"Die sind doch von Pfizer und Bill Gates bezahlt!" Man hat das schon so oft gehört, dass man sich die volle Niedertracht dieses Vorwurfs kaum noch bewusst macht. Ein Rant über das vielleicht dümmste Argument von allen. (Thread) puls24.at/news/politik/v…
Der Vorwurf, der damit vorgebracht wird, geht sehr tief. Die These ist: Menschen, die Tag für Tag an einer Sache forschen, werden mit Geld dazu gebracht, das Gegenteil von dem zu behaupten, was ihre Forschung eigentlich ergeben hat. Wie kann man das glauben?
Erstens muss man sich fragen: Welches Menschenbild hat jemand, der so etwas für möglich hält? Wie steht es um die Moral von Leuten, die derartige Morallosigkeit für völlig realistisch halten? Zweitens beweist es ein peinliches Unverständnis wissenschaftlicher Praxis.
Selbst wenn man glaubt, Meinungen kaufen zu können: Forschungsergebnisse sind keine Meinungen. Wissenschaftlicher Konsens beruht auf einem ganzen Netz an Fakten. Es müsste also eine weltumspannende Verschwörung geben. Und da sind wir sofort auf Roswell-UFO-Verschwörungs-Niveau.
Wer wissenschaftlich forscht, macht das nicht um viel Geld zu verdienen, sondern weil es schön ist, etwas Neues herauszufinden. Der Bestechungs-Vorwurf ist hier deshalb so besonders verletzend, weil er genau das Gegenteil von dem unterstellt, was die Triebfeder von Forschung ist.
Es ist als würde jemand sein Leben damit verbringen, die optimale vegane Bio-Hafermilch zu entwickeln, und dann sagt man: "Die hast du doch aus kleingehächselten Kälbern hergestellt!" Nein, verdammt, das ist das Gegenteil von dem, worum es hier geht!
Das heißt natürlich nicht, dass die Wissenschaft immer supersauber und frei von finanziellen Einflüssen ist. Nein, in der Forschungsförderung gibt es große Probleme, gerade in Medizin und Pharma. Geld bestimmt, was erforscht werden kann und was nicht.
Und natürlich muss man berücksichtigen, ob eine Studie von jemandem geschrieben wurde, der an einem bestimmten Ergebnis Interesse hat. Das wird in der Wissenschaft aber auch gemacht- und zwar vermutlich transparenter und umfassender als sich das eine Politikerin vorstellen würde.
Dass Firmen, die Forschung finanzieren, finanzielle Interessen haben, heißt nicht, dass man Forschungsergebnisse kaufen kann. Im Gegenteil: Gerade wenn viel Geld im Spiel ist, ist auch der Anreiz groß, genau hinzusehen und Fehler auffliegen zu lassen.
Der Bestechungsvorwurf unterstellt Wissenschaftler_innen gewissenlose Gier, die über Leichen geht. Wenn man das tatsächlich glaubt, soll man es klar sagen. Dann soll man aber auch klare Belege haben - oder sich entschuldigen und in Zukunft still sein.
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Ein wirklich grauenvoller Text, geschrieben vom Filmemacher Bert Ehgartner. Mit ihm diskutierte ich schon vor Jahren mal im Fernsehen über Impfungen. Damals hielt ich ihn noch für eher harmlos, doch das hier ist harter Tobak. Sehen wir uns das kurz an. 🧵brennstoff.com/artikel/corona…
Zu Beginn kann man ihm durchaus folgen: Ja, die Impfung wirkt gegen Omikron nicht mehr so gut. Ja, manche Wissenschaftler verwenden manchmal allzu reißerische Begriffe. Ja, es gibt Leute, die das Risiko einer Hospitalisierung überschätzen. (Klar, und andere unterschätzen es.)
Aber dann wird es übel: Menschen mit Vorerkrankungen verlangen, dass sie geschützt werden, beklagt sich Ehgartner. Na sowas aber auch!
Sie fordern sogar das Recht, einzukaufen oder ins Büro zu gehen, ohne in Lebensgefahr gebracht zu werden!
Wie findet Ehgartner das? Katastrophal!
Viel wurde gestritten, ob es tatsächlich eine Corona-Übersterblichkeit gibt. Das war immer schon lächerlich, weil die Übersterblichkeit wochenweise während großer Wellen offensichtlich war. Jetzt sieht man sie aber auch in Ganzjahreszahlen: 5,7% mehr Tote in Österreich 2021.
