Das ist schon ein bisschen her...
Ein Patient mit einer schweren Herzerkrankung und extrem schlechter Pumpfuktion wollte nicht über das Wochenende im Krankenhaus bleiben. Er entließ sich gegen ärztlichen Rat selbst. Auch ein Gespräch mit einem Kollegen aus der Kardiologie, mir
und seiner Ehefrau konnten ihn nicht überzeugen zu bleiben. Er wollte nicht bleiben, sondern Sonntag wiederkommen. Ich hatte Hintergrunddienst. In der Nacht rief die Intensivstation mit einem eher kleinen Problem an. Aber die Sache war nicht so 100% eindeutig, so dass ich mich
entschied doch rein zu fahren um den Patienten anzusehen. Mein Kollege war nicht so überzeugt, dass er mich bräuchte, aber ich wollte den Patienten sehen. War ja schließlich meine Verantwortung. Den Patienten vom Mittags, der sich entlassen hatte, hatte ich völlig verdrängt. Ich
hielt vor der Notaufnahme, da das der kürzeste Weg auf unsere ITS war. Ein privates Parkte direkt vor der Notaufnahme. Ich habe mich innerlich etwas gewundert, und habe gegenüber geparkt. Ich war natürlich von zu Hause kommend privat gekleidet. Das Tür des Autos geht auf und
irgendwer ruft: "Herr Doktor..." ich drehe mich um und aus der Beifahrertür kippt mir dieser Patient vor die Füße. Die Frau schreit auf. Ich bin völlig perplex... Aber reagiere sofot. Zum Glück auch der Pförtner von der Notaufnahme, der Alarm schlug. Der Patient war schon wieder
ansprechbar. Das Team der Notaufnahme kam mit einer Liege. Wir brachten ihn in die Notaufnahme. Er ist schon wieder klar. EKG ok. Sättigung OK. Druck OK. Der Notaufnahmearzt war etwas überrascht eine komplette Übergabe von mir zu bekommen. Ich überließ den Patienten in den
Kollegen der Notaufnahme, da ich immernoch auf die ITS musste.
Tatsächlich war das Problem auf der ITS klein. Kurz mit dem Kollegen geredet, den Patienten angesehen, Vorgehen besprochen und wieder auf dem Rückweg.
Ich steige in mein Auto uns sehe das Auto des Paares weiter vor
der Notaufnahme. Irgendwas lässt mich wieder aussteigen. Ich wollte den Patienten doch nochmal sehen. Er war in guten Händen, aber irgendwie doch "mein" Patient. In der Notaufnahme sehe ich den nicht mehr. Ich spreche eine der Pflegekräfte an:
"Habt ihr Herrn X auf den Station
verlegt?"
"Nein. Schockraum 2. Er wird gerade reanimiert".
Plötzlich fällt mir alles aus dem Gesicht und ich renne in den Schockraum. Die Kollegen Reanimieren den jungen Mann. Der Assitenzarzt von eben ist nicht da. Eine andere Kollegin leitet die Rea.
"Was ist los?" frage ich.
"Keine Ahnung. Plötzlich nicht mehr ansprechbar, drucklos. Ich habe noch keine Übergabe bekommen, der Kollege ist mit einem anderen Notfall beschäftigt."
Ich ziehe meine Jacke aus uns schmeiße mich in Einmalkittel und Handschuhe. Die Oberärtzin der Notaufnahme kommt um die Ecke
gerannnt. "Was ist los?" fragt sie auch.
Ich übergebe ihr kurz den Patienten während Atemweg gesichert wird. Ich lege parallel eine arterielle Blutdruckmessung.
"Der muss in den Herzkatheter. Der hat sich heute gegen unseren Rat entlassen?"
Die Kollegin: "OK.Thomas hat
Katheterdienst". Der Kollege, der mit mir bei diesem Patienten war. Ich wähle schon seine Nummer.
"Hi Thomas, hier ist Lameth. Erinnerst du dich an Herrn X von heute mittag? Wir reanimieren ihn gerade in der Notaufnahme."
Thomas: "Shit. Der infarziert. 100%. Bei seinen Befunden"
"Deswegen rufe ich dich an. Du musst ihn kathetern. Vielleicht eine Herzunterstützungspumpe legen."
