Wie werden sich die #Omikron-Fallzahlen entwickeln, und wie sieht die entsprechende Krankenhausbelastung aus?
Ein langer Thread über unseren Preprint: arxiv.org/abs/2112.12062
(1/N)
Für alle, die hieraus vielleicht zitieren: Bitte die Quellen verlinken.
Ich spreche für mich selbst, nicht für einen Expertenrat. Mir ist Transparenz sehr wichtig, deswegen die Ausführung hier. Sie spiegeln den aktuellen Stand meines Wissens wieder.
(z/N)
Omikron ist im Detail aktuell schwer vorhersehbar, da wir zum einen wenig über die aktuellen Omikron-Fallzahlen in Deutschland wissen, und da wir wenig darüber wissen, wie gut genau genesene und geimpfte gegen einen schweren Verlauf geschützt sind.
(2/N)
Trotzdem kennen wir die Eckdaten so gut, so dass wir einen klaren Korridor abschätzen können.
Unser Kollege @maxplanckpress hat in einer klaren Pressemitteilung zusammengefasst, was wir erforscht haben (Danke!): mpg.de/18097978/coron…
(3/N)
Und hier unser neues Paper auf arxiv. Es ist noch nicht begutachtet. Aber ich will es trotzdem in meinen Worten kurz zusammenfassen. arxiv.org/abs/2112.12062
(4/N)
Das schwierigste in der aktuellen Situation (und wie so oft vorher) ist, das Verhalten der Menschen einzuschätzen. Wenn wir sehr stark warnen, sind viele Menschen vorsichtig, und im besten Fall wird die Welle deutlich ausgebremst.
(5/N)
Warnen wir nicht, dann kommt #Omikron ungebremst, und eine Kontaktreduktion kommt dann so spät, dass die Überlastung der KH wahrscheinlich nicht vermieden werden kann.
(6/N)
Egal was wir vorhersagen, wir werden also mit unseren Szenarien falsch liegen. Hier nun ein Versuch, der davon ausgeht, dass die meisten Menschen vorsichtiger sein werden, wenn die Intensivstationen belastet oder überlastet sind.
(7/N)
In den Berechnungen unterscheiden wir zwischen immun-naiven Personen, und Personen die geimpft und genesen sind. Wir beachten nachlassenden Immunschutz, Booster, Altersabhängigkeit etc...
(i/N)
Wir haben auch eingebaut, dass die Impfbereitschaft mit der Belastung der Intensivstationen weiter steigt, dass ein Teil der Menschen sich auf jeden Fall impfen oder boostern lässt, und dass es einen kleinen Teil gibt, der sich nicht impfen lässt.
(i/N)
Und klar, die AHA Maßnahmen werden vermehrt umgesetzt und die Kontakte werden tendenziell reduziert, je höher die Intensivbelastung. Allerdings ist dieser Spielraum begrenzt: Wer z.B. auf die Arbeit gehen muss, kann seine Kontakte nicht komplett reduzieren.
Gehen wir davon aus, dass der Schutz gegen Omikron-Übertragung zwar deutlich reduziert ist, der Schutz gegen schweren Verlauf aber genauso gut ist wie bei Delta. Unter den Annahmen reichen die Maßnahmen von November/Dezember (dunkelblau, oben) wahrscheinlich nicht.
(i/N)
Es wird trotz freiwilliger Vorsichtsmaßnahmen zu einer deutlichen Überlastung kommen. Es braucht also deutlich stärkere Vorsichtsmaßnahmen. Hier können staatliche Regeln den Menschen die Möglichkeit geben, sich besser selbst zu schützen (blau, mitte).
Im Prinzip ist es auch möglich, mit sehr starken Kontaktbeschränkungen die Inzidenz deutlich zu senken (türkis). Das ist eine Frage des Ziels und der Güterabwägung.