Ob es, wenn man ein ganzes Jahr betrachtet, eine Übersterblichkeit gibt, ist tatsächlich nicht so leicht zu sehen. Man muss schließlich berücksichtigen, dass sich die Altersverteilung der Bevölkerung ändert: Steigt der Anteil alter Leute, wird auch die Sterbezahl steigen.
Die Statistik Austria hat aber nun die Sterbezahlen mit Prognosen verglichen, in denen die Alterung mitberücksichtigt wurde. Und die Zahl der Sterbefälle liegt deutlich über dem, was ohne Corona zu erwarten gewesen wäre. Sie passt sehr gut zur offiziellen Zahl der Corona-Toten.
Die Energiezukunft könnte stinken. Und das wäre möglicherweise eine gute Sache. Ein paar Zeilen über Ammoniak und wie er helfen könnte, grüne Energie zu speichern. (Thread)
Es ist ein vieldiskutiertes Thema: Wenn wir auf Photovoltaik und Wind setzen wollen, dann brauchen wir auch Möglichkeiten der Energiespeicherung, um Schwankungen auszugleichen. Eine solche Möglichkeit ist Power to Gas.
Die Idee ist einfach: Elektrische Energie, die gerade nicht gebraucht wird (z.B. von großen Offshore-Windanlagen, wenn der Wind besonders stark ist) wird verwendet, um Gas mit hohem Energiegehalt herzustellen, das dann später z.B. verbrannt wird, um wieder Strom zu erzeugen.
"Die Inflationsrate ist im vergangenen Dezember um 4.3% höher gewesen als 2020" höre ich in den Abendnachrichten. Nein, die Inflation betrug 4.3%, die Preise waren um 4.3% höher. Das ist etwas völlig anderes. So etwas ärgert mich. (Thread)
Klar macht jeder mal Fehler. Aber ich verstehe nicht, warum so oft Ungenauigkeiten passieren, sobald es um Zahlen geht. Niemand im Journalismus würde Kanada zu Lateinamerika zählen. Das Verwechseln einer Zahl mit ihrer zeitlichen Änderung ist mindestens so ein schwerer Fehler.
Man muss hier vorsichtig sein. Wenn wir uns alle gemeinsam angewöhnen, dass das nicht so schlimm ist, und man ja trotzdem irgendwie weiß, was gemeint ist, dann dürfen wir uns auch nicht über Impfgegner-Fake-News wundern, die passieren nämlich oft genau nach diesem Muster.
Erschreckend viele Klicks bekommt derzeit eine Pressekonferenz über COVID von Andreas Sönnichsen und der FPÖ. Die Aussagen darin sind nicht nur irreführend, es werden sogar mehrere Irreführungen ineinander verschachtelt. Es ist interessant, sich das näher anzusehen (Thread)
Das Originalvideo will ich hier nicht verlinken, man findet es aber leicht auf Youtube. Sönnichsen argumentiert darin gegen die Impfung, weil die in manchen Fällen Myokarditis (Herzmuskelentzündung) auslösen kann. Er bezieht sich dabei auf ein Paper aus nature medicine.
Interessant: Das Paper (nature.com/articles/s4159…) sagt das Gegenteil von dem aus, was Sönnichsen behauptet. Das Myokarditis-Risiko ist nach der Impfung deutlich GERINGER als nach einer COVID-Infektion. Das bestreitet auch Sönnichsen nicht (!). Aber er verdreht das einfach.
Interessante vorläufige Ergebnisse: Der Booster-Shot sorgt möglicherweise dafür, dass die Antikörper-Antwort des Immunsystems deutlich verändert wird: Es werden nicht nur mehr Antikörper produziert, sondern auch bessere, die deutlich stärker gegen Omikron wirken.
In den Graphiken wird die Immunreaktion auf das ursprüngliche Virus mit Reaktion auf Delta Variante (links) und die Omikron-Variante (rechts) verglichen. Natürlich hängt das zusammen: Wer starke Immunität gegen den Wildtyp hat, hat tendenziell mehr Immunität gegen Delta&Omikron.
Wäre bei allen Leuten die Immunität gegen Delta bzw. Omikron genauso stark wie gegen den Wildtyp, wären alle Punkte auf einer 45-Grad-Linie: Der Wert auf der x-Achse (Immunität gg. Wildtyp) wäre so groß wie der Wert auf y-Achse (Immunität gg. Delta bzw. Omikron).