Er: "Klar. Ich rufe das Katheterteam an. Ihr könnte gleich in den Katheter in der Notaufnahme."
Ich: "Soll ich schon mal die Pumpe legen?"
Er: "Ja. Ich bin in 10 Minuten da."
Zum Glück können wir den Patienten stabilisieren. Wir sind kaum im Herzkatheter, schon ist der Kollege aus der Kardiologie auch da. Er übernimmt. Ich ziehe mich schnell um. Ich bin immernoch im Einmalkittel und Privatklammotten.
"Warum bist du überhaupt hier?" fragt er mich.
"Reiner Zufall. Ich war auf unserer ITS wegen eines anderen Patienten. Der hier ist mir nur im wahrsten Sinne des Wortes vor die Füße gefallen."
Während ich ihm die Geschichte erzähle, legen wir zusammen die Pumpe. Dann lasse ich ihn wirken. Er ist zum Glück der erfahrensten
Kardiologe im Haus. Die Stents sind schnell drin. Mit der Pumpe und den offenen Herzkranzgefäßen stabilisiert sich der Patient.
"Vielleicht sprechen wir mit der Ehefrau wieder gemeinsam?" schlage ich nun aus der Beobachterpose vor. "Gute Idee" sagt mein Kollege.
Die Frau hat
nichta mitbekommen. Sie wartet noch Geduldig in der Wartezone der Notaufnahme. Wir nehmen sie in ein Nebenzimmer und erzählen ihr alles. Sie bricht in Tränen aus. "Hätte er doch bloß auf sie geört" sagt sie. Wir können sie etwas beruhigen.
Auf dem Weg zurück zu dem Patienten sagt
mein Kollege. "Alter, hat der Glück gehabt. Ausgerechnet dem einzigen Arzt vor die Füße zu fallen, der seine Geschichte kannte. Wenn du nicht da gewesen wärst, hätten die Kollegen in der Notaufnahme noch etwas rätseln müssen. Das hätte es schon zuspät sein können."
"Nun ja, auch
dass du Dienst hattest und alles so gut geklappt hat."
Nach ca. 2 Wochen Aufenthalt hat der Patient die Klinik auf eigenen Füßen verlassen.
Die Zufälle, die sein Leben gerettet haben, gehen mir bis heute nicht aus dem Kopf. Dass ich Dienst hatte. Dass ich wegen einer völligen
Nichtigkeit in die Klinik gefahren bin. Dass er mir vor die Füße gefallen ist. Dass ich zufällig nochmal nach ihm sehen wollte. Dass ausgerechnet der fitteste unserer Kardiologen Dienst hatte... und und und.
Manchmal muss man einfach Glück im Leben haben...
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vielen Dank für deinen Text. Wir kennen alle die Beispiele, die du und einige wie @Chrissip81, @Flying__Doc, @drluebbers erleben nur zu gut. Ich bewundere Euer Durchhaltevermögen und Mut nicht aufzugeben. Ich werde weiterhin anonym bleiben und natürlich weiter
machen. Wenn man für Aufklärung und Alltagsgeschichten Hass abbekommt, sollte man nicht schweigen. Denn diese laute Minderheit soll wissen, dass man uns nicht durch Aggression zum Schweigen bringen wird.
Während viele Zeitungen und Fernsehsender direkt nach Interviews fragen,
finde ich die Haltung der @welt mal wieder erstaunlich. Klar - Axel Springer Verlag. Man erwartet nicht all zu viel aber kann dennoch enttäuscht werden.
Ach ja: Ich gebe keine Interviews unter Klarnamen. Das wissen auch die Journalist:innen, die mit mir Kontakt haben und
Der Anruf kam nach Mitternacht und ich bin kurze Zeit später auf der Autobahn. Ein unbekannter Kollege aus der Notaufnahme: "Ein Notarzt bringt einen instabilen Patienten".
Warum ich? Ich habe gar keinen Dienst. Die diensthabenden Kollegen stehen im OP. Sie haben gebeten, dass
ich angerufen werde. Der Patient fällt unter mein Spezialgebiet.
Der Schneeregen hämmert gegen die Frontscheibe. Von dem Geräusch werde ich aus meinen Gedanken herausgeholt. Ein Blick auf das Tacho. Ich bin viel zu schnell unterwegs. Die Autobahn ist zwar leer, aber das Wetter
und die Strassenverhältnisse erlauben nicht diese Geschwindigkeit. Ich zwinge mich die Geschwindigkeit zu reduzieren.