(i/N)
Es ist im Rahmen des Möglichen, dass wesentlich weniger Menschen einen schweren Verlauf haben. In dem Fall könnten die Maßnahmen von Nov. reichen, um die KH Belastung ausreichend niedrig zu halten. Aber aber die Inzidenz kann theoreetisch sehr hoch werden (max: gepunktete Linie).
Sind zu viele Personen gleichzeitig erkrankt, dann stellt sich die Frage, wer z.B. die Versorgung in den Krankenhäusern stemmt. -
(i/N)
Bei der aktuellen Ausbreitungsgeschwindigkeit sind wir sehr sicher, dass es Omikron ungebremst zu Wocheninzidenzen deutlich über 1.000 je 100.000 führen kann. Das bedeutet, dass einige Prozent der Bevölkerung in Quarantäne sind.
(i/N)
Gleichzeitig trägt selbst eine Inzidenz von 1.000 nur sehr langsam zur natürlichen Immunisierung bei: 1 % pro Woche ist wenig. Das Impfen und Boostern ist mit rund 1 % pro Tag wesentlich schneller. arxiv.org/abs/2111.08000 arxiv.org/pdf/2111.08000
(i/N)
Ich hoffe, hier wird klar, dass #Omikron uns in den kommenden Wochen sicher Probleme machen wird, entweder durch hohe Intensivbelastung oder durch hohe Quarantänezahlen - oder durch beides.
(i/N)
Ich bin selbst total frustriert, dass es nicht bei Delta geblieben ist. Delta haben wir ohne Lockdown dank Vorsicht + Boostern in den Griff bekommen.
Jetzt ist es an uns, Omikron ausreichend zu bremsen.
(i/N)
Je effizienter wir Omikron ausbremsen, desto mehr Kontakte können gerade auch die jüngeren haben.
(i/N)
Es fällt mir nicht leicht, hier wieder die Überbringerin der schlechten Nachrichten sein zu müssen. Aber die transparente Kommunikation unserer Ergebnisse ist mir wichtig.
(i/N)
Ich schaffe das nicht alles gleichzeitig: Forschen, Diskutieren, Beraten, Lehren --- und manchmal Twittern. Daher die Verzögerungen.
(i/N)
Der Transparenz wegen: Diese Modell ist nur eines von vielen. Viele andere Arbeitsgruppen in Deutschland und international schauen sich die Ausbreitung von Omikron an.
(i/N)
Danke an das klasse Team! André Calero Valdez @Sumidu von der RWTH Aachen, Mirjam Kretzschmar vom University Medical Center Utrecht, Kai Nagel von der Technischen Universität Berlin und Michael Mäs vom Karlsruhe Institut für Technologie.
(i/N)
Sowie meine allerbeste Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation & @uniGoettingen mit Philipp Dönges, Joel Wagner, Sebastian Contreras @sebcontreras, Emil Iftekhar @EmilIftekhar, Simon Bauer, Sebastian Mohr und Jonas Dehning @JonasDehning.
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Danke für die Unterstützung.
An alle, die mir persönlich oder hier auf Twitter oder auch nur in Gedanken Rückhalt geben, wie Armin Nassehi und viele andere (unten).
(1/N)
Mich selbst erschüttert das recht wenig. Es ist ja nichts anderes zu erwarten.
Sehr problematisch finde ich, dass damit das Vertrauen in die Wissenschaft untergraben wird. Wie sollen wir ohne wissenschaftliche Basis den Klimaveränderungen entgegentreten?
(i/N)
Oder andere Krisen und Probleme konstruktiv lösen?
(i/N)
Wir können einen flächendeckenden Lockdown vermeiden, wenn wir schnell impfen und boostern, und wenn wir flächendeckend 2G++ bis 3G umsetzen.
Wir haben dazu eine neue Stellungnahme raus gebracht: zenodo.org/record/5733895…
Ich hatte sehr gehofft, dass dieser Winter einfacher wird als der letzte. Wir haben ja einen Impfstoff. Und er hilft uns aktuell auch mit der Delta-Variante.
