/1 Der Beschluss des 13. Senats des OVG Lüneburg v. 16.12.2021 zur vorläufigen Außerkraftsetzung von 2G im Einzelhandel (Az. 13 MN 477/21) wurde nun in Volltext veröffentlicht (rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal…).
/2 Diese "sogenannte" Fehlentscheidung, wird folgend vorgestellt. Dazu wird vergleichend auch auf die ablehnend Entscheidung des OVG Schleswig (Beschl. v. 14.12.2021, Az. 3 MR 31/21, gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/portal…) eingegangen.
/3 Das OVG Lüneburg stellt fest, dass 2G im Einzelhandel keine notwendige Maßnahme darstellt (Rn. 26). Es verweist zurecht darauf, dass Schutzmaßnahmen "notwendig" sein müssen und der Staat nicht jede Maßnahme anordnen darf, welche ihm lediglich nützlich erscheint (Rn. 27 f.).
/4 Dies ist nichts ungewöhnliches und auch in anderen Bereichen anerkannt. So z.B. bei der Meinungsfreiheit (vgl. EGMR, Handyside g. Vereinigtes Königreich, Urt. v. 07.12.1976, § 48, eugrz.info/PDF/EGMR1/EGMR…). Oder auch im Bereich des Datenschutzes (deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/…).
/5 Das OVG Lüneburg führt aus, dass durch 2G verhindert wird, dass nicht immunisierte Personen sich im Einzelhandel anstecken können und dadurch die Verbreitung von SARS-CoV-2 verhindert wird (Rn. 32).
/6 Es verweist aber darauf, dass die Eignung dieser Maßnahme durch die vielen Ausnahmen vor allem im Lebensmittelhandel stark reduziert ist. Denn wen es zu Zahlreichen Kontakten dort schon kommt, machen die wenigen Kontakte im Einzelhandel nicht mehr viel aus (Rn. 33).
/7 Das OVG Lüneburg hat dann große Zweifel an der Erforderlichkeit dieser Maßnahme. Zunächst verweist es darauf, dass es den Verordnungsgeber zahlreich in der Vergangenheit darauf hingewiesen hatte, er möge darlegen, dass es auch tatsächlich zu Infektionen kommt.
/8 Er dies aber unterlassen hatte und auch vom RKI bisher nicht festgestellt werden konnte, dass im Einzelhandel Infektionen auftreten (Rn. 35).
/9 Dies steht im krassen Gegensatz zu der Auffassung des OVG Schleswig, der weiterhin meint man könne es ja nicht ausschließen, dass es im Einzelhandel zu Infektionen kommen könnte und der Verordnungsgeber dies "annehmen" darf (Rn. 30).
/10 Zurecht meint der OVG Lüneburg, dass die Erkenntnisse von anderen Innenräumen nicht einfach auf Kaufhäuser übertragen werden können (Rn. 36), was der OVG Schleswig einfach macht (Rn. 30 letzter Tweet).
/11 Das OVG Lüneburg nimmt dann auf die Strategiepläne des RKI Bezug und verweist darauf, dass nicht mal das RKI 2G im Einzelhandel fordert (Rn. 37). Vor allem aber sieht es in FFP2-Masken ein milderes Mittel.
/12 Hier wurde dem 13. Senat des OVG Lüneburg von Franz Mayer vorgeworfen, dieser würde "keine Expertise" besitzen um dies beurteilen zu können und das dies dem Verordnungsgeber vorbehalten sein sollte (2. Tweet). Offensichtlich ohne die Entscheidung gelesen zu haben.
/13 Der 13. Senat stützt hier seine Feststellung auf eine Stellungnahme zu dem Verfahren um die Bundesnotbremse und einer neueren umfassenden Studie. Auch hatte der Verordnungsgeber nichts präsentiert im Verfahren was dagegen sprach (Rn. 40, 52).
/14 Das OVG Schleswig dagegen hält nichts von FFP2-Masken, weil die Ergebnisse zu deren Einsatz bei früheren Varianten ermittelt wurden und jetzt Omikron kommt (Rn. 26). Auch können unbemerkte Aerosolübertragungen stattfinden (Rn. 29).
/15 Wieso aber die Omikron-Variante den Schutz von FFP2-Masken beeinflussen sollte, ist für das OVG Lüneburg nicht mal ansatzweise verständlich (Rn. 58).
/16 Dann wurde auch dem 13. Senat vorgeworfen er würde "eigenmächtig" das Infektionsgeschehen bewerten. Dabei bezog er sich im Verfahren auf die Feststellungen des Verordnungsgebers, welcher es als "beherrschbar" ansah (Rn. 51).