Am Telefon habe ich geklärt, was los ist. Bereits die ersten Anweisungen gegeben. Der Patient soll eine Computertomographie (CT) bekommen. Bereits mit der
Glaubt uns, wir würden auch alle so gerne: #IchBinRaus sagen. WIr haben so genug. Jeden Tag. Jede Nacht. Egal ob Samstag, Sonntag, Weihnachten, Silverster... egal ob Dienst oder kein Dienst. Wir halten dieses System am Laufen. Mit unserer eigenen psychischen und physischen
Gesundheit. Einsatz. Einspringen. Wir haben unsere Ressourcen überdehnt. Verdammt - wir haben alles genutzt, um so viele wie möglich retten zu können. Ich habe Patienten akzeptiert, mit dem Wissen, dass es am Ende der OP kein Intensivbett geben wird und wir einfach im OP bleiben
müssen. Wir haben Tage und Nächste durchgearbeitet. Kollegen geben auf. Kündigen und sagen #Ichbinraus weil sie die unglaubliche Ignoranz - nein viel schlimmer: die unglaubliche Anfeidungen, Bedrohungen, Beschimpfungen nicht mehr aushalten.
Uns fehlt auch der Ausgleich dafür.Wir
Ich breche nun zwei meiner Twitter regeln. Ich erzähle keine aktuellen Ereignisse aus der Klinik und werde nicht konkret, damit ich meine Anonymität wahren kann.
Es gibt aber Gründe, die am Ende klar werden.
Morgens habe ich erfahren, dass die Kollegen des letzten Tages die ganze
Nacht durchoperiert haben und noch am OP Tisch stehen und ich eine Ablösung organisieren soll. Drei Leute wollen nach Hause, drei Kollegen sind zusätzlich krank. Es sitzt eine ziemlich kleine Gruppe in der Frühbesprechung. Ich gehe selber in den Saal und löse die Kollegen mit
einem frischen Team ab. Ich erfahre bei der Übergabe dass dieser Patient aus einer anderen Uniklinik zu uns verlegt wurde, weil diese Klinik auf absehbare Zeit kein Intensivbett bekommen hätte, um ihn zu versorgen. D.h. der Patient wurde in akuter Lebensgefahr über 1h von der
Achtung ein Rant.
Zu Beginn der Pandemie haben wir uns in die vorderste Linie gestellt und dabei hatten wir die Hosen voll. Gestandene Intensivmediziner hatten Angst, da wir unseren Gegner nicht kannten. Berichte über massenhaft sterbende Kolleg:innen aus anderen Ländern,
fehlende Schutzausrüstung, kaum Tests, Desinfektionsmittelmangel, keine wissenschaftlichen Erkenntnisse... was haben wir gemacht? Wir haben unser Leben riskiert um eures zu schützen. Ihr habt geklatscht, wir haben geschwitzt.
Zwischen den Wellen haben wir gewarnt, gebettelt,
gehofft, geprädigt, erklärt - um zu sagen: Die Pandemie ist nicht vorüber.
Was ihr- und damit meine ich Journalisten wie @MatthiasMeisner, damit meine ich die ignoraten Politiker aller Parteien, damit meine ich die Zuschauern gestern in Köln, damit meine ich die Impfverweigerer
Hin und wieder kommt die Frage auf: "Müssen wir als medizinisches Personal Ungeimpfte behandeln? Die sind ja selber Schuld."
Diese Frage macht eine Tür auf, durch die wir nicht gehen dürfen. Wir sind dafür da um festzustellen, wer eine Behandlung braucht und nicht wer
eine Behandlung verdient. Wenn wir so anfangen zu denken, müssen wir Raucher bei Herzinfakt und Lungenkrebs auch ablehnen. "Die sind ja auch selbst Schuld". Oder wer betrunken Autogefahren ist und einen Unfall hatte. Wir dürfen nicht darüber nachdenken ob ein Patient diese
Behandlung verdient hat. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir sind auch gar nicht in der Lage dazu diese Entscheidung zu treffen.
Auf der anderen Seite, sind wir auch nur Menschen. Wir sind von den ersten drei Wellen mitgenommen. Körperlich und psychisch. Dass eine die