Während draußen Kalisalpeter mit Kohlenstoff + Schwefel reagiert, wollen wir, da alle mich interessierenden Partys abgeblasen wurden, ein wenig Infected Mushroom hören und uns über eine etwas größere Explosion unterhalten: den #Urknall. #Physik#Kosmologie
Was die meisten Menschen mit diesem Wort verbinden: Eine riesige Explosion, die vor längerer Zeit stattfand und bei der irgendwie das Universum entstand.
Wer etwas mehr darüber gelesen hat, wird vielleicht den von Gamow vorhergesagten und von Penzias und Wilson entdeckten Mikrowellenhintergrund erwähnen oder die von Hubble zuerst beobachtete Flucht der Galaxien.
(Da draußen herrscht übrigens eine an 1945 gemahnende Schallkulisse)
Doch das hinter dem "Urknall" steckende Konzept ist philosophisch viel tiefer verwurzelt. Es führt uns zur Wahrscheinlichkeitstheorie und zur Unterscheidung von Vergangenheit und Zukunft.
Denken wir uns eine "Welt": Das heißt eine Menge von Fakten, die durch Symbole beschrieben werden können. Zusätzlich soll in unserer Welt eine Zeit existieren, in dem Sinne, dass ihre Zustände sich in "vorher" und "nachher" ordnen lassen.
Der "Zustand" zum Zeitpunkt t ist die Gesamtheit aller in diesem Moment zutreffenden Fakten, bzw. die Symbolmenge, die dieser entspricht.
Er lässt sich als Punkt in einem sogenannten *Phasenraum* darstellen.
Dies ist ein abstrakter Raum, in dem jeder Punkt einem Weltzustand entspricht. Man kann die den Zustand darstellende Symbolfolge sich als eine Parameterkette denken: eine Kette von Variablen oder "Kästen", deren jeder mit verschiedenen Werten (Symbolen) gefüllt werden kann.
Jede Variable entspricht dann einer der Koordinatenachsen, die den Phasenraum aufspannen.
Ist unsere Welt beispielsweise ein mit N Gasmolekülen gefülltes Volumen, weist der Phasenraum für jede Orts- und jede Impulskoordinate jedes Moleküls eine Achse auf: er ist 6N-dimensional.
Eine simple Welt wäre z. B. eine Gruppe von drei Bits: [~|~|~] -- für jede der Tilden kann 0 oder 1 eingesetzt werden. Der Phasenraum ist ein Würfel mit einer Ecke im Koordinatenursprung und der Kantenlänge 1. Der Weltpunkt kann sich an jeder seiner acht Ecken befinden.
Doch eine solche Welt ist natürlich nicht sehr interessant. Interessante und realistische Systeme haben äußerst hochdimensionale Phasenräume.
Wie schon erwähnt, muss es in unserer Welt auch eine Zeit geben. Das bedeutet, dass der Weltpunkt sich auf irgendeine Weise durch den Phasenraum bewegt.
(KA-DOOOM: das hörte sich jetzt gerade an, wie ich mir eine leichte Mörsergranate vorstelle!)
Hier kommt nun eine wichtige Eigenschaft "interessanter" (d.h. komplexer) Welten ins Spiel: das *Rauschen*!
Rauschen bedeutet, dass der Weltpunkt im Phasenraum einen Zufallspfad beschreibt, in dem Sinne, dass sich zum Zeitpunkt t nicht voraussagen lässt, wo er zum Zeitpunkt t+1 hingewandert sein wird (außer, dass er sich irgendwo in der Nähe der vorangehenden Position befinden wird).
Diese Zufälligkeit kann daraus resultieren, dass die mathematischen Ausdrücke, die die Parameter der Welt miteinander verknüpfen (z. B. bei unserem Universum partielle Diff.gleichungen), von einer Art sind, die zu exponentieller Vergrößerung geringfügiger Unterschiede führen...
...so dass die Zufälligkeit verschwände, wenn man den Zustand mit unendlicher Genauigkeit kennen und die Ausdrücke mit unendlicher Genauigkeit berechnen könnte. Da dies jedoch nicht möglich ist, scheint der Weltpunkt zufällig zu driften.
Eine andere Möglichkeit (die in unserem Universum durch den Kollaps der Wellenfunktionen gegeben zu sein scheint) ist echter Zufall, der auch bei beliebiger Messgenauigkeit nicht verschwindet. Beide "Zufallsarten" führen jedoch zum gleichen Resultat.
Normalerweise sind die präzisen Werte der einzelnen Parameter nicht sonderlich interessant: noch nicht mal @VeroWendland weiß so genau, wo sich jedes einzelne Neutron in Gundremmingen befindet (bzw. bis geradeeben zu befinden pflegte).