/17 Das OVG Lüneburg kommt dann zu dem Schluss, dass 2G sowohl für den Einzelhandel, als auch für nicht immunisierte Personen eine große Belastung darstellt (Rn. 53). Das diese Belastung größerer ist, als der geringe gegenwärtige Beitrag zur Bekämpfung durch 2G (Rn. 54).
/18 An dieser Bewertung ändert auch nichts Omikron. Der Hinweis des Verordnungsgeber auf die Forderung von Priesemann und anderen - beruhend auf einer Modellrechnung - einen "Notschutzschalter" einzuführen, weist der 13. Senat als zusammenhanglosen Blödsinn ab (Rn. 59).
/19 Auch genügt nach Auffassung des OVG Lüneburg diese Regel nicht mehr dem allg. Gleichheitssatz (Rn 62 f.). Das steht ebenfalls im Widerspruch zu der Entscheidung des OVG Schleswig, welches keinen Gleichheitsverstoß hier erkennen kann (Rn. 39 ff.)
/20 Insgesamt lässt sich feststellen, dass im Verfahren vor dem OVG Lüneburg eine tatsächliche gerichtliche Kontrolle stattfand, während beim OVG Schleswig teils unter Rückgriff auf obskure Argumente der Rechtsschutz verwehrt wurde.
/3 ...Staatsrechtslehre und Medien haben für die Akzeptanz von Urteilen eine Verantwortung. Kritik gehört klar dazu, aber derart überzogen polemisch mitten in der Pandemie das Gericht zu attackieren, welches ausdrücklich eine Orientierung geben wollte,...
/1 @prof_mayer meint hier, die Gerichte sollen einfach alles abnicken, was Bund und Länder machen.
2G im Einzelhandel in Niedesachsen gekiptt – Jurist: „Eine klare Fehlentscheidung“ fr.de/hintergrund/2g…
/2 Meine Meinung ist, wer nach fast zwei Jahren nicht mal ansatzweise schwerwiegende Grundrechtseingriffe rechtfertigen kann, hat keinen grundrechtlichen Anspruch diese durchzuführen!
/3 Außerdem hatte es der niedersächsische Verordnungsgeber selbst in der Hand sich die entsprechende Expertise zu holen. Denn am Ende sind nicht die Grundrechtsträger verantwortlich, die Ungefährlichkeit ihres Handelns darzulegen sondern der Staat die Gefährlichkeit zu beweisen.
/1 Der BayVerfGH hatte vor kurzem interessante Anmerkungen zu Geimpften und Genesenen gemacht (Entscheidung vom 28. Juni 2021 - Vf. 73-VII-20 -). Volltext der Entscheidung: bayern.verfassungsgerichtshof.de/media/images/b…
/2 Die Popularklage war zum scheitern verurteilt, weil der Kläger irgendwelche Grundrechtsverletzungen geltend machte ohne diese näher zu begründen. Das BayVerfGH hatte aber die Gelegenheit genutzt, seine Sicht auf diese Dinge zu geben.
/3 Zunächst einmal bewertet es Maßnahmen wie Maskenpflicht, Abstandsgebote sowie Kontaktdatenerhebung, als Maßnahmen mit einer relativ geringen Eingriffsintensität. Auch sei es Ok, wenn diese Maßnahmen für alle gelten, zwecks einfacher Kontrollierbarkeit (Rn. 22).
/1 Ein paar Bemerkungen zu diesen Entscheidungen. 1. Entscheidung Kontaktbeschränkungen (1 BvR 900/21). Zunächst verweist das BVerfG darauf, dass die Beschwer für Personen die genesen oder geimpft wurden entfallen ist (Rn. 9).
/3 Das BVerfG erkennt dann keine Nachteile mehr für Personen die geimpft oder genesen sind (Rn. 13). Allerdings liegen Nachteile auf der Hand. Sie können sich mit nicht immunisierten Personen nicht im unbegrenzten Umfang treffen. Für die gelten die Beschränkungen weiter.
/1 Es ist immer wieder toll wenn Leute von Fach wie hier Theologen mit ihrer verfassungsrechtlichen Expertise versuchen zu glänzen.
Ethikrat zu Kinderimpfung: „Eine moralische Impfpflicht für alle gibt es ohnehin“ welt.de/politik/deutsc… via @welt
/2 Dabei könnte man auf die Idee kommen Juristen zu befragen. Ich weiß eine Dumme Idee, denn von Verfassungsrecht verstehen viel Mehr in einer Pandemie Theologen, Philosophen, Virologen und am meisten Modellierer.
/3 Aber vielleicht lohnt sich doch ein Blick auf Meinungen aus der Rechtsliteratur. So z.B. hatte sich Anna-Maria Grüner in ihrer Dissertation (Biologische Katastrophen) mit dieser Thematik beschäftigt (nomos-elibrary.de/10.5771/978384…). Sie kam zu folgendem Ergebnis: