Dass Gene nicht bloß unsere Augenfarbe, sondern auch komplexe Aspekte des Lebens wie Bildungserfolg erheblich prägen, wissen wir längst aus Zwillingsstudien. Jetzt enthüllen wir langsam konkrete Genvariationen, die dafür verantwortlich sind. Was machen wir mit diesem Wissen? |1 Image
2| Die blauen Linien in der Grafik (Q1) stehen für die Erblichkeitsschätzungen einzelner Merkmale aus Zwillingsstudien. Orange steht für die Erblichkeit, die wir mit heutigem Wissen aus Genanalysen auf Bevölkerungsebene mit teils Millionen von Probanden (GWAS) errechnen können.
3| Beispiel: Zwillingsstudien suggerieren eine Erblichkeit von Bildungserfolg von ~40%. ~12% Erblichkeit können wir heute schon auf additive Effekte konkreter Genvarianten zurückführen. Vor ein paar Jahren waren es bloß ~2%. Dank immer größerer Samples wächst unser Wissen rasant.
4| Mit jedem Fortschritt in diesem Bereich werden individuelle Vorhersagen genetischer Risiken genauer -- nicht nur von Krankheiten, sondern auch von komplexen Verhaltensweisen (Zigaretten pro Tag) und biografischen Ereignissen (Bildungsniveau, Einkommen, Sexualverhalten).
5| Ich habe nicht den Eindruck, dass wir als Gesellschaft auch nur annähernd auf die sozialen Implikationen dieser Forschung vorbereitet sind. Das Thema wird gerne von allen Seiten höflich ignoriert, etwa wenn es um politische Fragen von sozialer Gerechtigkeit und Teilhabe geht.
6| Ich halte das für einen großen Fehler und würde es begrüßen, wenn wir als Gesellschaft uns demnächst einmal dazu durchringen könnten, über solche Fragen offen zu sprechen. Dann traut sich vielleicht auch die Politik endlich an das Thema ...

Quelle:
doi.org/10.1038/s41562…

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27 Oct
Alle Menschen haben Vorurteile. Ob wir wollen oder nicht, das Gehirn überträgt wahrgenommene Muster auf Menschen, bevor wir sie als Individuen erleben. Unklar ist, wie groß dieser Effekt in der Praxis ist. Eine schöne neue Studie über "erste Eindrücke" geht der Frage nach. |1
2| Im Fokus steht die Frage, wie viel eines ersten Eindrucks von Gruppenzugehörigkeiten (hier: nationale Herkunft als Proxy für Kultur) abhängt und wie viel von individuellen Faktoren der Beteiligten. Grundlage sind 2 Experimente mit 24.886 Bewertungen zu 13 einzelnen Merkmalen.
3| Hier das Resultat: Gerade einmal 3,2 % der Varianz wird von den Herkunftsvariablen erklärt, 29 % von Eigenheiten der Bewerter, 16 % von Eigenheiten der Bewerteten. Anders gesagt: Erste Eindrücke sind hier extrem individuell und hängen nur marginal von kultureller Herkunft ab.
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19 Oct
Schlafmangel, freiwillig und unfreiwillig, ist ein echtes Problem. Das ist Teil 2 meiner kleinen Werbekampagne für den Schlaf. Auch dieser Teil enthält wieder einen guten Grund und einen kleinen Tipp für guten Schlaf. Zum Einstieg aber eine Statistik: Schlafmangel und BIP (Q1) |1
2| Unser guter Grund heute: Schlafmangel macht dick. Mutmaßlich. Die Korrelation ist schon mal deutlich (Bild, Q2). In einer Metastudie war 1 verpasste Stunde Schlaf pro Nacht mit ca. 1,4 kg Zusatzgewicht assoziiert. Die Kausalität ist noch unklar, beide Richtungen sind möglich.
3| Studien haben aber schon einige Mechanismen identifiziert, wie Schlafmangel eine solche Gewichtszunahme auslösen könnte (Bild), darunter hormonale Veränderungen, die hungrig machen. Experimente ergeben: Wer weniger schläft, isst nicht nur mehr, sondern auch ungesünder (Q3).
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17 Oct
Der Mensch ist das vielleicht einzige Lebewesen auf dem Planeten, das freiwillig regelmäßig auf Schlaf verzichtet. Die Hälfte der Leute schläft 6h oder weniger pro Nacht (Q1). Jeder weiß (oder ahnt jedenfalls), dass das keine gute Idee ist. Ein bisschen Werbung für den Schlaf. |1 Image
2| Anders als sonst wird das hier kein langer Thread, sondern eine kleine Serie: immer ein guter Grund für mehr Schlaf und ein guter Tipp für besseren Schlaf. Kurz und knackig. Mal sehen, ob ich Ihnen etwas aus der Schlafforschung erzählen kann, das Sie noch nicht wissen.
3| Ein guter Grund für mehr Schlaf: Ein Experiment mit unausgeschlafenen Managern zeigt, dass müde Chefs ihre persönlichen Beziehungen im Team beschädigen, ohne diese Dynamik überhaupt zu bemerken. Sie sind emotionaler, konfrontativer und ungeduldiger (Q2).
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16 Oct
Warum Frauen nicht lustig sind: Diesen Titel wagte einst Christopher Hitchens für einen Essay. Die Empörung über den Text und das alte Vorurteil dahinter wird ihn nicht überrascht haben. Allerdings: Die Daten sprechen eher für Hitchens. Empörend? Erst lesen, dann entscheiden |1
2| Die Humorforschung sieht Humor als individuelle kognitive Fähigkeit, die lose mit Intelligenz, Kreativität und Sprachkompetenz zusammenhängt. Einige Studien untersuchen, wie Männer und Frauen sich dabei unterscheiden. Eine neue Meta-Studie fasst die Ergebnisse zusammen (Q1).
3| Die Grafik zeigt die Resultate von 28 Studien (N=5.057), die alle messen, ob Männer oder Frauen humorvoller sind. Ermittelt wird das, indem unabhängige Dritte blind bewerten, was Männer und Frauen an Humor produzieren. Bei Werten größer 0 haben Männer im Schnitt die Nase vorn.
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14 Oct
Dass die Leute unterschiedlich intelligent sind, ist eine triviale Beobachtung. Deutlich interessanter wird es, wenn man stattdessen sagt: Die Leute sind unterschiedlich rational. Was das bedeutet und wo Sie da möglicherweise stehen, das können Sie in diesem Thread erfahren. |1
2| Wenn Sie mögen, lesen Sie sich zum Einstieg diese 3 simplen Aufgaben durch. Lösen Sie sie so schnell, wie Sie können. Ich habe die Aufgaben aus Q1 entnommen und für unsere Zwecke hier übersetzt. Wenn Sie fertig sind (oder keine Lust zu rechnen haben), lesen Sie einfach weiter.
3| Das Fiese an den drei Aufgaben ist nicht, dass sie schwierig sind, sondern dass unsere Intuition eine Lösung präsentiert, bevor wir überhaupt mit Rechnen beginnen: 10 Cent, 100 Minuten, 24 Tage. Unsere Intuition liegt aber eben falsch. Richtig wäre: 5 Cent, 5 Minuten, 47 Tage.
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12 Oct
Ich mag theoretische Fragen. Deshalb finde ich es toll, wenn die Leute diskutieren, ob "Weißsein"/"Schwarzsein" ein "Konstrukt" ist. Hier kommt ein kleiner Versuch, allerseits wohlwollend aufzudröseln, auf welchen Ideen diese Perspektive eigentlich beruht. Warnung: langweilig. |1
2| Kurze Vorbemerkung: Das ist ein Textchen für interessierte Laien, die sich vielleicht über die Idee von "sozialen Konstrukten" wundern oder einfach mal einen Blick unter die theoretische Motorhaube werfen wollen. Für Aficionados hat das hier sicherlich viel zu wenig Tiefgang.
3| Am Anfang steht diese Frage: Wie ist unsere Welt in Wahrheit beschaffen? Und jetzt stellen Sie sich mal vor, die vielen möglichen Antworten auf diese große Frage befinden sich auf einem Spektrum.
Am einen Ende dieses Spektrums finden wir Annahmen wie die folgenden vor:
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