deren Werte aber auf Niveau der Erwerbspersonen im Osten insgesamt.

Besonders relevant zudem sind die durch Coronakrise entstandenen existenziellen Sorgen: Befragte mit Einkommenseinbußen, mit Sorgen um ihren Arbeitsplatz oder mit Sorgen um ihre wirtschaftliche Existenz mit deutlich erhöhten Werten. Bei Letzteren stimmt fast jedeR 3. zu.

Zudem Zustimmung leicht erhöht unter bisher gesundheitlich Unbetroffenen oder mit Krisenmanagement der Bundesregierung Unzufriedenen. Wenig überraschend: Deutlich größere Zustimmung dann unter Erwerbspersonen, die die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie für unberechtigt halten.

Skepsis und Zweifel aber auch mit erheblichen Auswirkungen auf Verhalten: Zustimmung leicht erhöht unter Unbesorgten. Nochmal deutlich größere Zustimmung dann unter Erwerbspersonen, die die Corona-Proteste gegen Einschränkungen unterstützen oder die AHA-Regeln missachten.

In der Tendenz sicher zu erwarten, in dem Ausmaß dennoch krass: Zustimmung zu Zweifeln u Mythen besonders hoch unter AfD-Wählenden: 61% der Erwerbspersonen, die eine AfD-Wahlpräferenz angaben, stimmen im Schnitt auch den 6 Aussagen zu. Unter Grünen-, SPD-, Unions-Wählenden: 4-7%.

Wie sehr die Zweifel und Mythen aber auch das Impfverhalten beeinflussen, zeigen die abschließenden Analysen: Unter bereits Geimpften deutlich geringere Zustimmung (10-12%). Jedoch teilen knapp die Hälfte der Ungeimpften (Stand Mitte Juli) ein hohes Ausmaß an Zweifeln und Mythen.

Analog dann das Bild, wenn nur die Ungeimpften und deren Impfabsicht betrachtet wird: Impfbereite mit geringerer Zustimmung. Unter Impfunwilligen ist das Ausmaß an Mythen und Zweifeln dann enorm: Unter ihnen stimmen 82% im Schnitt den 6 Aussagen zu.

Es zeigt sich also, dass...
-Skepsis&Mythen weit verbreitet sind u zuletzt eher wieder ansteigen,
-drastische Verschwörungsmythen bei Vielen einhergehen mit Corona-Skepsis u wenig differenziert wird,
-benachteiligte und von Pandemie besonders betroffene Gruppen stärker zustimmen.

Erfolgsversprechend könnte hier bessere finanz. Abfederung der durch Krise entstandenen finanz. Folgen und damit der Kontrollverluste darstellen. Dies könnte äußerst wichtiges, Vertrauen-vermittelndes Gefühl zurückbringen, mit seinen finanz. Sorgen gesehen u vertreten zu werden.

Welch dramatische Folgen Corona-Skepsis und Verschwörungsmythen im Einzelfall haben können, zeigte jüngst der Mord in #IdarOberstein. Die Gefahr für demokr. Gesellschaften, die von Verschwörungsmythen ausgeht, zeigten Studien (@pia_lamberty) durch die enge Verbindung zu Gewalt.

Die zunehmende Radikalisierung einiger Querdenker:innen zeigt sich auch in häufigeren Attacken gegen Impfzentren, Drohungen/Gewalt gg. Journalisten u Politiker oder den befürwortenden Reaktionen auf den Mord in #IdarOberstein in Telegramm-Chats, wie @Cemas_io-Analysen ergaben.

In der vorliegenden Studie wurde nun nochmal deutlich, wie gering die Bindung von Verschwörungsmythiker:innen an demokratische Parteien ist: AfD ist einzige Partei im deutschen Bundestag, die diese Klientel anspricht. Ansonsten wird hier v. a. nicht oder ungültig gewählt.

Zudem zeigen sie besonders häufig unsolidarisches, sorgloses und regelmissachtendes Verhalten in der Pandemie. Befragte, die Mythen teilen, halten sich deutlich seltener an die AHA-Regeln und Sorgen sich wegen der Pandemie weniger um die eigene und die Gesundheit anderer.

Verschwörungsmythiker:innen stellen in Pandemiebekämpfung großes Hindernis dar: Nicht nur verweigern sie besonders häufig die Impfung, sie verhalten sich auch häufiger rücksichtslos, sodass sie eine stark erhöhte Wahrscheinlichkeit haben, bald sich selbst u andere zu infizieren.

Dennoch muss es weiterhin Ziel sein, Desinformation über vermeintlich geringe Virus-Gefährlichkeit oder vermeintliche Gefahr durch Impfung zu widerlegen. Dies muss trotz des nur noch begrenzten Zugangs zur Klientel erfolgen, damit Chance da ist, hier Vertrauen zurückzugewinnen.

Die vollständige Studie kann man hier downloaden: boeckler.de/de/faust-detai…

Hier die Pressemitteilung zur Studie: boeckler.de/de/pressemitte…