Wenn aber die aktuellen Informationen zu B.1.1.529 stimmen (siehe unten), dann kündigt sich die nächste Welle an.
Vieles zu der neuen Variante ist noch unklar.
Trotzdem, aus gutem Grund haben anderen Länder wie UK und Israel entschieden, für diese Variante die Grenzen erstmal dicht zu machen. Das heisst: Quarantäne UND PCR Tests für einreisende aus einer Reihe Ländern.
Man wird die Variante nicht aufhalten können. Aber sie zu bremsen kauft einem wichtige Zeit.
FALLS es notwendig sein sollte, den Impfstoff anzupassen und Auffrischungen zu machen, dann bringen einige Wochen ausbremsen einen deutlichen Zeitgewinn.
Wenn man sich nach der Hospitalisierungsinzidenz richten will, dann ist es wichtig, den teilweise starken Meldeverzug mit zu beachten. Vielen ist das auch inzwischen bekannt. Hier eine Liste der aktuellen Hosp.-Inzidenzen, von Kai Nagel und seiner Gruppe. blogs.tu-berlin.de/vsp_verkehrssy…
Anhand dieser Liste und der alten MPK Beschlüsse hätten einige Bundesländer schon längst stärkere Maßnahmen ergreifen müssen.
Lohnt es sich jetzt noch, gegenzusteuern?
Das ist schwer abzuschätzen. In einigen Wochen wird die Inzidenz dank Boostern zurückgehen.
Auch die Hospitalisierung geht dann (in der Folge) zurück. Wenn (zum Beispiel) kommende Woche noch starke Maßnahmen ergriffen würden, würde das die Welle etwas früher zum Abklingen bringen. Aber es wird nicht die örtliche Krankenhausüberlastung vermeiden oder zurückdrehen.
Die Anzahl Impfungen pro Tag geht in D langsam hoch. - In Österreich hat sie die 1 % pro Tag schon wieder erreicht! - Bitte, an alle HausärztInnen, Impfteams, Apotheker, [...], stellen Sie ausreichend Termine zur Verfügung! Das hilft allen!
An alle BürgerInnen:
"Eine Impfung oder Auffrischung macht 20 Jahre jünger."
Warum? Sie reduziert die Wahrscheinlichkeit, an COVID zu versterben etwa zehnfach (gut 90 %)!
Damit hat z.B. eine geimpfte 60-jährige Person etwa das selbe Risiko, wie eine ungeimpfte 40-jährige Person.
Leider hält die Verjüngungskur nicht ewig. Also braucht es eine Auffrischung. Und die hat in Israel, nach aktuellem Stand des Wissens, nochmal zusätzlich eine deutliche Verjüngung bewirkt (92 % Schutz gegen Ansteckung, Krankenhaus & schweren Verlauf(!) in allen Altersgruppen).
Klarstellungen: (1) Die Aussage Geimpfte trügen nicht zur Übertragung bei ist und war nie korrekt. (2) Kontaktbeschränkungen haben natürlich eine Wirksamkeit gegen eine Übertragung. (3) Je nach Umsetzung haben auch Ausgangsbeschränkungen eine Wirksamkeit.
Kernproblem: Der Schutz gegen Übertragung lässt nach. Nach der zweiten Impfung ist der Schutzfaktor 10 (90%), nach und 5 Monaten nur noch Faktor 2 bis 3 (50-70%), laut Studie in Israel.
Also: auch geimpfte tragen nun leider also immer mehr zur Übertragung bei.
Ja, schnelles Boostern ist extrem wichtig.
Aber was macht man zur Überbrückung? Und wie beschleunigt man das Boostern auf min. 1 Mio pro Tag, wie im vergangenen Sommer, oder mehr?
Das ist Güterabwägung und Aufgabe der Politik.