Interessant für die Kerntechnikerin ist die statistische Verteilung der Neutronen im Reaktor. Verschiedene Verteilungen entsprechen unterschiedlichen Leistungswerten und Betriebszuständen. Dies trifft auch auf jedes andere physikalische System zu.
Deshalb untergliedert man den Phasenraum in Teilvolumina, deren jedes einem bestimmten makroskopisch erkennbaren Zustand entspricht.
Je größer das Volumen, desto mehr Mikrozustände entsprechen dem Makrozustand & desto wahrscheinlicher ist es, dass das System sich in ihm befindet.
Ist die Welt z. B. eine Anzahl Siliziumatome, dann entspricht dem Zustand "Computerchip" ein kleines Phasenraumvolumen, dem Zustand "Sandhaufen" dagegen ein enormes. Der Unterschied ist um Zehnerpotenzen größer als die Anzahl aller Elementarteilchen im beobachtbaren Universum.
Ist Ω das Volumen eines Phasenraumteilbereiches, dann nennt man den Wert
S = k x ln Ω
mit der Boltzmann-Konstanten k ≈ 1.38e-23 J/K ("Joule pro Kelvin") *Entropie*.
Je kleiner Entropie bzw. das Phasenraumvol., desto geordneter und unwahrscheinlicher ist der zugehörige Zustand.
(Weswegen es im Universum halt viel mehr Sandhaufen als Computer gibt.)
Nun schlenkert unser Weltpunkt zufällig durch den Phasenraum, von einem Teilvolumen ins nächste, wodurch sich der makroskopische Zustand der Welt ändert.
Klar ist, dass er allmählich aus kleineren in immer größere Bereiche gelangt, einfach, weil dies am wahrscheinlichsten ist.
Dies ist der *Zweite Thermodynamische Hauptsatz*: Die Entropie eines abgeschlossenen Systems nimmt mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit immer weiter zu.
Roger Penrose, aus dessen Buch "The Road to Reality" die Grafiken stammen, stellt nun eine interessante Überlegung an: Der Schüttelpfad des Weltpunktes ließe sich natürlich genauso in die Vergangenheit verlängern wie in die Zukunft hinein. Er sieht ebenso zufällig aus...
...egal, ob ich mich vorwärts oder rückwärts auf ihm bewege. Bedeutet das nicht etwa, dass auch in die Vergangenheit hinein die Entropie wachsen müsste, der 2. Th.d. HS. also das Vorzeichen wechselt?
Penrose übersieht an dieser Stelle eine einfache Lösung für dieses scheinbare Paradox. Sie bezieht sie auch die Natur des Konzeptes "Wahrscheinlichkeit" bzw. dessen Beziehung zur Zeit.
"Wahrscheinlichkeit" bezieht sich zwangsläufig auf die Zukunft: nämlich auf etwas noch nicht bekanntes. Auf Ereignisse, die bereits stattgefunden haben, ist sie nicht anwendbar. Die Frage "Mit welcher Wahrscheinlichkeit fand der 2. Weltkrieg statt?" ist sinnlos.
Wenn ich mich gedanklich rückwärts auf dem Schüttelpfad des Weltpunktes bewege, dann bewege ich mich gar nicht rückwärts, sondern meine Bewegungsrichtung definiert das neue "Vorwärts" in der Zeit.
Es wird manchmal gesagt: "Der 2. Th.d. HS ist das einzige Naturgesetz, das Vergangenheit und Zukunft unterscheidet" -- dies stimmt jedoch nur mittelbar. Was Vergangenheit und Zukunft unterscheidet, ist, dass erstere bekannt, letztere unbekannt ist...
...so dass das Konzept "Wahrscheinlichkeit" auf sie anwendbar ist -- und hieraus resultiert dann der Hauptsatz!
Wenn der Weltpunkt aus stochastischen Gründen in immer größere Phasenraumvolumina eintritt (und die Welt entsprechend immer mehr dem therm. Gleichgewicht zustrebt, einem langweiligen Zustand, in dem sich nichts mehr verändert), dann muss er also früher in kleineren gewesen sein.
Zum Glück befindet sich das Universum heutzutage keinesfalls im th.d. Gleichgewicht: Sonst gäbe es weder Nervensysteme noch Planeten noch Computer, Apfelkuchen, Anime, Infected Mushroom oder sonst irgendetwas gutes oder interessantes, sondern nur kühlen Elementarteilchenbrei.
Das Phasenraumvolumen unserer Welt ist demnach relativ klein -- in der Vergangenheit muss es jedoch noch viel kleiner gewesen sein, entsprechend einem extrem unwahrscheinlichen Zustand minimaler Entropie, in der Grafik gekennzeichnet als "B".
Dieses Minimal-Entropie-Urereignis ist das, was man in der Astronomie "Urknall" nennt. Die Beobachtung des Mikrowellenhintergrundes und der Rotverschiebung untermauern diese Schlussfolgerung, die sich jedoch rein abstrakt-logisch aus Grundannahmen über Zeit und Stochastik ergibt.
(Und notabene bei jeder vorstellbaren Welt, die hinreichend komplex ist und zwischen bekannter Vergangenheit und unbekannter Zukunft unterscheidet, so dass Zufälligkeit bzw. Rauschen auftritt, stattgefunden haben muss --
-- auch wenn diese ansonsten völlig andere Eigenschaften als unser Universum hätte!)
Nun kann man sich fragen, wie ein solch unwahrscheinliches Ereignis denn zustandegekommen sein soll?
Manche Menschen könnten sogar versucht sein, hier einen Gottesbeweis zu wittern.
Doch ein göttliches Wesen wird nicht benötigt, es sei denn, mit sieht den Zufall als eine Art Gott. Der Weltpunkt kommt im Laufe der Zeit jedem Punkt im Phasenraum beliebig nahe, einfach deshalb, weil er pausenlos zufällig darin herumtorkelt.
Auch die allerunwahrscheinlichsten Ereignisse treten irgendwann ein, wenn man lange genug wartet -- sogar unendlich oft, wenn man unendlich viel Zeit verstreichen lässt. In ferner Zukunft wird das Universum das thermodynamische Gleichgewicht erreichen...
d.h. sich in eine kalte Suppe langwelliger Photonen umwandeln: doch wir brauchen diese Zukunftsaussicht nicht deprimierend zu finden -- denn wenn man den Photonen hinreichend viel Zeit lässt, werden sich aus ihnen rein zufällig alle überhaupt logisch möglichen Strukturen bilden.
--> Galaxien, Planeten, Zivilisationen, Schwarzwälder-Kirschtorten, Gehirne: diese nennt man "Boltzmann-Gehirne". Auch die spontane Entstehung eines neuen Universums ist mit extrem geringer, aber von Null verschiedener Wahrscheinlichkeit denkbar --
-- indem der Phasenraumpunkt der Welt zufällig in ein winziges Teilvolumen mit minimaler Entropie hineinstrolcht.
Das bedeutet zum einen, dass der sogenannte "Urknall" in der Vergangenheit sehr wohl ein solches Zufallsereignis gewesen sein könnte...
...und zum anderen, dass zukünftig immer wieder neue Welten mit allen überhaupt logisch möglichen Eigenschaften entstehen werden, dass also alles, was existieren kann, existierte, existiert und existieren wird und zwar unendlich oft!
Nietzsche war zwar eher Rhetoriker (vulgo: Schwätzer) als Philosoph und schon gar kein Naturforscher; gelegentlich glückten ihm jedoch intuitive Volltreffer: "Wenn die Welt als bestimmte Größe von Kraft und als bestimmte Zahl von Kraftcentren gedacht werden darf --
und jede andere Vorstellung bleibt unbrauchbar --, so folgt daraus, dass sie eine berechenbare Zahl von Combinationen, im großen Würfelspiel ihres Daseins, durchzumachen hat. In einer unendlichen Zeit würde jede mögliche Combination irgendwann einmal erreicht sein;
mehr noch: sie würde unendliche Male erreicht sein."
("Der Wille zur Macht", Viertes Buch)
"Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nachschliche und dir sagte: 'Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch ein Mal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues daran sein...
...sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Große deines Lebens muss dir wiederkommen, und alles in derselben Reihe und Folge -- und ebenso diese Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen...
...und ebenso dieser Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder umgedreht -- und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!' -- Würdest du... nicht... den Dämon verfluchen, der so redete? Oder hast du einmal einen ungeheuren Augenblick erlebt...
...wo du ihm antworten würdest: 'du bist ein Gott und nie hörte ich Göttlicheres!'"
("Die Fröhliche Wissenschaft", Ende des Vierten Buches)
Mit mehr Wissen und Verstand und weniger Kitsch als Nietzsche wollen wir den Dämon hinzufügen lassen: "Du, dein Leben und dein Universum haben unendlich oft existiert, und werden unendlich oft existieren, als exakte Kopie ebenso wie in allen Abwandlungen, die möglich sind!"
Damit postulierst du, dass ein übergeordnetes Wertsystem existiert, anhand dessen menschlichen Aktivitäten das Recht zu existieren zugeordnet oder entzogen werden kann: genau so, wie die Marxisten in der DDR.
Nach den Vorstellungen Letzterer bestand das Wertsystem darin, dass "gute Kunst" die Ziele des Marxismus-Leninismus unterstützen muss; nach Benedikts Vorstellungen lautet es: gute Kunst muss sich verkaufen lassen.
Kunst bzw. Künstler können über beides nur lachen.
Kunst existiert einfach. Sie kümmert sich nicht um Wertsysteme. Wenn Kunst sich an ein Wertsystem anpasst -- z. B. indem sie sich zum politischen Sprachrohr macht oder versucht, den Mehrheitsgeschmack zu bedienen -- hört sie bereits auf, Kunst zu sein und wird zum Kitsch.
Der Satz, den er bewiesen -- die Poincaré-Vermutung -- bezieht sich auf Umformung geometrischer Körper ineinander; diesen Forschungsbereich nennt man Topologie.
Zwei Körper heißen *homöomorph*, wenn man sie ohne Löcher zu bohren, schneiden oder kleben ineinander verwandeln kann.
Z. B. ist eine Tasse mit Henkel homöomorph zu einem Donut: Wenn man eine aus Knetgummi herstellt, kann man sie zu einer Donutform unkneten, ohne neue Löcher in die Masse drücken zu müssen. Diese geometrische Form nennt man einen Torus.
Es stimmt *nicht*, dass die Konstruktion eines rationalen Handlungsablaufs unendlich viel schwieriger ist als der Aufbau einer irrationalen Bilderwelt in einem Stück des Theaters des Absurden, und die Behauptung, jedes Kind könne so malen wie KLEE oder PICASSO, ist ebenso unwahr.
Zwischen künstlerisch und dramatisch gültigem Un-Sinn und einfachem Unsinn besteht ein himmelweiter Unterschied. Jeder, der sich einmal ernstlich bemüht hat, Nonsens-Verse zu schreiben oder ein Nonsens-Stück zu ersinnen, wird die Richtigkeit dieser These bestätigen.
Beim Aufbau einer realistischen Handlung, wie beim Malen nach einem Modell, kann sich der Künstler nach der Wirklichkeit richten, er kann von eigenen Erfahrungen und Beobachtungen -- Personen, die er kennt, Ereignissen, die er erlebt hat -- ausgehen.
In diesem Fach sollten wir u.a. das Häkeln erlernen. Ich hatte kein einziges Mal irgendwelches Arbeitsmaterial dabei, weswegen mir eine Klassenkameradin, die in mich verknallt war, weil ich sie immer ärgerte, eine Häkelnadel und Wolle zusteckte.
Nach der Doppelstunde hatte ich ein ca. fingerbreites Stück Stoff gehäkelt, das noch an dem Wollknäuel hing. Beim Aussteigen aus dem Schulbus übergab ich diese Produktion obengenannter Klassenkameradin. Diese sagte: "Ja, willst du das denn nicht fertigmachen?"
Kalter, finsterer Dezembersonntagabend! Lasst uns ein spannendes Thema diskutieren: Was ist eigentlich #Kunst?
Im allgemeinsten Sinne handelt es sich bei Kunst um Strukturen, die Menschen in ihrer Umgebung erzeugen, welche den Zweck haben, in den Nervensystemen derer, die damit konfrontiert sind, starke Reaktionen auszulösen.
"Starke Reaktion" bedeutet: Zündung einer Kette von emotionalen und gedanklichen Reaktionen, einer Serie von Bildern und Vorstellungen im Geist. Je länger und komplexer diese Assoziationskette, je stärker die damit verbundenen Gefühle, desto gelungener finden wir ein Kunstwerk.
"Im Gegensatz zu dieser dornenbewehrten Vegetation, die es geraten sein ließ, nicht zu gewissen, von reifen Honigäpfeln gekrönten Höhen hinaufzuklettern, weste unten die Welt des Kambrischen: Korallenwälder, unendlich und immer wieder anders...
...mit ihrem Gewebe wie Fleisch, Spitze und Wolle, ihren flammenden, verwandelten, goldglänzenden Bäumen; alchimistische Bäume, wie aus einem Zauberbuch oder magischen Lehrwerk; Nesseln, deren Unterseite sich nicht berühren ließ, flammensprühender Efeu...
...verschlungen in Kontrapunkten und Rhythmen so zweideutig, dass jede Trennlinie zwischen dem Leblosen und dem Zuckenden, dem Pflanzlichen und dem Tierischen verwischt wurde.